Reizwörter: Regenhut, Pfütze, verzeihen,
lustig, orange
mit diesen Reizwörtern.
Leise klopft der
Regen auf das Dachfenster über mir, durch das ein wenig Licht auf mein Buch fällt.
Ich schaue auf und
erinnere mich an die Worte meiner Mutter: „Kind, mach dir doch Licht an. Das
ist nicht gut für deine Augen, wenn du im Halbdunklen liest.“
Ein Schmunzeln
umspielt meine Lippen, als ich das Buch auf das kleine Tischchen neben mir lege,
um den Lichtschalter zu betätigen.
Anschließend gehe
ich in die Küche, um mir einen Tee zuzubereiten.
Während ich darauf
warte, dass das Wasser kocht, schaue ich aus dem Fenster und erblicke Lotta, das
Nachbarmädchen. Es steht in der Haustür gegenüber und schaut, wie ich, hinaus in
den Regen.
Doch dann verschwindet
sie kurz, um bald darauf mit einer Regenjacke in einem leuchtenden Orange und einem kecken Regenhut auf dem Kopf aus dem Haus zu
stürmen. Es dauert nicht lange und
sie hüpft mit ihren bunten Gummistiefeln in die erste große Pfütze, die sich ihr in den Weg stellt.
Welch ein Glück für Lotta, dass niemand da ist, den das stört und der ihren
kindlichen Tatendrang unterbindet.
Wie gut, dass der
frühere Hausmeister meiner Schule sie nicht sieht, geht mir durch den Kopf. Er
würde gewiss mit ihr schimpfen. Ich weiß nicht, was es ist, dass diesen Mann so
hartherzig hat werden lassen. Früher habe ich mir darüber gar keine Gedanken
gemacht, doch heute frage ich mich, ob er vielleicht eine schwierige Kindheit
hatte, die ihn für sein Leben geprägt hat. - Vielleicht war er kein Wunschkind,
so wie es Lotta ist.
Jemand sagte einmal:
„Augen auf bei der Wahl der Eltern!“
So lustig dieser Satz auch klingen mag, soviel
Wahrheit steckt in ihm.
Ich denke daran, wie
viele Paare es gibt, die versuchen, ihre Ehe durch ein Kind zu retten. Mit welch
einer Bürde werden diese Kinder bereits geboren.
Während ich so
darüber nachdenke, wird mir bewusst, dass eigentlich schon im Moment der
Befruchtung die unterschiedlichsten Bedingungen für die Kinder zugrunde liegen
und ich frage mich, was das mit einem Kind macht, wenn es spürt, dass es nicht
gewollt ist.
Und was macht es mit
einem Kind, wenn der Vater gewalttätig ist? Kann es ihm dies jemals verzeihen?
Ob Kinder in den
ersten Lebensjahren Nähe oder Distanz erleben, das ist für ihren späteren Lebensweg
ganz sicher von größter Bedeutung.
Und so frage ich
mich in diesem Augenblick, was das mit einem Kind macht, wenn die Mutter
alkoholsüchtig oder depressiv ist und was macht es mit ihm, wenn sie sich ständig
überfordert fühlt?
Was macht eine
Scheidung mit einem Kind, wenn Konflikte vorangingen und man von ihm erwartete,
dass es sich für einen Elternteil entscheidet?
Von all diesen Gedanken,
die gerade durch meinen Kopf gehen, weiß Lotta nichts – und das ist gut so. In
ihrer Familie wird noch gemeinsam gegessen, gespielt, gesprochen und vielleicht
auch mal gestritten, aber sie kennt keine Gewalt oder eine kühle Distanz.
Ihr stehen noch
freie Flächen zum Spielen zur Verfügung und sie muss sich nicht notgedrungen in
Innenräumen und Medienwelten aufhalten. Sie darf ihr Kind sein noch voll
ausleben – und das tut sie auch.
Ich denke daran, wie
eng meine Bindung zu meinen Eltern ist. Eine emotionale Bindung, die mich
geprägt und bindungsfähig gemacht hat. Vielen Menschen fällt gerade das schwer.
Sie sehnen sich zwar nach Nähe, doch wenn sie entsteht, ziehen sie sich zurück.
Sie sind unzufrieden
in ihren Beziehungen, weil sie sich stets als Gebende fühlen. Sie werden das
Gefühl, zu kurz gekommen zu sein, vielleicht ein Leben lang nicht ablegen
können.
Wie schade, wenn man
niemals das Gefühl hat, wertvoll zu sein.
Doch was ist es, das
mich wertvoll macht und wer ist für mich wertvoll?
In diesem Moment ist
Lotta wertvoll für mich, denn sie erfreut mich in ihrer kindlichen Art und
lenkt meine Gedanken.
Es ist aber auch der
Bäcker an der Ecke, bei dem ich jeden Morgen meine frischen Brötchen kaufen
kann. Doch nicht nur er ist für mich wertvoll, sondern ich – einfach alle
Kunden – sind es für ihn ebenso, denn sie sichern ihm sein Einkommen.
So viele Menschen
sind wertvoll für mich, auch wenn ich niemals eine engere Beziehung zu ihnen
aufbauen werde und mir wird bewusst, dass ich noch nie wirklich darüber
nachgedacht habe, wie viele Menschen für mich wertvoll sind.
Ich denke an den
Busfahrer, der mich morgens sicher zur Arbeit bringt, die Männer vom Müll, die nette
Dame aus dem Bürgerbüro, den Fahrer des Schneemobils, den Postboten, meinen
Physiotherapeuten ...
Und dann sind da
natürlich noch all die Menschen, zu denen ich eine ganz besonders nahe Bindung
habe: Meine Familie, Freunde. In diesem Fall bin ich dann für den jeweils
anderen wohl ebenso wertvoll.
Es ist schön, zu
wissen, das es Menschen gibt, für die man wertvoll ist, die gerne die Zeit mit
uns verbringen und denen wir fehlen würden, wenn wir plötzlich nicht mehr da
wären!
Ich habe einen Wert
für andere. Ich bin wertvoll für einen anderen Menschen, allein dadurch, dass
ich gemeinsame Zeit mit ihm verbringe.
Das ist ein
großartiges Gefühl, zu erkennen, dass nicht nur andere Menschen für mich
wertvoll sind, sondern ich auch für sie.
Doch was ist mit den
Menschen, zu denen ich keine gute Bindung aufbauen kann, weil sie mir einfach
nicht entsprechen oder weil sie mir bewusst oder unbewusst Leid zugefügt haben?
Sind sie wertlos für mich?
Das ist ganz sicher
ein Trugschluss, so zu denken, denn auch diese Menschen sind wertvoll für mich,
da sie mich durch ihr Verhalten geprägt und zu dem Menschen gemacht haben, der
ich heute bin.
Als ich mit einer dampfenden
Tasse Tee zurück kehre zu meinem Buch, fühle ich mich richtig gut, weil ich das
Gefühl in mir trage, dass jeder Mensch wertvoll ist. - Also bin auch ich ein
wertvoller Mensch!
© Martina
Pfannenschmidt, 2019
Hier geht es zu Elke und ihrem 'Kleinen Blog'. KLICK!
Martina mein kleiner Philosoph, eine schöne Betrachtung, die mich zum Nachdenken anregte. Jeder Mensch der uns begegnet ist wertvoll sowohl im positiven als auch im negativen, denn sie helfen uns selbst ein wertvoller Mensch zu werden.
AntwortenLöschenWünsche dir ein schönes Wochenende, Lore
Danke, Lore! Du hast meine Gedanken in einem Satz zusammen gefasst. Großartig! :-) - LG Martina
LöschenLiebe Martina,
AntwortenLöschenich stimme Lore zu, es sind philosophische Gedanken, die du heute "verarbeitet" hast. Es tut gut, einmal darüber nachzudenken, über den Wert der anderen und über den eigenen Wert. Über unsere Beziehungen und über das, was uns prägt im positiven, wie auch im negativen Sinne!
Danke für diese anregenden Gedanken
und liebe Grüße
Regina
Liebe Regina, wenn ich es geschafft habe, dich zum Nachdenken über deinen eigenen Wert zu bringen, hab ich vieles richtig gemacht! - Danke für den Kommentar und liebe Grüße! Martina
LöschenEine schöne Geschichte!
AntwortenLöschenDanke für deinen Besuch und auch dafür, dass du einen Kommentar hinterlassen hast! LG Martina
LöschenLiebe Martina,
AntwortenLöschendu bist auch ein ganz besonders wertvoller Mensch für mich 😊 Danke für den Link!
LG Elke
Liebe Elke, dein Kommentar hat mich sehr berührt. Danke! LG Martina
Löscheneine sehr schöne Geschichte ..
AntwortenLöschenaber ich glaube .. zu erst muss man sich selber etwas wert sein..
dann kann man es besser aushalten wenn Andere versuchen einem den "Wert"
abspenstig zu machen..
du bist nichts.. du kannst nichts.. du bist dumm
wenn ich in mir weiß dass ich etwas wert bin kann ich diese Bemerkungen verkraften
ich denke auch .. jeder ist jemandem etwas wert
liebe Grüße
Rosi
Liebe Rosi, Sätze wie: Du kannst nichts, bist dumm usw. sind einfach furchtbar. Eltern wissen vielleicht gar nicht, was sie damit anrichten oder es ist ihnen schlichtweg egal. Und gerade Kindern fehlt noch dieses Selbstwertgefühl - gerade dann, wenn man es ihnen nicht vermittelt. - Die Kinder nehmen einen 'Schaden' durch derartige Äußerungen, die sie vielleicht ein Leben lang mit sich herum tragen. - Danke für deinen Kommentar und deine Gedanken! Martina
LöschenLiebe Martina,
AntwortenLöschenendlich habe ich es geschafft, Deine neue, wundervolle Geschichte zu lesen! Herzlichen Dank dafür!
Ich wünsche Dir einen schönen und freundlichen Wochenteiler!
♥️ Allerliebste Grüße, Claudia ♥️
Liebe Claudia, Danke, dass du es dir trotz deiner begrenzten Zeit nicht hast nehmen lassen, auch noch einen Kommentar zu hinterlassen! Vielen Dank und ganz liebe Grüße zurück! Martina
Löschenden Wert eines einzelenen für sich zu erkenen und gleichzeitig den eigenen Wert zu ° spüren und an ihnzu glauben°* welch gedanken, sowertvoll so selten dass se so jemand äußern und formulieren kann dass sie sich tief einprägen.
AntwortenLöschenich schreibe aus dem Bauch heraus gleichzeitig kommen mir aber die Tränen weil ich spüre wie recht du damit hast!....wouw...du triffst echt den Nagel auf den Kopf mit dem Wort selbstwertgefühl fängt es nämlich an und begleitet uns durch unser ganzes Leben.
es nicht von Anfang an - unbewusst oder nicht, es nicht bekommen zu haben schädigt das Gemüt, die gesunde Einstellung zum Leben, der Natur und den Menschen um dich herum und überall...
was " einem * Wert sein° ja , das muss man spüren können sonst kann man sich selbst nicht gut fühlen, denn man grenzt sich selbst ein wenn man den eigenen Wert nicht spürt, erkennt und lebt.
dass der andere einem ewas wert ist, kann man, muss man ihm sagen wenn er es nicht spürt, denn leider sind wir Menschen oft schon so abgestumpft und selbstsicher überheblich, angeblich in Nichts zu toppen, dass wir auf anderes - wie Äußeres mehr Wert als auf das Innere legen, das bedeutend mehr Gewicht für den Menschen hat.
ein gutes, ein tolles, ein gewichtiges Thema, dass sich einige viele an die Brust nehmen und darüber naczudenken hätten, wenn sie sich dessen bewusst wären °was° einen Wert für sie hat.
ich kann dir nur danken, dass du es heute so gut und deutlich /gewichtig bearbeitet hast...
angelface