Mittwoch, 30. Juni 2021

Glücksmomente zu verschenken

 

Für den heutigen Tag lauteten unsere Reizwörter:  Marienkäfer, Dachboden, wirbeln, nervig und witzig

Schaut doch bitte auch, welche Geschichten Lore und Regina dazu geschrieben haben.

Vor vielen Jahren von meinem Enkelkind gezeichnet. 😊 


„Ich bin glücklich, so glücklich, einfach nur sehr glücklich …“, sang Marie, das Marienkäfermädchen, in den schiefsten Tönen fröhlich vor sich hin. Dabei flog es von einem Gänseblümchen auf das andere.

„Guten Morgen, ihr Lieben. Geht es euch gut?“, fragte es in die Runde hinein.

„Geht so“, murmelte eines. Die anderen gaben ihr gar keine Antwort.

„Was ist los mit euch? Freut ihr euch nicht über den neuen Tag?“

„Ach, weißt du, Marie“, antwortete eines der Blümchen, „wir haben uns gerade darüber unterhalten, dass wir früher viel mehr Anerkennung durch die Menschen erfahren haben. Weißt du, wir waren eine richtige Kinderblume. Sie pflückten uns mit großer Freude und die Muttis oder Omis flochten mit geschickten Händen Kränze aus uns, die die Kinder dann stolz als Kopfschmuck trugen. So konnten wir viele Herzen glücklich machen.“

„Und manche Frauen haben uns zum Orakeln genutzt“, erinnerte sich ein anderes, „indem sie einzelne unserer Blütenblätter abgezupft und abwechselnd ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ gesagt haben.“

„Und heute“, ergänzte ein weiteres, „fährt man achtlos mit einem Rasenmäher über uns hinweg.“

„Ja, aber“, warf der Marienkäfer ein, „kaum eine andere Blume trotzt dem Rasenmäher so, wie ihr. Unermüdlich bildet ihr neue Blütenköpfe.“

„Das stimmt, wir lassen unsere Köpfchen nicht hängen.“

„Seht ihr, und deshalb ist heute ein schöner Tag, weil ihr ‚ewig schön‘ seid. Das ist doch die Übersetzung eures lateinischen Namens, nicht wahr.“

„Das stimmt“, erwiderte ein Gänseblümchen nicht ohne Stolz und fügte hinzu, „und man nennt uns auch Tausendschön …“

„und Himmelsblume …“

„und Augenblümchen …“, riefen sie durcheinander.

„Na seht ihr, so viele Gründe, um glücklich zu sein“, fand Marie und flog mit dem guten Gefühl weiter, den Gänseblümchen den Tag etwas verschönert zu haben.

„Ich bin glücklich, so glücklich, einfach nur sehr glücklich …“, sang sie weiterhin und schaute, wem sie noch einen glücklichen Tag bescheren konnte.

Da, eine Schnecke kroch schwerfällig über das Gras. 

„Guten Morgen, liebe Schnecke, ich wünsche dir einen glücklichen Tag!“

„Geh weg, glücklicher Tag.“

Marie ließ sich neben der Schnecke auf einem Grashalm nieder.

„Geht es dir heute nicht gut?“, fragte Marie besorgt.

„Ach geh, tagein, tagaus der gleiche Trott“, brummelte die Schnecke, „und immer muss ich mein Haus mit mir herumtragen. Denkst du, das ist witzig? Keineswegs ist es das. Es ist total nervig. Wie soll ich da bitte glücklich sein. Also zisch ab und lass mich in Ruhe.“

Die Schnecke war eindeutig ein weiterer Fall für Marie. Sie hatte sich nämlich fest vorgenommen, heute viele Glücksmomente zu verschenken.

Diese Schnecke war aber wirklich ein schwieriger Fall, das musste sie zugeben. Wie sollte sie ihr etwas Positives über ihr Leben sagen? Wie ihr eine Freude bereiten?

Sie konnte ja schlecht sagen: „Ja weißt du, Schnecke, du bist halt nützlich, weil du auf dem Speiseplan einiger anderer Lebewesen stehst.“

Also nein, das konnte sie ihr ja nun wirklich nicht sagen. Und dass sie ständig eine Schleimspur hinter sich herzog, war auch nicht so schön. Aber es musste doch etwas geben, womit sie der Schnecke eine Freude bereiten konnte.

Und dann wusste sie es. „Weißt du, liebe Schnecke, ich glaube, dass das Geheimnis des Glücks darin liegt, auch unsichtbare Dinge wahrzunehmen und sich daran zu erfreuen. Ich denke da an so etwas wie eine sanfte Berührung. Das kann ja durchaus ein Glücksmoment sein.“

Und schon erhob sich der Marienkäfer, wirbelte dabei voller Schwung ein paar Gräserpollen auf und landete sanft auf dem Gehäuse der Schnecke. Dann lief Marie mit ihren sechs Beinchen auf der Schnecke auf und ab. Das kitzelte natürlich und bald fing die knurrige Schnecke tatsächlich an zu lachen.

Fröhlich und völlig schief singend flog Marie zufrieden weiter.

„Ich bin glücklich, so glücklich, einfach nur sehr glücklich …“

Da, eine Wildbiene. Es hatte den Anschein, als säße sie auf dem Stein, um die Sonnenstrahlen zu genießen. Doch als Marie näher kam, sah sie, dass sie sich täuschte. Es war eindeutig: die Wildbiene weinte.

Elegant landete sie neben dem Bienchen und wurde nicht müde, auch ihr einen guten Tag zu wünschen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen.

„Ich bin traurig“, antwortete die Biene, „weil viele meiner Artgenossen bereits gestorben sind und nun frage ich mich, ob es überhaupt noch Sinn macht, dass ich meine Arbeit verrichte. Ich kann doch auch einfach hier auf diesem Stein sitzen bleiben.“

„Ob es Sinn macht?!“ Marie reagierte entsetzt. „Aber weißt du denn gar nicht, dass du der wichtigste Helfer in der Natur bist. Du und deine Artgenossen, ihr tragt die Pollen von Blüte zu Blüte, um deren Fortpflanzung zu sichern.“

„Ja, das tun wir“, erwiderte die Biene zustimmend, „doch unsere Arbeit wird immer schwieriger. Die Menschen setzen einfach zu viele Gifte ein, die uns so unglaublich schaden.“

„Ja, das tun sie“, entgegnete Marie, „ich weiß, aber es findet auch ein Umdenken statt. Schau dich um, es gibt wieder bunte Blumenwiesen. Du musst fest daran glauben, dass sich alles zum Guten wenden wird.“

Als das Marienkäfermädchen weiter flog, wusste es, dass es nun an der Biene lag, das Gute zu sehen und die Glücksmomente auch wirklich wahrzunehmen.

Sie konnte nicht mehr tun, als die Augen der anderen auf das Gute und auf glückliche Momente zu richten.

Als Marie am Abend auf Höhe des Dachbodens in die Mauerritze eines alten Hauses kroch, fielen ihr die Augen vor lauter Erschöpfung zu. Es war ganz schön anstrengend gewesen, Glücksmomente zu verteilen.

Als sie herzhaft gähnte, war es der Wind, der sanft um die Hausecke strich und ihr leise zuflüsterte: „Gut gemacht Marie! Und nun schlaf gut!“  

 

© Martina Pfannenschmidt, 2021


Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.

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Ein kleiner Hinweis: 

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14 Kommentare:

  1. Guten Morgen, liebe Martina,

    ach, wie habe ich die Geschichte genossen. Jetzt schaue ich mich hier gerade um, ob es noch oder schon wieder da ist, das Käferchen, ich könnte nämlich auch so einen Glücksmoment gebrauchen heute. Vielleicht kann es ein wenig auf meinem Handrücken herumkrabbeln ... ach nein, ich will nicht stöhnen, es geht mir ganz gut, jeden Tag ein wenig besser und solche Geschichten, die richten mich auf - vielen Dank dafür!
    Liebe Grüße
    Regina

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    1. Guten Morgen, meine liebe Regina! Ich glaube, dass Marie tatsächlich bei dir ist. Sie zeigt sich nur ungern. Ist ein bisschen schüchtern. Zumindest bei Menschen. Aber ich glaube, sie ist gerade in der Nähe deines Ohres und flüstert dir zu: "Das Glück ist doch schon da. Es ist in dir - du musst es gar nicht suchen!" - Ich danke dir für deinen Besuch am frühen Morgen. - Und denk nur dran, wieviel Glück du in der vergangenen Woche hattest! - Liebe Grüße! Martina

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  2. Das ist eine schöne Geschichte und passt zufällig zum Blogpost, den ich gerade geschrieben habe. Kneipp sammelt im Jubiläumsjahr Glücksmomente. Schau doch morgen mal auf meinen Blog. Die Gänseblümchen habe ich früher auch gesammelt und heute pflücke ich sie wieder, für den Salat. Sie gehören nämlich zu den essbaren Blüten. Danke auch für den Link!
    LG Elke

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    1. Hallo, Elke, das ist ja ein 'Zufall', dass die Geschichte so gut passt. - Essbare Blüten sind nicht so mein Fall. - Ich nehme Gänseblümchen hin und wieder in Form von Globuli (Bellis Perennis) :-) - Danke dir für deinen Besuch! LG Martina

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  3. Guten Morgen liebe MArtina,
    was für eine herzallerliebste GEschichte ist Dir da wieder von der Feder gehüpft! Herzlichen Dank dafür!
    Hab einen schönen Tag!
    ♥️ Allerliebste Grüße , Claudia ♥️

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    1. Dankeschön, liebe Claudia! Wenn es mir gelungen ist, dir einen Glücksmoment zu bereiten, dann hat meine Geschichte ihr Ziel erreicht. :-) LG Martina

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  4. Liebe Martina, welch eine wunderschöne Geschichte, da würde man doch gerne so ein Glückskäferchen sein um dem armen Ding etwas ab - zu - nehmen damit es nicht soo erschöpft abend nach getaner Glücksarbeit in seine Mauereckchen kriecht.
    Gerade an so einem Tag an dem man Pellets nachstreut um den Ofen anzuheizen, wo der Wind um die Häuser weht und der regen alles zunässt was frisch erschaffen und gewachsen ist , die Gärten verzwirbelt und man nicht glauben mag dass schon der Juni vorbei ist um die Menschen zu erfreuen, lese ich gerne deine lebensbejahenden Geschichten, die mich von all dem ablenken was gestern und vorgestern & letzte Woche geschehen ist
    es tröstet solch Geschichten wie im und einem Märchen zu lesen...
    herzlichste Grüße und Dank
    Angelface

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    1. Hab vielen Dank, liebe Angel, für deine liebenswerten Worte. - Und schau: Schon hat du mir einen Glücksmoment bereitet. So schnell und 'einfach' ist das. Wir können das Gestern schwerlich verändern. Aber das Heute und Morgen. - Und das ganz einfach durch ein paar nette Worte. - Da hast du Marie doch schon kräftig unterstützt! :-) - Lieben Dank und herzliche Grüße zu dir! Martina

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  5. Ach, ist diese Geschichte wieder so süß und weise geschrieben liebe Martina.
    Auch dein Blog ist so ein Glücksmoment-Verteiler,danke.
    Alles Liebe.
    Gruß Helga

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    1. Ach, liebe Helga, was für ein Kompliment. - Hab vielen Dank dafür! - Ich freue mich, wenn mein Blog dazu beiträgt, die Welt ein kleines bisschen heller zu machen. - Liebe Grüße! Martina

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  6. Eine zu Herzen gehende Geschichte hast Du geschrieben, liebe Martina. ich bin sehr berührt und denke auch: "Du musst fest daran glauben, dass sich alles zum Guten wenden wird.“
    Liebe Grüße aus dem Drosselgarten schickt Dir Traudi.

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    1. Liebe Traudi, ich freue mich sehr, dass du nicht nur 'still' gelesen, sondern dich auch zu Wort gemeldet hast. Das ist wirklich schön - und noch schöner finde ich, dass dir meine Geschichte gefällt. - Hab vielen Dank und liebe Grüße in den Drosselgarten! Martina

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  7. So hast Du mir auch einen Glücksmoment geschenkt und etwas mehr, mit dieser schönen Geschichte. Kränzchen aus Marienblümchen habe ich auch geflochten als Kind, sie meiner kleinen Schwester ums Gesicht gehängt. Danke für das Erinnern.
    Liebste Grüsse, Klärchen

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    1. Das habe ich sehr gerne gemacht, liebes Klärchen! :-) - Danke dir für deinen Besuch und den liebenswerten Kommentar! LG Martina

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