Unsere Reizwörter: Ferien, Frühstück, flott, fauchen, freuen
Schaut auch bitte, welche Geschichten Regina und Lore zu diesen Reizwörtern eingefallen sind.
Gestern war mein letzter Schultag vor den Ferien. Aber diesmal habe ich mich auf diesen Tag gar nicht so doll gefreut, wie sonst. Nicht, weil ich schlechte Noten bekommen hätte, sondern weil diesmal alles ein bisschen anders war, als sonst.
In
diesem Jahr verlassen meine Mitschüler und ich die Grundschule und wir gehen
nach den Sommerferien auf andere Schulen. Deshalb mussten wir uns gestern für
eine lange Zeit oder vielleicht sogar für immer voneinander verabschieden. Und
das fand ich ganz schön blöd, vor allen Dingen deshalb, weil mein bester Kumpel
zu einer anderen Schule gehen wird, als ich. Schließlich saßen wir vier Jahre
lang nebeneinander und wir kennen uns schon seit unserer Kindergartenzeit und
deshalb hatte ich einen dicken Kloß im Hals, als ich ihm Tschüß gesagt habe,
obwohl ich ihn beim Fußball trotzdem noch sehen werde.
Ja,
und jetzt ist dieser Kloß vom Hals in den Bauch gerutscht und liegt dort wie
ein dicker Stein. Warum? Weil ich ziemlich aufgeregt bin, was ich natürlich
niemals zugeben würde. Gleich nach dem Frühstück
werde ich nämlich zum ersten Mal alleine mit dem Zug fahren. Ich bin bisher überhaupt
erst einmal mit einem Zug gefahren, als wir an der Ostsee Urlaub gemacht haben.
Damals sind wir mit der ‚Dicken Molly’ gefahren. Das ist so eine alte Dampflok,
die sehr langsam, aber ziemlich laut fauchend
und schnaufend durch die Straßen des Ortes fährt. Das war zwar auch ganz schön,
doch jetzt fahre ich mit einem ICE und Mama sagt, der ist ordentlich flott unterwegs.
Warum
ich alleine mit dem Zug fahre? Ich mache eine Woche Urlaub bei meinen
Großeltern. Darauf freue ich
mich schon sehr, weil eine Woche alleine bedeutet: ohne meine manchmal nervende
kleine Schwester und ohne den Stress, den meine Mama macht, weil ich mein
Zimmer mal wieder nicht aufgeräumt habe.
Aber
irgendwie denke ich: wäre ich bloß schon da! Doch das sage ich natürlich
niemandem. Ich bin ja keine Memme. Schließlich werde ich bald 11. Da schafft
man das. Das hat Papa mir gestern Abend auch noch mal gesagt. Das ist wohl so
eine Jungssache, dass man stark und tapfer sein soll. Aber so einfach ist das
gar nicht.
Ich
will ja jetzt nicht petzen, aber ich glaube, Papa hätte fast geweint, als er mir
gestern Abend Tschüß gesagt hat. Er hat zwar so getan, als sei ihm etwas ins
Auge geflogen, aber das habe ich ihm nicht geglaubt. Aber egal! Ich werde
gleich mutig in den Zug steigen und das Abenteuer kann beginnen.
Der
Abschied von Mama fiel mir eben ganz schön schwer. Und ihr auch. Aber das ist
okay! Mama ist ja schließlich ein Mädchen und die dürfen auch mal weinen. Ich
habe natürlich nicht geweint.
Inzwischen
ist der Stein in meinem Bauch auch schon kleiner geworden, denn ich sitze bereits
hinten im Auto von Oma und Opa und kann sogar schon ihr Haus sehen. Es ist ziemlich
alt und ziemlich groß. Aber ich mag es und Oma und Opa sowieso. Sonst wäre ich
ja jetzt gar nicht hier.
„Opa
hat heute früh Kirschen gepflückt“, erzählt mir Oma, „wenn du Lust hast, kannst
du mir gleich beim Marmelade kochen helfen.“
„Du
kannst aber auch zuerst einmal einen kleinen Spaziergang mit Kalle machen“,
schlägt Opa vor.
Genau
in dieser Reihenfolge werde ich in meine Ferien starten.
Kalle
ist ein kleiner schwarz-weißer Terrier und er springt vor Freude an mir hoch
und möchte mir am liebsten quer über den Mund lecken, als ich mich vor ihm
hinknie.
„Wollen
wir einen Spaziergang machen?“, frage ich ihn und er bellt ein kurzes ‚Ja’.
Also
schnappe ich mir die Leine und wir beiden gehen einen Feldweg entlang. Am
Feldrand rechts und links von mir stehen leuchtend rote Mohnblumen und blaue
Kornblumen. Vielleicht pflücke ich Oma auf dem Rückweg einen Strauß davon. Dass
Mohnblumen giftig sind, weiß ich natürlich. Aber über Kornblumen würde sie sich
bestimmt freuen.
Am
Ende der Felder biege ich nach rechts ab und sehe ein Mädchen auf mich
zukommen, das ebenfalls einen Hund an der Leine führt. Ihre langen weizenblonden
Haare wehen dabei im Wind und als sie näher kommt und mich anlächelt, sehe ich,
wie ihre supergeile Zahnspange aufblitzt.
Wow,
was passiert denn in diesem Moment, wo sie mir gegenübersteht und die beiden
Hunde sich freudig begrüßen, in meinem Bauch? Der kleine Stein der da immer
noch so schwer lag, bekommt plötzlich Flügel. Es ist, als würde er abheben.
„Hallo“,
spricht sie mich an, „bist du Elias?“
Ihre
Augen, die mich wie zwei funkelnde Sterne anschauen, sind so blau wie der
Himmel über uns. Ich kann gar nichts sagen, nicke nur.
„Ich
bin Leni und wohne mit meiner Mutter für eine Woche in der Ferienwohnung deiner
Großeltern. Deine Oma hat mir vorhin erzählt, dass du heute zu Besuch kommst
und da du Kalle an der Leine hast, vermutete ich, dass du es bist.“
Was
macht dieses Mädchen mit mir? Ich bin völlig verwirrt und das schlimmste: ich kann
nicht reden. Kein Wort kommt aus meinem Mund, obwohl ich sonst eigentlich immer
quatsche.
„Wollen
wir vielleicht ein Stück zusammen gehen?“, fragt sie weiter.
„Okay!“,
antworte ich und bin froh, dass ich dieses Wort sagen kann.
Dieses
Mädchen ist so anders, als die Mädchen aus meiner Klasse - und sie riecht so
gut. Ich glaube, nach Vanille oder so.
„Wollen
wir nachher zusammen ins Freibad gehen?“, möchte sie von mir wissen und ich
antworte so cool wie möglich: „Können wir machen!“
Wie
gut, dass sie nicht sehen kann, wie laut mein Herz dabei klopft. Was ist nur los
mit mir, frage ich mich noch einmal. Und dann kommt ein Gefühl auf mich herab,
wie warmer Sommerregen: Ich glaube, ich … habe mich verliebt!
©
Martina Pfannenschmidt, 2022
Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.
Hier geht es zu Elke und ihrem 'Kleinen Blog'. KLICK!
Ein kleiner Hinweis:
Mit der Nutzung des Kommentar- Formulars erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden.
Guten Morgen liebe Martina, ich bin früh dran und darüber bin ich ganz froh, denn so starte ich mit einer so schönen Geschichte in den Tag. Am Ende habe ich mich total gefreut über das, was da passierte und dann ist mir etwas ins Auge geflogen ... weißt schon, ne?
AntwortenLöschenHab einen schönen Tag und danke für die schöne Geschichte
Regina
Guten Morgen! Ja, du bist ja wirklich früh dran, heute! Aber es soll ja auch heiß werden. - Dank dir für deinen Besuch und den Kommentar! - Ich hoffe, dass du keine weiteren Sehbeeinträchtigungen durch meine Geschichte hast. Lach!!! - Ganz liebe Grüße! Martina
Löschen