Ilona
knetete den Teig. Sie wollte für das bevorstehende Weihnachtsfest Kekse backen
und nutzte dafür ihren freien Tag.
Anton,
ihr Jüngster, saß am Küchentisch. Gelangweilt blätterte er in einem alten
Liederbuch, das neben Noten und Texten auch kleine weihnachtliche Motive
enthielt.
Unverhofft
fragte er seine Mutter: „Mama, warum hat das Jesuskind auf den Darstellungen
eigentlich immer so eine komische Windel an? Die sieht ganz anders aus, als
die, die ich kenne.“
„Na,
weil es früher noch keine Höschenwindeln gab“, antwortete diese. „Da trugen die
Kinder noch Windeln aus Stoff. Die gab es übrigens auch noch, als Oma ein Baby
war.“
„Echt?
Krass! Aus Stoff? Kamen die auch in den Müll?“
„Nein,
die wurden gewaschen. Und weißt du was? Damals gab es noch nicht einmal eine
Waschmaschine. Da wurden die Windeln noch richtig in einem großen Kessel
ausgekocht.“
„Krass!“,
erwiderte Anton. Das war nämlich im Moment sein Lieblingswort.
„Du
Mama“, fragte er eine Weile später, „Jesus wurde doch geboren, um Frieden zu
bringen, oder?“
„Ja, warum fragst du!“
„Na, weil das offensichtlich nicht geklappt hat.
Da hat Jesus wohl was falsch gemacht, oder nicht?“
„Ach, Anton! Ich denke schon, dass er alles
richtig gemacht hat. Wir Menschen haben es nur immer noch nicht richtig
verstanden oder nicht richtig umgesetzt, was er uns gesagt hat.“
„Aber wir sind doch schlau. Wir haben doch Computer
erfunden und viele andere krasse Sachen. Warum kriegen wir das mit dem Frieden denn
nicht hin?“
„Ja, was ist der Grund dafür, dass immer noch
Kriege herrschen? Vielleicht ist die Antwort ganz einfach: Weil keiner von uns
wirklichen Frieden in sich fühlt und auch in unserer Sprache benutzen wir viel
zu oft das Wort ‚Krieg’ und es ist uns noch nicht einmal bewusst. Oder hast du
bemerkt, dass du eben ‚kriegen’ gesagt hast. Das Wort ‚bekommen’ ist in einem
solchen Fall immer die bessere Wahl.“
„Krass, was du alles weißt! Dann weißt du bestimmt
auch, wie sich Frieden anfühlt.“
„Wir können ja mal gemeinsam darüber nachdenken,
wie sich Frieden anfühlt“, schlug Ilona vor.
„Wie Watte!“, rief Anton spontan. „Er fühlt sich
an, wie Watte. Weich und kuschelig und sehr hell. Frieden ist weiß!“
„Okay! Frieden fühlt sich an wie Watte und ist
weiß. Darauf muss man auch erst einmal kommen. Aber du hast sicher recht mit
dem, was du sagst. Denn Krieg ist dunkel, schwarz wie die Nacht. Oder wie ist
für dich Krieg?“
„Warte! Ich überlege!“ Und dann brach es aus Anton
heraus: „Krieg fühlt sich an wie Teer. Er klebt krass an uns und wir können uns
nicht davon befreien.“
„Ich bin richtig stolz auf dich! Frieden fühlt
sich also an wie Watte und Krieg wie Teer. Das sind wirklich gute Beispiele.“
„Aber wie können wir Teer in Watte verwandeln? Da
muss ein krasser Mega-Superheld kommen, der das schafft.“
„Oh weh! Einen Mega-Superhelden gibt es wohl nicht
an jeder Ecke“, gab Ilona zu bedenken.
„Aber wer weiß, vielleicht kommt ja noch einmal einer,
der so ist wie Jesus und der das kann.“
„Ich fürchte“, entgegnete Ilona, „wir
Menschen müssen unseren eigenen Anteil daran leisten. Wir können unsere Hände
nicht einfach in den Schoß legen und sagen: Da muss einer kommen, der alles richtet
oder lass die anderen man machen. So wird es nicht gehen. Wir müssen es schon
wirklich wollen und auch fühlen. So ganz tief in unserem Herzen.“
Anton schwieg, bevor er fragte: „Vielleicht
kann man sich den Frieden ja auch bestellen. Weißt du, wie ich meine?“
Mama lachte: „Du meinst eine krasse Friedensbestellung
bei Gott?“
„Ja, genau! Vielleicht hilft es ja, wenn
wir einen Friedenswunsch beim Weihnachtsmann abgeben. Weißt du, so wie früher,
als ich noch klein war und einen Wunschzettel geschrieben habe.“
Abrupt erhob sich Anton, ging in sein
Zimmer und schrieb einen Brief an den Weihnachtsmann. Er wünschte sich Frieden
für die Welt und, obwohl er schon lange wusste, dass seine Eltern die Geschenke
besorgen, fügte er hinzu: Und wenn es möglich ist, vielleicht noch ein blaues
Mountainbike. So ein ganz krasses, wie das von Pascal.
Während Ilona die ersten Kekse aus dem Teig
formte, waren ihre Gedanken bei Anton und seinem Vorschlag, bei Gott über den
Weihnachtsmann Frieden zu bestellen. Sie schmunzelte über seine jugendliche Naivität;
aber vielleicht war es ja wirklich möglich. Schließlich gibt es auch
Erwachsene, die daran glauben, dass man beim ‚Universum’ eine Bestellung aufgeben
kann. Aber bei ihr gab es in dieser Hinsicht viele Zweifel.
Als Kind hatte sie sich das besser
vorstellen können. Da glaubte sie an einen freundlichen alten Mann, der mit
einem langen Bart hoch oben im Himmel sitzt und auf die Menschen herab schaut.
Von diesem Gedanken verabschiedet sich aber wohl jeder Erwachsene irgendwann
und schon wird es schwieriger mit einer Bestellung. Mit dem Abschied von dieser
bildlichen Vorstellung kommen auch Gedanken, ob es diese höhere Macht überhaupt
gibt.
Doch wenn man davon überzeugt ist, dass es sie
gibt, ist es dann so abwegig, einen Wunsch zu formulieren und ihn zu übergeben?
Vielleicht so, wie man einen Brief beim Postamt aufgibt, übergibt man
gedanklich einen Wunsch ans Universum.
Vielleicht, so ging es ihr durch den Kopf,
sollte sie es zunächst mit einem kleineren Wunsch versuchen. Der Wunsch nach
Weltfrieden schien ihr kaum erfüllbar. Aber vielleicht war es ja genau das
Zweifeln daran, dass er möglich ist, dass wir noch so weit davon entfernt sind.
Doch wie soll ein Wunsch in Erfüllung
gehen, wenn wir schon bei der Übergabe dieses Wunsches an seiner Erfüllung
zweifeln?
Es wird sicher nicht genügen, sich mit
einer Tasse Kaffee und Keksen an den Tisch zu setzen und auf die Erfüllung
eines Wunsches zu warten, dachte sie. Das wird wohl nicht reichen. Man muss
ganz gewiss seinen Fokus auf das Gewünschte richten und fest daran glauben, damit
sich Wünsche erfüllen können.
Vielleicht ist die Chance, dass unser
Wunsch erfüllt wird, dann am größten, wenn er wirklich aus tiefstem Herzen
kommt. Vielleicht müssen wir richtig für eine Sache ‚brennen’, damit sie erhört
wird. Gott - oder das Universum - wird schon unterscheiden können, ob unser
Wunsch ein Herzenswunsch ist oder nicht.
Als Anton in die Küche gestürmt kam, riss
er Ilona aus ihren Gedanken. „Mama, mein Wunschzettel ist fertig! Und deiner?“,
fragte er ein bisschen enttäuscht, während er sich suchend umsah.
„Meinen schreibe ich heute Abend“, versprach
sie und meinte dies ehrlich und aus tiefstem Herzen.
© Martina Pfannenschmidt, 2019
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Liebe Martina,
AntwortenLöschenwelch eine nachdenkliche Geschichte. Friede ist wie weiße Watte und Krieg wie schwarzer Teer,so schöne Bildbeschreibung.
Frieden halten im eigenen Herzen, fällt oft schon schwer genug, wir können täglich Waffenstillstand der eigenen Gedanken üben.Vielleicht strahlt das Friedenslicht dann auch hinaus , zu unseren Lieben und Mitmenschen.
Alles Liebe und eine friedvolle Adventszeit wünscht Dir
Helga
Liebe Helga! 'Waffenstillstand der eigenen Gedanken' - das nehme ich mit aus deinem Kommentar. Der Satz wird mich noch lange begleiten! Danke! Möge auch dir das Licht aus Bethlehem den Weg erhellen! LG Martina
Löschenwelch eine wunderschöne Geschichte, allein der Gedanke daran ist schon schön liebe Martina...eine zutiefst nachdenklich machende geschichte und dein Anton darin ist ein ganz krasser gescheiter Bub, der den Glauben noch nicht verloren hat, sondern nachfragt wenn ihn etwas bewegt.
AntwortenLöschenFRieden ist wie Wasste
und Krieg wie Teer eine schöne Metapher die kann man sich gut vorstellen, denn unsere Vorstellungskraft sowohl vom FRieden als auch vom KRieg den die heutige Geeration nur von Bildern aus dem Archiv kommt zuzüglich denen aus den heutigen Kriegen von denen es wiedr und wieder genügend gibt und die iemand verleugnen kann, ist doch sehr begrenzt vermute ich, denn wäre es nicht so, würden wir doch wenigstens auch im Kleinen - bei uns selbst längst etwas daran ändern !!!! Keine Spende wird den Krieg beenden und kein Gebet kann uns den Frieden schicken wenn er nicht in uns ist und wir ihn weitergeben....
ich danke dir sehr für diese Geschichte von Herz zu Herz..
herzlichst angelface