Für den heutigen Tag lauteten unsere Reizwörter: Marienkäfer, Dachboden, wirbeln, nervig und witzig
„Ich bin glücklich, so glücklich, einfach nur sehr glücklich …“, sang Marie, das Marienkäfermädchen, in den schiefsten Tönen fröhlich vor sich hin. Dabei flog es von einem Gänseblümchen auf das andere.
„Guten
Morgen, ihr Lieben. Geht es euch gut?“, fragte es in die Runde hinein.
„Geht
so“, murmelte eines. Die anderen gaben ihr gar keine Antwort.
„Was
ist los mit euch? Freut ihr euch nicht über den neuen Tag?“
„Ach,
weißt du, Marie“, antwortete eines der Blümchen, „wir haben uns gerade darüber
unterhalten, dass wir früher viel mehr Anerkennung durch die Menschen erfahren
haben. Weißt du, wir waren eine richtige Kinderblume. Sie pflückten uns mit
großer Freude und die Muttis oder Omis flochten mit geschickten Händen Kränze
aus uns, die die Kinder dann stolz als Kopfschmuck trugen. So konnten wir viele
Herzen glücklich machen.“
„Und
manche Frauen haben uns zum Orakeln genutzt“, erinnerte sich ein anderes, „indem
sie einzelne unserer Blütenblätter abgezupft und abwechselnd ‚Ja‘ oder ‚Nein‘
gesagt haben.“
„Und
heute“, ergänzte ein weiteres, „fährt man achtlos mit einem Rasenmäher über uns
hinweg.“
„Ja,
aber“, warf der Marienkäfer ein, „kaum eine andere Blume trotzt
dem Rasenmäher so, wie ihr. Unermüdlich bildet ihr neue Blütenköpfe.“
„Das
stimmt, wir lassen unsere Köpfchen nicht hängen.“
„Seht
ihr, und deshalb ist heute ein schöner Tag, weil ihr ‚ewig schön‘ seid. Das ist
doch die Übersetzung eures lateinischen Namens, nicht wahr.“
„Das
stimmt“, erwiderte ein Gänseblümchen nicht ohne Stolz und fügte hinzu, „und man
nennt uns auch Tausendschön …“
„und
Himmelsblume …“
„und
Augenblümchen …“, riefen sie durcheinander.
„Na
seht ihr, so viele Gründe, um glücklich zu sein“, fand Marie und flog mit dem guten
Gefühl weiter, den Gänseblümchen den Tag etwas verschönert zu haben.
„Ich
bin glücklich, so glücklich, einfach nur sehr glücklich …“, sang sie weiterhin
und schaute, wem sie noch einen glücklichen Tag bescheren konnte.
Da, eine Schnecke kroch schwerfällig über das Gras.
„Guten
Morgen, liebe Schnecke, ich wünsche dir einen glücklichen Tag!“
„Geh
weg, glücklicher Tag.“
Marie
ließ sich neben der Schnecke auf einem Grashalm nieder.
„Geht
es dir heute nicht gut?“, fragte Marie besorgt.
„Ach
geh, tagein, tagaus der gleiche Trott“, brummelte die Schnecke, „und immer muss
ich mein Haus mit mir herumtragen. Denkst du, das ist witzig?
Keineswegs ist es das. Es ist total nervig. Wie soll ich da bitte
glücklich sein. Also zisch ab und lass mich in Ruhe.“
Die
Schnecke war eindeutig ein weiterer Fall für Marie. Sie hatte sich nämlich fest
vorgenommen, heute viele Glücksmomente zu verschenken.
Diese
Schnecke war aber wirklich ein schwieriger Fall, das musste sie zugeben. Wie
sollte sie ihr etwas Positives über ihr Leben sagen? Wie ihr eine Freude
bereiten?
Sie
konnte ja schlecht sagen: „Ja weißt du,
Schnecke, du bist halt nützlich, weil du auf dem Speiseplan einiger anderer
Lebewesen stehst.“
Also
nein, das konnte sie ihr ja nun wirklich nicht sagen. Und dass sie ständig eine
Schleimspur hinter sich herzog, war auch nicht so schön. Aber es musste doch
etwas geben, womit sie der Schnecke eine Freude bereiten konnte.
Und
dann wusste sie es. „Weißt du, liebe Schnecke, ich glaube, dass das Geheimnis
des Glücks darin liegt, auch unsichtbare Dinge wahrzunehmen und sich daran zu
erfreuen. Ich denke da an so etwas wie eine sanfte Berührung. Das kann ja durchaus
ein Glücksmoment sein.“
Und
schon erhob sich der Marienkäfer, wirbelte dabei voller Schwung
ein paar Gräserpollen auf und landete sanft auf dem Gehäuse der Schnecke. Dann lief
Marie mit ihren sechs Beinchen auf der Schnecke auf und ab. Das kitzelte
natürlich und bald fing die knurrige Schnecke tatsächlich an zu lachen.
Fröhlich
und völlig schief singend flog Marie zufrieden weiter.
„Ich
bin glücklich, so glücklich, einfach nur sehr glücklich …“
Da,
eine Wildbiene. Es hatte den Anschein, als säße sie auf dem Stein, um die
Sonnenstrahlen zu genießen. Doch als Marie näher kam, sah sie, dass sie sich
täuschte. Es war eindeutig: die Wildbiene weinte.
Elegant
landete sie neben dem Bienchen und wurde nicht müde, auch ihr einen guten Tag
zu wünschen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen.
„Ich
bin traurig“, antwortete die Biene, „weil viele meiner Artgenossen bereits
gestorben sind und nun frage ich mich, ob es überhaupt noch Sinn macht, dass
ich meine Arbeit verrichte. Ich kann doch auch einfach hier auf diesem Stein
sitzen bleiben.“
„Ob
es Sinn macht?!“ Marie reagierte entsetzt. „Aber weißt du denn gar nicht, dass
du der wichtigste Helfer in der Natur bist. Du und deine Artgenossen, ihr tragt
die Pollen von Blüte zu Blüte, um deren Fortpflanzung zu sichern.“
„Ja,
das tun wir“, erwiderte die Biene zustimmend, „doch unsere Arbeit wird immer
schwieriger. Die Menschen setzen einfach zu viele Gifte ein, die uns so
unglaublich schaden.“
„Ja,
das tun sie“, entgegnete Marie, „ich weiß, aber es findet auch ein Umdenken
statt. Schau dich um, es gibt wieder bunte Blumenwiesen. Du musst fest daran
glauben, dass sich alles zum Guten wenden wird.“
Als
das Marienkäfermädchen weiter flog, wusste es, dass es nun an der Biene lag,
das Gute zu sehen und die Glücksmomente auch wirklich wahrzunehmen.
Sie
konnte nicht mehr tun, als die Augen der anderen auf das Gute und auf glückliche
Momente zu richten.
Als
Marie am Abend auf Höhe des Dachbodens in die Mauerritze eines
alten Hauses kroch, fielen ihr die Augen vor lauter Erschöpfung zu. Es war ganz
schön anstrengend gewesen, Glücksmomente zu verteilen.
Als
sie herzhaft gähnte, war es der Wind, der sanft um die Hausecke strich und ihr
leise zuflüsterte: „Gut gemacht Marie! Und nun schlaf gut!“
©
Martina Pfannenschmidt, 2021
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Guten Morgen, liebe Martina,
AntwortenLöschenach, wie habe ich die Geschichte genossen. Jetzt schaue ich mich hier gerade um, ob es noch oder schon wieder da ist, das Käferchen, ich könnte nämlich auch so einen Glücksmoment gebrauchen heute. Vielleicht kann es ein wenig auf meinem Handrücken herumkrabbeln ... ach nein, ich will nicht stöhnen, es geht mir ganz gut, jeden Tag ein wenig besser und solche Geschichten, die richten mich auf - vielen Dank dafür!
Liebe Grüße
Regina
Guten Morgen, meine liebe Regina! Ich glaube, dass Marie tatsächlich bei dir ist. Sie zeigt sich nur ungern. Ist ein bisschen schüchtern. Zumindest bei Menschen. Aber ich glaube, sie ist gerade in der Nähe deines Ohres und flüstert dir zu: "Das Glück ist doch schon da. Es ist in dir - du musst es gar nicht suchen!" - Ich danke dir für deinen Besuch am frühen Morgen. - Und denk nur dran, wieviel Glück du in der vergangenen Woche hattest! - Liebe Grüße! Martina
LöschenDas ist eine schöne Geschichte und passt zufällig zum Blogpost, den ich gerade geschrieben habe. Kneipp sammelt im Jubiläumsjahr Glücksmomente. Schau doch morgen mal auf meinen Blog. Die Gänseblümchen habe ich früher auch gesammelt und heute pflücke ich sie wieder, für den Salat. Sie gehören nämlich zu den essbaren Blüten. Danke auch für den Link!
AntwortenLöschenLG Elke
Hallo, Elke, das ist ja ein 'Zufall', dass die Geschichte so gut passt. - Essbare Blüten sind nicht so mein Fall. - Ich nehme Gänseblümchen hin und wieder in Form von Globuli (Bellis Perennis) :-) - Danke dir für deinen Besuch! LG Martina
LöschenGuten Morgen liebe MArtina,
AntwortenLöschenwas für eine herzallerliebste GEschichte ist Dir da wieder von der Feder gehüpft! Herzlichen Dank dafür!
Hab einen schönen Tag!
♥️ Allerliebste Grüße , Claudia ♥️
Dankeschön, liebe Claudia! Wenn es mir gelungen ist, dir einen Glücksmoment zu bereiten, dann hat meine Geschichte ihr Ziel erreicht. :-) LG Martina
LöschenLiebe Martina, welch eine wunderschöne Geschichte, da würde man doch gerne so ein Glückskäferchen sein um dem armen Ding etwas ab - zu - nehmen damit es nicht soo erschöpft abend nach getaner Glücksarbeit in seine Mauereckchen kriecht.
AntwortenLöschenGerade an so einem Tag an dem man Pellets nachstreut um den Ofen anzuheizen, wo der Wind um die Häuser weht und der regen alles zunässt was frisch erschaffen und gewachsen ist , die Gärten verzwirbelt und man nicht glauben mag dass schon der Juni vorbei ist um die Menschen zu erfreuen, lese ich gerne deine lebensbejahenden Geschichten, die mich von all dem ablenken was gestern und vorgestern & letzte Woche geschehen ist
es tröstet solch Geschichten wie im und einem Märchen zu lesen...
herzlichste Grüße und Dank
Angelface
Hab vielen Dank, liebe Angel, für deine liebenswerten Worte. - Und schau: Schon hat du mir einen Glücksmoment bereitet. So schnell und 'einfach' ist das. Wir können das Gestern schwerlich verändern. Aber das Heute und Morgen. - Und das ganz einfach durch ein paar nette Worte. - Da hast du Marie doch schon kräftig unterstützt! :-) - Lieben Dank und herzliche Grüße zu dir! Martina
LöschenAch, ist diese Geschichte wieder so süß und weise geschrieben liebe Martina.
AntwortenLöschenAuch dein Blog ist so ein Glücksmoment-Verteiler,danke.
Alles Liebe.
Gruß Helga
Ach, liebe Helga, was für ein Kompliment. - Hab vielen Dank dafür! - Ich freue mich, wenn mein Blog dazu beiträgt, die Welt ein kleines bisschen heller zu machen. - Liebe Grüße! Martina
LöschenEine zu Herzen gehende Geschichte hast Du geschrieben, liebe Martina. ich bin sehr berührt und denke auch: "Du musst fest daran glauben, dass sich alles zum Guten wenden wird.“
AntwortenLöschenLiebe Grüße aus dem Drosselgarten schickt Dir Traudi.
Liebe Traudi, ich freue mich sehr, dass du nicht nur 'still' gelesen, sondern dich auch zu Wort gemeldet hast. Das ist wirklich schön - und noch schöner finde ich, dass dir meine Geschichte gefällt. - Hab vielen Dank und liebe Grüße in den Drosselgarten! Martina
LöschenSo hast Du mir auch einen Glücksmoment geschenkt und etwas mehr, mit dieser schönen Geschichte. Kränzchen aus Marienblümchen habe ich auch geflochten als Kind, sie meiner kleinen Schwester ums Gesicht gehängt. Danke für das Erinnern.
AntwortenLöschenLiebste Grüsse, Klärchen
Das habe ich sehr gerne gemacht, liebes Klärchen! :-) - Danke dir für deinen Besuch und den liebenswerten Kommentar! LG Martina
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