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Freitag, 14. November 2025

Der letzte Apfel am Baum

Hoch oben im Baum, zwischen buntem Laub und knorrigen Ästen, hing ein einzelner rotwangiger Apfel. Die anderen Äpfel an diesem Baum waren längst von den Menschen gepflückt und in Körbe verstaut worden. Aus ihnen war bereits Apfelmus oder ein duftender Apfelkuchen geworden. Nur er war geblieben. Man hatte ihn einfach übersehen, weshalb er sich jetzt, so ganz allein, einsam und vergessen fühlte.

Doch eines Morgens, als die Nebelschwaden noch über der Erde waberten, setzte sich unerwartet eine kleine Meise neben den Apfel. Da es kühl war, plusterte der Vogel sein Gefieder auf. Dabei sah er den Apfel neugierig an und zwitscherte ihm ein fröhliches: „Guten Morgen!“ entgegen.

„Was ist los mit dir“, wollte die Meise wissen, „weshalb hängst du noch hier herum?“

Der Apfel seufzte leise. „Weißt du, liebe Meise, alle meine Freunde wurden von den Menschen gepflückt. Bestimmt wurden sie inzwischen gegessen, zu Saft gepresst oder zu einem leckeren Kuchen gebacken. Ihr Leben hatte also einen Sinn. Und ich? Ich hänge hier fest und niemand braucht mich.“

Während die Meise ihr Federkleid putzte, überlegte sie, wie sie dem Apfel bei diesem Dilemma helfen konnte. „Weißt du“, begann sie nach einiger Zeit, „der Sinn des Lebens ist oft wie ein Sonnenstrahl, der sich hinter dem Nebel versteckt. Manchmal ist er wie verschleiert. Manche suchen ihn ihr ganzes Leben lang und denken, er muss doch groß und sichtbar sein – so wie vielleicht ein Bratapfel zur Weihnachtszeit. Dabei steckt Sinn oft im Stillen oder gar im Dasein selbst. Verstehst du? Vielleicht ist es deine Aufgabe, einfach nur zu sein und zu warten, bis sich zeigt, wofür du gebraucht wirst.“

Der Apfel runzelte nachdenklich seine rote Schale. „Aber wie erkenne ich ihn denn? Was muss ich tun, damit ich einen Sinn habe? Oder kann ich so bleiben, wie ich bin?“, fragte er den kleinen Vogel unsicher.

Die Meise blickte derweil in die Weite: „Ich glaube“, meinte sie dann, „manchmal ist der Sinn nicht das, was wir tun, sondern wie wir sind. Geduldig zu warten, freundlich zu sein, anderen Hoffnung zu geben, selbst wenn niemand hinschaut. Und vergiss nicht, dass auch du und ich Teil von etwas ganz Großem sind – und vielleicht merkst du erst, wenn du loslässt, was du alles bewirken kannst.“

„Glaubst du, dass es schlimm ist, dass ich den Sinn meines Lebens noch nicht kenne?“ fragte der Apfel nachdenklich.

Die Meise lächelte: „Ich denke, dass es überhaupt nicht schlimm ist. Manchmal zeigt sich der Sinn schon früh im Leben. Manchmal aber auch erst später und ganz oft ganz anders, als man erwartet.“

Der Apfel dachte lange über die weisen Worte der Meise nach. „Denkst du, ich muss loslassen“, wollte sie von dem Vogel wissen, und fügte an: „aber ich habe Angst vor dem Fallen. Vielleicht zerberste ich in 1000 Stücke.“ Allein die Vorstellung ließ den Apfel erschaudern.

Sanft pickte die Meise am Stiel des Apfels. „Weißt du, lieber Apfel, es erfordert großen Mut loszulassen, da man nicht weiß, was dann kommt. Doch manchmal ist das Loslassen die Lösung und der Anfang von etwas ganz Neuem. Was, wenn du den Sinn deines Lebens nur dann erkennen kannst, wenn du vertraust und loslässt?“

Beide schwiegen für eine ganze Weile. Dann fragte der Apfel: „Wirst du bei mir bleiben, bis ich mich traue, mich fallen zu lassen?“

„Ich verspreche es dir“, antwortete die Meise und fügte verschmitzt hinzu, „es sei denn, es dauert noch den ganzen Winter.“

In dem Moment, als der Apfel über die Worte der Meise schmunzelte und ihm bewusst wurde, dass er eine Entscheidung treffen musste, ließ er mutig los. Jetzt oder nie! Entschlossen, wie viele andere Äpfel es bereits vor ihm getan hatten, fiel er durch die kühle Luft, und zersprang, als er am Boden angekommen war, auf einem großen Stein, der sich unter dem Baum befand, in viele kleine Teile.

Schon bald kamen Ameisen, Würmer, ein Igel und auch die Meise, um sich an dem zu laben, was vom Apfel für sie übriggeblieben war.

Und so wurde aus dem Apfel, der sich nutzlos gefühlt hatte, Nahrung und Freude für viele hungrige kleine Tiere. Der Sinn des Lebens zeigt sich oft auf eine Weise, die man sich nie hätte träumen lassen.

Vielleicht liegt der Sinn des Lebens aber auch einfach nur darin, zu vertrauen und loszulassen, wenn es Zeit dafür ist. Und bis dahin findet man den Sinn in kleinen Momenten der Verbundenheit und darin, sich mutig dem Wandel hinzugeben.


(c) Martina Pfannenschmidt

Freitag, 7. November 2025

Opa, Emil und das Pilzabenteuer

An einem frischen Herbstmorgen stapfte Großvater Paul mit seinem Enkel Emil durch den bunten Laubwald. Die Luft roch nach feuchter Erde, die Vögel zwitscherten, und die Sonnenstrahlen blitzten hin und wieder durch die bunten Blätter. Der Junge hüpfte fröhlich neben seinem Opa her, während sein Körbchen bei jedem Schritt vergnüglich schaukelte.

„Opa, warum wachsen Pilze eigentlich im Wald?“, fragte Emil neugierig und blieb stehen, um eine Eichel aufzuheben.

„Pilze mögen es feucht und schattig“, erklärte Opa, „und sie helfen dem Wald, indem sie sozusagen aufräumen und ihn verwandeln. Alles, was herunterfällt, verwandeln sie in guten Waldboden.“

Emil überlegte. „Sind Pilze dann sowas wie Zauberer im Wald?“

„Ein bisschen schon“, antwortete Opa amüsiert. „Viele dieser Zauberpilze sind echt lecker und andere sind ganz schön gefährlich. Also immer zuerst Opa fragen, mein Junge!“

Beide hockten sich hin, als sie einen dicken braunen Pilz entdeckt hatten.

„Schau, Emil“, führte Opa weiter aus, „dies hier ist ein Maronenröhrling. Er hat einen braunen Hut, gelbe Röhren darunter und schmeckt gebraten ganz herrlich. Den kannst du in dein Körbchen legen. Und schau, der dort hinten mit dem weißen Stiel und den Lamellen, das ist ein Champignon. Der ist auch lecker. Den können wir auch mitnehmen!“

Emil streichelte vorsichtig über die weichen Pilzhüte.

„Kannst du mir auch einen giftigen Pilz zeigen?“, fragte Emil.

„Lass uns mal weitergehen. Wir werden sehen, ob wir einen entdecken.“

Nach einer Weile blieb Opa stehen und zeigte auf einen knallroten Pilz mit weißen Punkten.

„Schau dir den an!“, bat er seinen Enkel. „Das ist ein Fliegenpilz, der sieht zwar wunderschön aus, ist aber sehr giftig. Den lassen wir lieber stehen!“

Emil starrte den Fliegenpilz an und runzelte die Stirn, denn irgendetwas stimmte mit ihm nicht.

„Schau nur, Opa“, flüsterte er dann, "der Pilz bewegt sich!“

Beide schauten mit großen Augen in die Richtung. Tatsächlich! Der Pilz erhob sich ein wenig. Dann verneigte er sich stilvoll. Die beiden trauten ihren Augen kaum. Der Fliegenpilz war gar kein Pilz, sondern ein Gnom, der einen roten Hut mit weißen Punkten darauf trug! Es gab sie also wirklich und sie beide hatten ihn entdeckt.

Als der Gnom kicherte und ein fröhliches „Hohoho!“ von sich gab, waren die beiden Menschen sehr verwundert, doch als er freundlich weiter sprach, schmunzelten beide. „Großväterchen“, sagte er, „da hast du dich wohl geirrt. Ich bin nämlich gar kein Pilz, wie ihr hören und sehen könnt. Ich bin ein Gnom und mein Name ich Gnobertus. Ich bin ein Pilzgnom. Also passt immer schön auf, dass ihr nicht statt eines Pilzes Gnome sammelt.“ Dann lachte er herzhaft.

Als sich Opa und Emil von dem ersten Schreck erholt hatten, lachten sie auch und Opa rief: „In der Tat, einen solchen Pilz habe ich noch nie gesehen!“

Der Gnom hüpfte schelmisch um die beiden herum und folgte ihnen auf Schritt und Tritt. Während Opa sich bückte, um ein Steinchen aus seinem rechten Schuh zu holen, steckte Gnobertus heimlich ein kleines Steinchen in den linken Schuh, weshalb Paul einen komischen Hüpfer machte, als er wieder loslaufen wollte und bemerkte, dass es nun im anderen Schuh piekte.

Der Gnom kugelte sich vor Vergnügen und auch Emil musste lachen.

„So ist das mit den Pilzgnomen“, sagte Gnobertus und zwinkerte. „Wer glaubt, alles über den Wald zu wissen, muss manchmal eines Besseren belehrt werden!“

Am Ende des Waldspaziergangs winkte der Gnom den beiden Menschen freundlich nach und verschwand blitzschnell hinter einem Baumstumpf.

„Weißt du, Opa“, meinte Emil auf dem Heimweg, „jetzt glaube ich wirklich, dass Pilze Zauberer sind. Sie verzaubern sich selbst und werden zu kleinen Gnomen.“

Opa Paul lachte und legte seinen Arm um Emil. Mit einem vollen Körbchen und mit einer unglaublichen Geschichte im Gepäck kamen sie wieder zuhause an.

Ob ihnen irgendjemand diese abenteuerliche Begegnung glauben würde?

 

© Martina Pfannenschmidt


Samstag, 25. Oktober 2025

Der bunte Zauberbogen am Himmel

Ihr Lieben! Zunächst möchte ich Danke sagen dafür, dass so viele hier waren, um meine Geschichte 'Eine wundersame Freundschaft' zu lesen. - Wisst Ihr, das Schreiben macht mir 'wieder' sehr viel Freude und eigentlich sollte das Motivation genug sein, um weiterzumachen, doch ich bin ehrlich: das Salz in der Suppe ist für mich, wenn ich anderen damit eine Freude bereiten kann, wenn ich ihnen einen schönen oder vielleicht sogar berührenden Moment mit meiner Geschichte schenken darf. In diesen Zeiten ist das, wie ich finde, soooo wertvoll. 

DANKE, dass DU da bist! 💞


Es war ein ganz gewöhnlicher Nachmittag, als Mia mit ihrem kleinen Sohn Leo Hand in Hand durch den Park spazierte. Die beiden lachten, zählten die Enten auf dem Teich und freuten sich über das bunte Laub, das überall zu sehen war.

Wie aus dem Nichts hörten sie in der Ferne ein Grummeln und aus einer dicken Wolke fielen erste Tropfen.

„Oh nein, Mama, es fängt an zu regnen!“, rief Leo, als die ersten Tropfen auf seine Nase fielen. Schnell zog Mia ihrem Sohn die Kapuze über den Kopf und sah sich suchend um. „Komm schnell, dort vorne ist ein Pavillon, da können wir uns unterstellen“, sagte sie und lief mit Leo an der Hand dorthin.

Unter dem schützenden Dach hörten sie das Prasseln des Regens. Leo schaute neugierig nach draußen. „Wann hört der Regen wieder auf?“, wollte er wissen. Seine Mutter lächelte: „Ich denke, dieses Gewitter zieht rasch vorbei. Warte nur ab!“

Nach wenigen Minuten wurde der Regen weniger und ein Sonnenstrahl brach durch die Wolken. „Schau mal, Leo!“, rief Mia begeistert, als sie einen Regenbogen am Himmel entdeckte.

Leos Augen wurden ganz groß. „Wow, Mama, wie kommt der da hin?“

Mia hockte sich zu Leo und erklärte: „Ein Regenbogen entsteht, wenn die Sonne nach dem Regen auf die kleinen Wassertropfen scheint. Man könnte auch sagen:  Wenn die Sonne die Tropfen küsst, entsteht wie durch Zauberhand ein leuchtender Bogen am Himmel – fast so, als hätte ein Maler ihn dort mit seinem Pinsel hingezaubert.“

Beide schauten eine Weile schweigend in den Himmel, als Mia fortfuhr: „Weißt du, Leo, in einem sehr alten Buch gibt es eine Geschichte über Noah und die große Flut. Die Menschen und alle Tiere waren damals in einer Arche, das war ein gaaaanz großes Schiff. Sie waren dort, weil es soooo viel geregnet hatte, dass alles unter Wasser stand. Und dann erschien irgendwann ein Regenbogen am Himmel, was den Menschen sagen sollte, dass Gott sie auch in der größten Not niemals im Stich lassen wird. Gott, den man auch den Schöpfer nennt, weil er die Welt erschaffen hat, hat uns Menschen also versprochen, dass nie wieder eine so große Flut über die ganze Erde kommen wird, wie es damals war. Der Regenbogen ist also wie ein bunter Gruß von Gott, der uns sagt: ‚Ich bin immer für euch da und passe auf euch auf. Ihr könnt euch sicher fühlen, auch wenn es manchmal stürmt oder gewittert in eurem Leben.‘ Und jedes Mal, wenn wir einen Regenbogen sehen, dürfen wir uns daran erinnern, dass wir nie allein sind.“

Leo schaute immer noch zum Regenbogen. Dann neigte er stark den Kopf und meinte: „Schau mal so, wie ich, Mama. Dann siehst es aus, als wenn der Himmel lächelt.“

Mia tat es ihrem Sohn gleich und schmunzelte. „Du hast recht, der Regenbogen zaubert ein Lächeln an den Himmel.“

Doch Leo hatte noch mehr Fragen: „Warum hat der Regenbogen so viele Farben, Mama?“, 

„Schau Leo, jede Farbe hat ihre Bedeutung. Das Rot steht für die Liebe und dafür, dass sie das größte Himmelsgeschenk ist. – Orange steht für Freude. – Das Gelb ist wie der Sonnenschein, hell und freundlich. – Grün sagt man, schenkt Hoffnung. So wie im Frühling, wenn die Natur wieder erwacht und alles wieder grün wird. – Blau ist der Himmel über uns. Er steht für die Freiheit und das Gefühl, das alles möglich ist. – Ja und Violett ist eine ganz besondere Farbe. Sie zeigt den Menschen, wie geheimnisvoll die Welt ist und sie erinnert uns daran, dass es mehr gibt, als wir mit unseren Augen sehen können.“

Inzwischen wurden die Farben des Regenbogens immer blasser, was Leo ein wenig traurig machte. Gerne hätte er den bunten Zauberbogen am Himmel noch eine Weile beobachtet.

„Weißt du, mein Schatz! Du wirst noch viele Regenbögen in deinem Leben sehen und vielleicht wirst du dich dann an unseren gemeinsamen Moment und diesen Tag zurückerinnern und wer weiß, vielleicht kannst du dann sogar wahrnehmen, wie zauberhafte kleine Engel, die in ein sanftes Licht gehüllt sind und deren Flügel im Sonnenlicht schimmern, über die Regenbogenbrücke zu uns Menschen kommen", malte Mia aus, "und vielleicht wird der Regenbogen mit jedem Schritt, den sie tun, ein wenig heller strahlen. Und dann siehst du vielleicht, dass jeder Engel ein kleines lichtvolles Päckchen in seinen Händen trägt, in denen sie Liebe, Hoffnung und Freundlichkeit zu uns Menschen bringen."

Und so erzählt jeder Regenbogen seine ganz eigene Geschichte und füllt die Herzen der Menschen mit Farbe, Licht und Fantasie.


(c) Martina Pfannenschmidt

Mittwoch, 30. November 2022

Fußspuren

 

Diese Reizwörter galt es, in einer Geschichte unterzubringen:

Igel, Illustrierte, ideal, intelligent, ignorieren

Regina und Lore haben diesmal leider nicht mitschreiben können, doch ihr wisst, dass ihr in ihren Blogs reichlich 'Lesefutter' findet.


Heute ist ein besonders grauer und trüber Tag. Dennoch gehe ich zum Fenster, um in den Garten zu schauen. Aber nicht, um den Novemberblues anzustimmen, sondern um die Tiere zu beobachten, die sich dort tummeln.

Als Erstes fällt mein Blick dabei auf das Vogelhäuschen, wo sich die Spatzen auf der Buchenhecke daneben in Reih und Glied aufstellen und geduldig warten, bis sie an der Reihe sind. – Sie scheinen ganz genau zu wissen, dass genügend Futter für alle da ist.

Ja und einige von ihnen trotzen der Witterung und nutzen die massive Vogeltränke, um zu baden. Klar, denke ich und muss schmunzeln, heute ist ja auch Samstag: Badetag.

Und schon huscht ein kleiner Igel hinter der Hecke hervor und nimmt zielsicher Fahrt auf Richtung Laubhaufen, den ich extra für ihn vorbereitet habe. Das ist wirklich ein idealer Ort, um es sich dort im Winter so gemütlich wie möglich zu machen.

Tiere sind schon tolle Wesen. So unterschiedlich in ihrer Art. – Aber das sind wir Menschen ja auch.

Wenn ich ein Tier wäre, würde ich gewiss auch einen Winterschlaf halten. Obwohl! Eigentlich wäre das schon schade, die kalte Jahreszeit komplett zu verschlafen. Sie birgt doch auch so manch schöne Momente.

Während ich so ins Weite schaue, frage ich mich, ob Tiere eigentlich auch Freude erfahren können und ob sie ihr Leben als lebenswert empfinden und es in vollen Zügen genießen können?

Und wie ist das eigentlich bei uns Menschen? Leben wir wirklich in der Freude? Wenn wir ehrlich sind, bleibt die doch sehr oft auf der Strecke, bei all dem, was wir so um die Ohren haben und Leben nennen: Arbeiten gehen, die Steuererklärung machen, Rechnungen bezahlen, obwohl das Geld mehr als knapp ist. Da ist die Last des Lebens oft größer, als die Freude.

Ich komme gedanklich noch einmal zurück zu den Tieren. Die meisten von ihnen sind sehr treue Wesen. Was ja nicht unbedingt auf alle Menschen zutrifft. Und wer freut sich schon so auf uns, wie unser Hund, wenn wir wieder nach Hause kommen.

Wer einen Hund hat, der weiß, wie loyal diese Tiere sind. Ihnen ist es schnurzpiepegal, ob unsere Handtasche von Gucci und unsere Schuhe von Christian Louboutin sind. Sie lieben uns, wenn wir morgens verschlafen ins Bad schlurfen und auch, wenn wir unfrisiert und im Bademantel mit ihnen nach draußen gehen. Und all seine Liebe und Treue schenkt uns ein Hund sein ganzes Leben lang und als einzige Gegenleistung erwartet er neben dem Futter ein bisschen Gegenliebe.

Gut, dass sich der Igel schon unter dem Laubhaufen versteckt hat, denke ich gerade. In diesem Moment schleicht nämlich die Katze meines Nachbarn durch den Garten. Ob man nun ein Katzenfan ist, oder nicht, diese Tiere sind für viele Menschen äußerst wertvolle Lebensbegleiter, auf die sie nicht verzichten möchten, weil sie so verspielt und verschmust sind.

Die Nachbarkatze ist jetzt allerdings auf Beute aus. Sie ist dabei voll konzentriert und lässt sich so schnell durch nichts ablenken. Aber ich hoffe natürlich, dass die Maus, die sie im Visier hat, rechtzeitig entkommt. 

Eigentlich können wir Menschen uns von so vielen Tieren eine Scheibe abschneiden. Oder? Wenn ich zum Beispiel an die winzigen Ameisen denke, ahne ich, wie intelligent sie sind. Sie wissen genau, dass sie nur im Kollektiv stark sind. Ganz schön schlau. Auf diese Weise können sie wahrlich Großes bewegen.

Aber das gilt ja genauso für uns Menschen, nicht wahr. Wir sagen so oft: „Ich allein kann sowieso nichts ändern“. Das mag so sein oder so scheinen. Auf der anderen Seite sind wir ganz schön viele! Warum nutzen wir das eigentlich nicht und schaffen gemeinsam Großes? – Vielleicht, weil wir eher gegeneinander, als miteinander unterwegs sind? Wobei doch der Fall der Mauer ein großartiges Beispiel dafür ist, was Zusammenhalt verändern und bewirken kann. Was ist – oder wäre – uns alles möglich, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen würden? Aber wann tun wir das schon? Irgendwie ist jeder in seiner winzigen Welt gefangen; dabei macht Zusammenhalt richtig stark. Und das könnten wir uns von den Ameisen abschauen.

Ich denke noch mal an den Igel und den Winterschlaf zurück. Also, wenn das nicht das Richtige für mich ist, dann könnte ich es doch wie die Katzen halten und 12 bis 16 Stunden täglich schlafen. Also das würde mir richtig gut gefallen. Danach würde ich völlig unaufgeregt und entspannt den Tag beginnen. Aber auch das können wir Menschen uns nicht ‚leisten’. Dafür sind wir doch alle viel zu beschäftigt. Und außerdem schlafen wir oft sowieso schlecht, weil all die Dinge des Alltags uns bis in unsere Träume hinein begleiten. Ja und wenn wir endlich zur Ruhe kommen, klingelt auch schon wieder der Wecker.

In diesem Moment fliegen ein paar Krähen lautstark über mein Haus hinweg. Ich kann sie zwar nicht mehr sehen, aber ihr Krächzen immer noch hören. – Auch das sind übrigens unglaublich schlaue Tiere. Ich habe mal in einer Illustrierten gelesen, dass Krähen ganz bewusst Nüsse auf die Fahrbahn fallen lassen, damit sie von den Autos überfahren und geknackt werden. Doch die Tiere sind schlau genug, um zu wissen, dass sie dabei sehr achtsam sein müssen, damit sie später beim Fressen der Nuss nicht selbst überfahren werden. Eigentlich können wir doch auch davon lernen: Nicht über harte Nüsse jammern, sondern einen Ausweg finden.

Was wir uns nicht alles von den Tieren dieser Welt abschauen könnten. Dass man sich ausreichend Zeit gönnen sollte, um zu entspannen, zum Beispiel. Soviel Gelassenheit wie die Tiere legen wir Menschen eher selten an den Tag. Man hat wirklich den Eindruck, dass unsere Tiere im Hier und Jetzt leben – und der Mensch lebt gedanklich oft mehr in der Zukunft, als in der Gegenwart.

Ja, wir Menschen unterscheiden uns schon in vielen Dingen von den Tieren. Aber vielleicht haben wir eines gemeinsam. Vielleicht lieben Tiere wie die meisten Menschen auch Beständigkeit und wehren sich – wie wir – vehement gegen Veränderungen.  

Aber eines können Tiere im Gegensatz zu uns nicht: über den Tellerrand schauen. Aber das fällt uns Menschen ja auch oft sehr schwer. Doch eines werden wir sehr bald lernen müssen, ob wir wollen oder nicht: menschlicher, umweltfreundlicher und tierfreundlicher zu leben und zu werden. Sonst steht es echt schlecht um uns alle und um unsere Erde.

Wenn ich – bezogen auf die Erde - die Fußspuren der Tiere mit denen der Menschen vergleiche, würde ich sagen: Den Fußabdruck, den unsere Tiere hinterlassen, gleicht den Fußspuren im Sand.

Die Fußspuren, die wir Menschen hinterlassen, kommen eher denen eines Elefanten im Porzellanladen gleich. Das ist eine Tatsache, die wir nicht mehr länger ignorieren dürfen.

 

© Martina Pfannenschmidt, 2022



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Sonntag, 30. Oktober 2022

Schlüssel zum Glücklichsein

Nach einer längeren Pause sind wir (Lore, Regina und ich) heute zurück und haben für euch zu den nachfolgenden Reizwörtern eine Geschichte geschrieben: Hase, Hof, herrlich, hart, heimelig. Habt ganz viel Freude beim Lesen! Übrigens: mit den heutigen Temperaturen habe ich beim Schreiben meiner Geschichte nicht gerechnet. 😎

 

Nun lässt es sich nicht mehr leugnen; wir sind mitten im Herbst angekommen. Schon lange wabern die Nebelschwaden in den frühen Morgenstunden über den Wiesen und Feldern und die Wassertropfen, die sie hinterlassen, hängen schwer an den silbernen Fäden der Spinnennetze.

In der Mittagssonne leuchten die bunten Blätter der Bäume in den schönsten Farben, aber die Zeit, dass wir ohne Strümpfe aus dem Haus gehen konnten, ist längst vorbei.

Jetzt ist sie wieder da, die Jahreszeit, in der wir eine Jacke benötigen, die Heizung anstellen, heißen Tee trinken und uns abends bei Kerzenschein in eine Decke hüllen. Ich muss schon sagen: ich mag diese heimeligen Stunden.

Ich mag aber auch den Sommer. Er holt mich heraus aus meiner Wohnung und mitten hinein in die Natur. Ich bin gerne draußen. Aber das eine schließt das andere ja nicht aus. Auch im Herbst können wir uns draußen aufhalten.

Als Kind war es mir völlig egal, welche Jahreszeit herrschte. Ich war immer draußen. Für ein Dorfkind war das ‚normal’. Damals habe ich mir gar keine Gedanken darüber gemacht. Ich zog mir eine dicke Jacke an und Stiefel und ging nach draußen.

Auf dem Hof meines Nachbarn gegenüber steht noch heute ein mächtiger Walnussbaum. In ihm und um ihn herum tummeln sich nach wie vor die Eichhörnchen. Ich könnte diesen putzigen Tieren stundenlang zuschauen.

Ich weiß noch genau, dass wir als Kinder die Hörnchen mit Leckereien angelockt haben. Manche waren wirklich so mutig, dass sie uns die Nüsse aus der Hand holten.

Wunderschöne Erinnerungen an eine unbeschwerte Kindheit, in der wir im Herbst die Drachen hoch in den Himmel steigen ließen, die Kraniche beobachteten und aus den harten, aber wunderschön braun glänzenden Kastanien herrliche Tiere bastelten.

Heute lädt mich die dunkle Jahreszeit eher zur Innenschau ein. Aber das hat ja auch etwas Gutes. Sich zum Beispiel mal die Zeit dafür zu nehmen und darüber nachzudenken, wofür man dankbar ist.

Sagt man nicht, dass Dankbarkeit der Schlüssel zum Glücklichsein ist? Und was macht es auf der anderen Seite mit uns, wenn wir unzufrieden sind und beurteilend?

Eigentlich ist es ja nicht schwer, dankbar für die schönen Dinge des Lebens zu sein. Oder? Das kann doch eigentlich jeder!

Wir können uns darüber freuen, dass die Sonne scheint, dass es uns gut geht oder dafür Dankbarkeit empfinden, dass wir gesund sind.

Das ist alles kein Kunststück. Jeder kann das.

Aber besteht die wahre Kunst nicht darin, auch in den Momenten, wo das Leben vielleicht nicht so reibungslos verläuft, Dankbarkeit zu empfinden?

Eigentlich geht es doch darum, was wir wählen. Wählen wir in diesen Momenten, zu jammern und uns zu beklagen oder sagen wir: ich pack den Stier bei den Hörnern und nehme die Herausforderung an.

Wir können aus jeder Erfahrung etwas Gutes ziehen. Aber das geht nur, wenn wir dem Kino in unseren Köpfen auch mal Einhalt gebieten, sonst inszeniert er wirklich aus vielen schwierigen Situationen wahre Dramen oder Katastrophenfilme und an Dankbarkeit ist in diesen Momenten gar nicht mehr zu denken.

Gestern traf ich mich mit meiner Freundin und sie brachte mich auf eine wunderbare Idee, die ich jetzt gleich in die Tat umsetzen möchte. Also schnappe ich mir meine Jacke und das kleine Körbchen, das noch ein Zeuge meiner Kindheit ist, und gehe hinaus in die Natur.

Mein erster Weg führt mich direkt auf den Hof meines Nachbarn. Ich hebe eine Walnuss auf, hole mir gedanklich einen Glücksmoment des Sommers zurück und lege stellvertretend dafür die Nuss in mein Körbchen. Nach einiger Zeit habe ich auf diese Art und Weise einige Glücksmomente zusammen getragen: ein Stückchen Moos, Rinde, einen Tannenzapfen, die orangefarbenen Beeren der Eberesche und die roten Früchte des Weißdorns. Jede Sache steht für einen Moment, für den ich besonders dankbar bin.

Ich nehme das gefüllte Körbchen mit in meine Wohnung und gebe ihm einen besonderen Platz. So kann ich jedes Mal, wenn mein Blick auf all die Schätze fällt, meine Glücksmomente, die ich damit verbinde, wieder in mir in Erinnerung rufen.

Ganz sicher werde ich dabei auch an den Hasen denken, der verschreckt davon hoppelte, als ich den Zapfen aus dem hohen Gras fischte. - Und ich nehme mir vor, mich jedes Mal daran zu erinnern, dass Dankbarkeit ein hohes Gut ist, das ich mir bewahren sollte!

 

© Martina Pfannenschmidt, 2022


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Freitag, 15. Juli 2022

Schwiegermütter sind auch nur Menschen

Reizwörter: Geräusch, Gitter, gehen, gelb, geräumig

Auch bei Regina findet ihr eine Geschichte mit diesen Reizwörtern. Zwar setzt Lore mit den Reizwortgeschichten eine kleine Weile aus, doch bei ihr findet ihr unzählige Geschichten und zauberhafte Märchen!


Mein Name ist Mandy. Ich bin 31 Jahre alt, verheiratet und Mutter, und zwar seit genau 10 Wochen. Als solche bin ich natürlich nicht nur zusätzlich Ehefrau und Tochter, sondern auch Schwiegertochter … doch der Reihe nach.

Also, mein lieber Mann, der Kevin, hat, wie wir alle, eine Mutter. Meine Schwiegermutter. Und die war echt in Ordnung, bis wir vor genau einem Jahr beschlossen haben, zu ihr ins Haus zu ziehen.

„Mandy, du hast schon wieder die Wäsche falsch aufgehängt.“

Also bis dahin wusste ich gar nicht, dass man Wäsche falsch aufhängen kann. Aber man kann! Meine Schwiegermutter hängt sie nämlich immer der Größe nach auf die Leine. Der Größe nach! Das muss man sich mal vorstellen. Und weshalb und für wen? Ich kann es euch sagen: für die Nachbarn, damit die ein schönes Bild haben bzw. sich von meiner Schwiegermutter ein großartiges Bild machen. „Schau mal, was für eine adrette und ordentliche Frau die Gisela ist.“ 

Sch… drauf! Aber das sagt und denkt man natürlich nicht.

Und kochen konnte und kann ich natürlich auch nicht so gut, wie sie. Und natürlich weiß ich auch nicht, was ein Mann, wie der Kevin, braucht und gerne isst. Nämlich Fleisch und zwar jede Menge davon.

„Der Kevin muss so hart arbeiten. Der braucht etwas Richtiges zu essen und nicht nur Salat und dieses, dieses, wie heißt’s noch? Na, du weißt schon, was ich meine, dieses vegetative Essen eben.“

„Das heißt vegetarisch, Gisela, und ist auch für deinen Sohn gut und gesund.“

„Was sagst DU denn dazu, Kevin?“

Na gar nichts sagt er, weil er natürlich seiner geliebten Mama nicht in den Rücken fallen möchte. Find ich auch nicht wirklich prickelnd. Aber gut. Ich komm schon klar. Wäre nur schön, wenn ich ein bisschen mehr Schlaf bekäme. Dann könnte ich all die guten Ratschläge, die sie mir gibt, vielleicht besser verkraften. Aber, wie sagt man so schön: ich gehe auf dem Zahnfleisch. Ich weiß gar nicht mehr, wie es sich anfühlt, ausgeschlafen zu sein.

Aber zurück zum Beginn meiner Schwangerschaft. Also, ich kann euch sagen, die Gisela war so was von nett zu mir, als sie erfahren hat, dass sie Oma wird. Ich war ganz glücklich, dass ich sie damit glücklich machen konnte. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an. Da gebe ich euch doch mal ein Beispiel. Als ich im 9. Monat schwanger war, kam die Frage: „Wie lange darf man denn heute im Krankenhaus bleiben?“

Wie? Was ist das denn für eine Frage? Wer möchte schon länger dort bleiben, als nötig. Die Erklärung kam umgehend: „Weißt du, als der Kevin geboren wurde, fand ich das echt super. Ich konnte mich richtig gut von der Entbindung erholen, weil sich ja die Schwestern um den Kevin gekümmert haben. Da habe ich richtig viel Kraft tanken können.“

Ich ersparte es mir, Gisela zu erklären, dass das aus heutiger Sicht eben nicht mehr der richtige Weg ist und es besser ist, wenn das Kind nicht von der Mutter getrennt wird und seine Nächte getrennt von ihr verbringen muss. Wenn ich ehrlich bin, muss ich allerdings gestehen, dass ich damals noch nicht wusste, was es bedeutet, wenn man zum Zeitpunkt der Geburt seines Kindes bereits seit 48 Stunden keinen Schlaf bekommen hat und man zweitens in einem Dreibettzimmer mit eben zwei weiteren Müttern und insgesamt 3 Babys verbringen muss und auch nicht, was es wirklich bedeutet, sein Kind direkt nach der Geburt rund um die Uhr versorgen zu müssen – und das nach unaussprechlich schmerzhaften Wehen und einer schweren Geburt.

Klar hat man das alles nach ein paar Stunden wieder vergessen und ist einfach nur glücklich, das Baby endlich in seinen Armen zu halten. Obwohl! Ganz ehrlich! Manchmal ist es auch einfach nur anstrengend und dann das Stillen … aber ich will nicht jammern. Meine kleine Tochter ist wirklich ein Sonnenschein und zuckersüß. Wären da nur nicht dieser Schlafmangel und meine Schwiegermutter.

Weiteres Beispiel ihrer nicht enden wollenden guten Ratschläge:

Als ich gestern mit unserer Kleinen spazieren gehen wollte, schoss sie aus ihrer Wohnungstür heraus: „Mandy, was ich dir unbedingt noch sagen wollte, also das mit dieser Kette die da im Kinderwagen baumelt, das ist nicht gut für das Kind. Schau mal, die hängt doch so nah vor ihren Augen. Nicht dass sie dadurch noch anfängt zu schielen.“

Ist echt eins zu eins so passiert. Da fehlen einem doch die Worte, oder nicht? Komisch nur, dass ihr Sohn niemals mit guten Ratschlägen versorgt wird. Die bekomme ausschließlich ich um die Ohren gehauen. Erwähnte ich schon meinen Schlafmangel und dass ich dadurch besonders sensibel geworden bin? Ich möchte noch kurz ansprechen, dass ich in der Nacht vor dieser Situation unser Baby drei Stunden lang durch die Wohnung getragen habe. Ich habe es gestreichelt, massiert und gesungen, bis es endlich, endlich in einen Tiefschlaf gefallen ist – für genau drei Stunden, in denen ich auch schlafen durfte. Ja und dann sind da ja auch noch diese Brüste, die schmerzen und all die Hormone und der Beckenboden, der sich in einem desolaten Zustand befindet. Da sind all die vielen Ratschläge einfach zu viel. Also habe ich diese wunderschöne, mit einer gelben Sonne, einem blauen Elefanten, einem grünen Äffchen und vielen bunten Kugeln bestückte Kette tatsächlich abgenommen, weil ich einfach keine Kraft für Gegenargumente mehr gefunden habe.

Nach dem Spaziergang habe ich dann meine Mutter angerufen und mich bei ihr ausgeweint. Ich habe davon erzählt, dass sich das Stillen irgendwann zu einem gemeinsamen Weinen entwickelt hat, weil ich vor Schmerzen und mein Baby vor Hunger weint. Dass ich das Tragetuch einfach schrecklich finde und dass ich permanent ein schlechtes Gewissen habe und Angst, wirklich alles falsch zu machen. Und wisst ihr, was meine Mutter gesagt hat: „Deinem Kind kann es nur gut gehen, wenn es dir gut geht und deshalb mache ich mich jetzt auf den Weg zu euch und nehme dir sooft es geht die Kleine ab. Weißt du, Mandy, früher verbrachten die Mütter nach der Geburt eine Woche im Wochenbett. In der Zeit nahm man ihr vieles ab, damit sie wieder in ihre Kraft kam. Heute erwartet man von den Müttern nach der Geburt nach meinem Empfinden viel zu früh, viel zu viel.“

Seither sind zwei Wochen vergangen und alles ist schon viel entspannter. Ich lege mich auch tagsüber mal hin, wenn das Baby auch schläft und fühle mich schon viel besser.

In diesem Moment höre ich Geräusche aus dem Kinderzimmer. Als ich den geräumigen Raum betrete, liegt unsere Kleine mit geöffneten Augen in ihrem Gitter-Bettchen und strahlt mich an. Vor lauter Glück habe ich Tränen in den Augen. Wir zwei sind ein wirklich gutes Team geworden und eines ist mir inzwischen ebenfalls klar geworden: Schwiegermütter sind auch nur Menschen!

 

© Martina Pfannenschmidt, 2022


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Donnerstag, 30. Juni 2022

Ich glaube, ich …

Unsere Reizwörter: Ferien, Frühstück, flott, fauchen, freuen

Schaut auch bitte, welche Geschichten Regina und Lore zu diesen Reizwörtern eingefallen sind.


Gestern war mein letzter Schultag vor den Ferien. Aber diesmal habe ich mich auf diesen Tag gar nicht so doll gefreut, wie sonst. Nicht, weil ich schlechte Noten bekommen hätte, sondern weil diesmal alles ein bisschen anders war, als sonst.

In diesem Jahr verlassen meine Mitschüler und ich die Grundschule und wir gehen nach den Sommerferien auf andere Schulen. Deshalb mussten wir uns gestern für eine lange Zeit oder vielleicht sogar für immer voneinander verabschieden. Und das fand ich ganz schön blöd, vor allen Dingen deshalb, weil mein bester Kumpel zu einer anderen Schule gehen wird, als ich. Schließlich saßen wir vier Jahre lang nebeneinander und wir kennen uns schon seit unserer Kindergartenzeit und deshalb hatte ich einen dicken Kloß im Hals, als ich ihm Tschüß gesagt habe, obwohl ich ihn beim Fußball trotzdem noch sehen werde.

Ja, und jetzt ist dieser Kloß vom Hals in den Bauch gerutscht und liegt dort wie ein dicker Stein. Warum? Weil ich ziemlich aufgeregt bin, was ich natürlich niemals zugeben würde. Gleich nach dem Frühstück werde ich nämlich zum ersten Mal alleine mit dem Zug fahren. Ich bin bisher überhaupt erst einmal mit einem Zug gefahren, als wir an der Ostsee Urlaub gemacht haben. Damals sind wir mit der ‚Dicken Molly’ gefahren. Das ist so eine alte Dampflok, die sehr langsam, aber ziemlich laut fauchend und schnaufend durch die Straßen des Ortes fährt. Das war zwar auch ganz schön, doch jetzt fahre ich mit einem ICE und Mama sagt, der ist ordentlich flott unterwegs.

Warum ich alleine mit dem Zug fahre? Ich mache eine Woche Urlaub bei meinen Großeltern. Darauf freue ich mich schon sehr, weil eine Woche alleine bedeutet: ohne meine manchmal nervende kleine Schwester und ohne den Stress, den meine Mama macht, weil ich mein Zimmer mal wieder nicht aufgeräumt habe.

Aber irgendwie denke ich: wäre ich bloß schon da! Doch das sage ich natürlich niemandem. Ich bin ja keine Memme. Schließlich werde ich bald 11. Da schafft man das. Das hat Papa mir gestern Abend auch noch mal gesagt. Das ist wohl so eine Jungssache, dass man stark und tapfer sein soll. Aber so einfach ist das gar nicht.

Ich will ja jetzt nicht petzen, aber ich glaube, Papa hätte fast geweint, als er mir gestern Abend Tschüß gesagt hat. Er hat zwar so getan, als sei ihm etwas ins Auge geflogen, aber das habe ich ihm nicht geglaubt. Aber egal! Ich werde gleich mutig in den Zug steigen und das Abenteuer kann beginnen.

Der Abschied von Mama fiel mir eben ganz schön schwer. Und ihr auch. Aber das ist okay! Mama ist ja schließlich ein Mädchen und die dürfen auch mal weinen. Ich habe natürlich nicht geweint.

Inzwischen ist der Stein in meinem Bauch auch schon kleiner geworden, denn ich sitze bereits hinten im Auto von Oma und Opa und kann sogar schon ihr Haus sehen. Es ist ziemlich alt und ziemlich groß. Aber ich mag es und Oma und Opa sowieso. Sonst wäre ich ja jetzt gar nicht hier.

„Opa hat heute früh Kirschen gepflückt“, erzählt mir Oma, „wenn du Lust hast, kannst du mir gleich beim Marmelade kochen helfen.“

„Du kannst aber auch zuerst einmal einen kleinen Spaziergang mit Kalle machen“, schlägt Opa vor.

Genau in dieser Reihenfolge werde ich in meine Ferien starten.

Kalle ist ein kleiner schwarz-weißer Terrier und er springt vor Freude an mir hoch und möchte mir am liebsten quer über den Mund lecken, als ich mich vor ihm hinknie.

„Wollen wir einen Spaziergang machen?“, frage ich ihn und er bellt ein kurzes ‚Ja’.

Also schnappe ich mir die Leine und wir beiden gehen einen Feldweg entlang. Am Feldrand rechts und links von mir stehen leuchtend rote Mohnblumen und blaue Kornblumen. Vielleicht pflücke ich Oma auf dem Rückweg einen Strauß davon. Dass Mohnblumen giftig sind, weiß ich natürlich. Aber über Kornblumen würde sie sich bestimmt freuen.

Am Ende der Felder biege ich nach rechts ab und sehe ein Mädchen auf mich zukommen, das ebenfalls einen Hund an der Leine führt. Ihre langen weizenblonden Haare wehen dabei im Wind und als sie näher kommt und mich anlächelt, sehe ich, wie ihre supergeile Zahnspange aufblitzt.

Wow, was passiert denn in diesem Moment, wo sie mir gegenübersteht und die beiden Hunde sich freudig begrüßen, in meinem Bauch? Der kleine Stein der da immer noch so schwer lag, bekommt plötzlich Flügel. Es ist, als würde er abheben.

„Hallo“, spricht sie mich an, „bist du Elias?“

Ihre Augen, die mich wie zwei funkelnde Sterne anschauen, sind so blau wie der Himmel über uns. Ich kann gar nichts sagen, nicke nur.

„Ich bin Leni und wohne mit meiner Mutter für eine Woche in der Ferienwohnung deiner Großeltern. Deine Oma hat mir vorhin erzählt, dass du heute zu Besuch kommst und da du Kalle an der Leine hast, vermutete ich, dass du es bist.“

Was macht dieses Mädchen mit mir? Ich bin völlig verwirrt und das schlimmste: ich kann nicht reden. Kein Wort kommt aus meinem Mund, obwohl ich sonst eigentlich immer quatsche.

„Wollen wir vielleicht ein Stück zusammen gehen?“, fragt sie weiter.

„Okay!“, antworte ich und bin froh, dass ich dieses Wort sagen kann.

Dieses Mädchen ist so anders, als die Mädchen aus meiner Klasse - und sie riecht so gut. Ich glaube, nach Vanille oder so.

„Wollen wir nachher zusammen ins Freibad gehen?“, möchte sie von mir wissen und ich antworte so cool wie möglich: „Können wir machen!“

Wie gut, dass sie nicht sehen kann, wie laut mein Herz dabei klopft. Was ist nur los mit mir, frage ich mich noch einmal. Und dann kommt ein Gefühl auf mich herab, wie warmer Sommerregen: Ich glaube, ich … habe mich verliebt!

 

© Martina Pfannenschmidt, 2022


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Mittwoch, 15. Juni 2022

Körpersprache

Reizwörter: Esel, Eis, empört, eilig, erfrischend

Schaut doch bitte auch, welche Geschichten Lore und Regina mit diesen Reizwörtern geschrieben haben!

 

An diesem Wochenende besuche ich meine Tochter und ich freue mich riesig darauf. Als ich aus dem Zug aussteige und mich die Energien der Großstadt empfangen, bleibe ich zuerst einmal stehen, um mich einzugewöhnen.

Empört schaut mich ein älterer Herr an, der durch mein abruptes stehen bleiben fast auf mich aufgelaufen wäre. Kichernd entschuldige ich mich, was das Unverständnis in seinen Augen noch verstärkt.

Zögerlich gehe ich weiter, während all die Menschen eilig an mir vorüber rennen. Heutzutage hat wirklich niemand mehr Zeit, denke ich, und begebe mich aus dem Bahnhofsgebäude heraus auf den Vorplatz.

Hab ich es mir doch gedacht. Weit und breit nichts zu sehen von meiner liebenswerten Tochter. Doch Moment! Mein Handy meldet den Eingang einer Nachricht: „Sorry, Ma! Werde es nicht pünktlich schaffen. Aber ich komme so schnell ich kann!“

Das ist wieder typisch, denke ich, muss aber schmunzeln. Der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm. Aber: von mir hat sie das nicht. Ich bin immer pünktlich – oder sagen wir: meistens!

Mein Blick fällt auf eine Eisdiele, die sich gegenüber des Bahnhofsgebäudes befindet. Dort werde ich hingehen und in aller Ruhe ein Eis essen, während ich auf meine Tochter warte und die Menschen beobachte.


Ich liebe es nämlich, Menschen zu beobachten! Ich finde, dass man dadurch durchaus seine Aufmerksamkeit schult. So erkenne ich zum Beispiel schneller, wenn jemand schwindelt. Ja wirklich! Menschen senden nämlich permanent Signale aus, die viel über die jeweilige Person aussagen. Körpersprache nennt man das wohl. Und da spielt auch die Mimik eine entscheidende Rolle.


Während ich in aller Seelenruhe mein Eis löffle, denke ich darüber nach, wie oft wir Menschen durch die Tage und von einer zur anderen Pflicht hetzen, ohne uns die Zeit zu nehmen, die erlebten Dinge zwischenzeitlich auch einmal sacken zu lassen.

Und da kommt das Beobachten von Menschen ins Spiel, denn es hat durchaus etwas mit Innehalten und Entschleunigen zu tun. Ja wirklich! Und man wird durchaus aufmerksamer für seine Mitmenschen.

Im Moment habe ich das Paar am Nachbartisch im Visier. Während er erzählt, hört sie nur mit einem Ohr hin. Woher ich das weiß? Sie schaut nebenbei auf ihr Handy und jetzt kramt sie sogar ihren Lippenstift aus ihrer Handtasche und zieht ihre Lippen nach. Wie kann sie ihm da aufmerksam zuhören?

Oder dort – ein Tisch weiter. An ihm sitzt eine junge Frau. Ein junger Mann stürmt mit einem kurzen ‚Hallo’ zu ihr an den Tisch. Er sieht ihr dabei nicht einmal in die Augen, bleibt nur kurz stehen, spricht zwei Sätze mit ihr – und schon ist er wieder in der Menge verschwunden. Was er ihr wohl zu sagen hatte?

Diese Aufmerksamkeitsübungen, wie ich es gerne nenne, kann man übrigens überall durchführen. Egal, ob man durch die Straßen der Stadt geht oder U-Bahn fährt. Das wichtigste, was man dabei trainiert, ist, dass man sich die Menschen genauer ansieht und nicht durch sie hindurch schaut. So nimmt man sie tatsächlich richtig wahr!

Ein toller Nebeneffekt ist dabei übrigens, dass sich deine Gedanken nicht um dich selbst und deine Sorgen oder Probleme kreisen können, weil das Gehirn ja anderweitig beschäftigt ist und sich die eigenen Sorgen hinten anstellen müssen.

Ja und dann hab ich noch einen Tipp: man sollte seine Mitmenschen nicht zu offensichtlich beobachten. Das ist nicht nur peinlich, wenn man dabei erwischt wird, sondern auch für den Beobachteten sehr unangenehm. Und außerdem: sobald Menschen bemerken, dass sie beobachtet werden, verändern sie zumindest unbewusst ihr Verhalten. Ja wirklich! Ist so!

Ich sag es euch: das mit dem Beobachten und der Körpersprache, dass ist eine Wissenschaft für sich. Wenn du also Menschen beobachten möchtest, mach es so, dass sie sich unbeobachtet fühlen.

Dort zum Beispiel, der Mann, der mit 1000 Taschen bepackt wie ein Esel neben seiner Frau herläuft, die unentwegt auf ihn einredet. Also der fühlt sich in diesem Moment nicht von mir beobachtet und zugleich zeigen seine Körperhaltung und sein Gesichtsausdruck sehr deutlich, wie unwohl er sich in dieser Gegebenheit fühlt.

Mir kommt in diesem Moment eine Situation bzw. eine Unterhaltung mit Kollegen vor ein paar Tagen in den Sinn. Es war so, dass wir in der Mittagspause gemeinsam draußen im Park waren, als eine Kollegin voller Freude davon berichtete, dass sie um eine Gehaltserhöhung gebeten und diese auch tatsächlich bekommen hätte.

Ihr glaubt nicht, wie interessant die Reaktionen meiner Kollegen darauf waren. Während dem einen komplett die Gesichtszüge entgleisten, dauerte die Gratulation des anderen eine Spur zu lange, was darauf schließen ließ, dass eine Menge Neid im Spiel war. Ja, so ist das mit uns Menschen. Nur wenige können sich noch mit anderen oder für andere freuen.

Es ist wirklich so, dass uns unser Gegenüber viel erzählen kann. Doch sein Körper spricht dabei oftmals eine ganz andere Sprache, als seine Worte.

Kennst du auch die Menschen, die dir bei einem Gespräch nicht in die Augen schauen können? Vielleicht haben sie es mit der Wahrheit in dem Moment nicht so ganz genau genommen.

Oder die Fraktion, die dir mit verschränkten Armen gegenübersitzt. Diese Menschen möchten sich dir nicht öffnen und sie fühlen sich in der Situation nicht wirklich wohl in ihrer Haut.

Interessant ist natürlich auch die Kleidung. Die kann genauso Aufschluss über einen Menschen geben: Maßanzug oder Jeans, Perlenkette oder Kreuzanhänger. Alles gibt uns Einblicke bezüglich des Menschen.

Oder dort, die junge Frau, die in einem erfrischend gelben Minikleid direkt auf mich zusteuert. Was sagt die Farbwahl wohl über sie aus? Das es sich um eine mutige junge Frau handelt, zum Beispiel, und das es sich … Moment … um meine Tochter handelt.

Abrupt springe ich von meinem Stuhl auf, um sie in meine Arme zu schließen. Jetzt kann das Mutter-Tochter-Wochenende beginnen!

 

© Martina Pfannenschmidt, 2022


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Sonntag, 15. Mai 2022

Brücken bauen

Reizwörter: Clematis, Couch, clever, campen, chauffieren

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Es ist Samstagmorgen und mein Herz klopft wie wild, als ich wach werde. Mit noch geschlossenen Augen fühle ich in meinen Körper hinein und mir wird klar, was mit ihm los ist. Ich hatte einen gruseligen Traum und bin der Situation nur durch das Aufwachen entkommen.

Als ich schließlich meine Augen öffne, stelle ich fest, dass die Sonne scheint – und wie sie scheint. Die Vögel machen einen unglaublichen Lärm – aber so empfinde ich es eigentlich gar nicht. Es ist einfach nur herrlich und ein wunderschöner Gesang.

Es scheint ein bezaubernder Tag zu werden und so schwinge ich meine Beine aus dem Bett, werfe mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht, putze mir die Zähne, ziehe meine Kuschelklamotten an und mache mir einen Kaffee.

In dem Moment scheint auch mein Verstand zu erwachen und mir weiß machen zu wollen, dass ich nicht trödeln, sondern an all die Termine denken soll, die heute noch anstehen.

‚Ruhe da oben’, denke ich empört, ‚du kannst gerne noch ein Weilchen weiter schlafen. Vielleicht hast du es ja vergessen, aber heute ist mein freier Tag und ich entscheide, wie er abläuft. Und um 7 Uhr morgens passiert erstmal noch gar nichts. Verstanden!’

Ich schlurfe mit meinem Kaffee ins Wohnzimmer. Von der tief stehenden Sonne beleuchtet sind die warmen Farben dieses Raumes so intensiv, dass mein Herz vor Freude aufgeht. Womit habe ich mein heimeliges Zuhause nur verdient, denke ich, und bedanke mich im Stillen, dass ich hier leben darf.

Anstatt mich mitsamt meinem Kaffee auf der einladenden Couch niederzulassen, trete ich hinaus auf die Terrasse.

Die Clematis, die sich üppig am Haus empor rangt, und deren Lavendelfarbe durch die Sonne noch intensiviert wird, begrüßt mich mit ihrem süßen Duft.

Ich setze mich auf die oberste der vier Stufen, die hinunter in den Garten führen, der wiederum an einen schmalen Fluss grenzt, über den ein Steg auf die andere Seite führt.

Schon als Kind habe ich oft hier gesessen. Immer dann, wenn ich zu Besuch bei meinen Großeltern war oder meine Ferien bei ihnen verbringen durfte. Heute leben sie leider nicht mehr, aber ich bin ihnen unendlich dankbar, dass sie mir dieses wunderschöne Fleckchen Erde mit dem bezaubernden Häuschen darauf vererbt haben.

Wann immer ich auf dieser Stufe sitze, wandern meine Gedanken zu ihnen und in meine Kindheit.

Mir kommt in den Sinn, dass mich meine Eltern früher nicht durch die Gegend chauffiert haben, so wie es heute häufig der Fall ist, sondern ich war oft auf mich selbst gestellt und so nahm ich häufig mein Rad und fuhr zu meinen Großeltern.

Ich weiß noch genau, dass ich im Sommer mein Zelt hier im Garten aufgestellt habe, damit ich später in der Schule erzählen konnte, dass ich in den Ferien campen war.

Heute muss ich darüber schmunzeln, weil ich mir damals ungeheuer clever vorkam. Aber eigentlich wollte ich nur nicht zugeben, dass sich meine Eltern einen Urlaub einfach nicht leisten konnten; obwohl es mir echt egal war, weil ich es hier an diesem für mich verwunschenen Ort schon immer wunderschön fand.

Meine Großmutter kochte mir mein Lieblinsessen und ich durfte ihr oder meinem Opa hier und da zur Hand gehen.

Ja und die kleine Brücke und der Fluss waren natürlich ein ganz besonderer Anziehungspunkt für mich. Ich watete barfuß oder in Gummistiefeln hindurch, habe kleine, von meinem Opa selbst gebaute Holz-Boote darauf treiben lassen oder mir mit den Nachbarkindern die Zeit mit Federballspielen vertrieben. Schön war’s – und das nicht nur in der Erinnerung!

Als mein Blick noch einmal auf den kleinen Steg fällt, denke ich darüber nach, wie wertvoll Brücken in unserem Leben sind. Wenn wir über Brücken gehen, können wir Menschen erreichen, die auf der anderen Seite einer Schlucht oder eben eines Flusses leben.

Doch was, wenn der Mensch auf der anderen Seite nicht mehr erreichbar ist oder man ihn nicht mehr besuchen darf? So, wie es vielen in der Zeit der Pandemie ergangen ist. Da kann schon ein Telefonat zu seinen Liebsten zu einer Brücke werden.

Doch wie ist das überhaupt mit Brücken? Es macht wenig Sinn, sie nur von einer Seite zu bauen und ich denke darüber nach, dass die Menschheit dringend Brückenbauer benötigt, die von beiden Seiten aufeinander zu gehen und keine Menschen, die bestehende Brücken leichtfertig einreißen.

Von beiden Seiten her Brücken zu schlagen bedeutet: einander zu vertrauen und zusammen zu arbeiten. Trotz aller Unterschiede.

Wem wird es gelingen, Brücken zu bauen zwischen alt und jung, zwischen arm und reich? Wer baut Brücken zu einsamen Menschen und denen, die in Not geraten sind? Und wer baut Brücken zwischen verfeindeten Ländern oder unterschiedlichen Kulturen?

Sollten wir nicht alle wieder beginnen, Brücken zu bauen, damit wir einander ‚grenzenlos’ begegnen können? Hinweg über Unfrieden, Vorurteile und Missverständnisse?

Vielleicht brauchen wir auch Brücken, damit wir neue Ufer erreichen können oder um Neuland zu betreten.

Vielleicht braucht die Welt weise Visionäre, die auch mal über den Tellerrand hinaus blicken.

Ich zucke zusammen, als meine Frau mich liebevoll mit ihren Armen umfängt.

„Habe ich dich geweckt?“, frage ich schuldbewusst.

„Nein, dafür haben die Vögel schon gesorgt - und als ich bemerkt habe, dass du nicht mehr neben mir liegst, habe ich dich gesucht und hier draußen gefunden!“

Sie strahlt mich mit ihren intensiv blauen Augen fürsorglich an und ich bin so froh und dankbar, dass wir uns gefunden haben.

Vor einem Jahr erst ist sie zu mir gezogen. Inzwischen sind wir sogar verheiratet und sie hat meinen Familiennamen angenommen. Und so heißen wir dank der Vornamenswahl unserer Eltern nun beide Judith Papst. Ich muss gestehen, dass diese Tatsache hier und da schon für Verwirrung gesorgt hat.

Da fällt mir gerade ein, dass ein Papst doch auch als ‚Pontifex’ bezeichnet wird. Und das wiederum bedeutet ‚Brückenbauer’. 

Möge es so sein!

© Martina Pfannenschmidt, 2022


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