Reizwörter: Lulatsch, Aussichtsturm, aufwachen, gefährlich, zornig
„Mama, warum bin ich so ein langer Lulatsch?“
„Wie bitte? Wie kommst du
denn nur darauf?“
„Ich habe gehört, dass sich
die Springmäuse über mich unterhalten haben und eine hat gesagt, ich sei
riesig. Ein richtiger Lulatsch.“ Naima machte eine kleine Pause. „Dabei weiß
ich nicht einmal, was ein Lulatsch überhaupt ist.“
Mandola, die Giraffenmutter,
musste sich das Lachen verkneifen.
„Weißt du, meine Große, ich
denke, dass die Mäuse vielleicht sogar neidisch auf dich sind. Vielleicht wären
sie ja auch gerne so groß wie du. Mach dir also bitte keine weiteren Gedanken
darüber.“
Naima druckste herum: „Und
dann haben sie noch gesagt, dass ich gar keinen Vater hätte und dass meine
Beine so dünn seien wie Stricknadeln. Stimmt das Mama?“
„Natürlich hast auch du einen
Papa“, empörte sich Mandola über die frechen Mäuse, „er lebt nur nicht immer bei
uns. So ist das in einer Giraffenherde. Da leben nur die Frauen mit ihren
Kindern zusammen. Aber es wird nicht mehr lange dauern, dann wird er uns wieder
einmal besuchen kommen. Und schau, unsere Beine sind zwar dünn und lang und
wirken vielleicht zerbrechlich. Aber das sind sie nicht. Sie sind genau
richtig, so wie sie sind.“
Nach einer Weile fragte das
Giraffenmädchen vorsichtig: „Sag, Mama, findest du nicht auch, dass unser Hals
ziemlich lang geraten ist?“
„Durchaus. Aber schau. Auf
der ganzen Welt gibt es kein weiteres Tier mit diesem Merkmal. Und auch unsere
Zeichnung ist etwas ganz Besonderes. Das sind doch wirklich alles Dinge, auf
die wir stolz sein können, nicht wahr. Und sieh nur“, Mandola zupfte ein paar
Blätter von einem hohen Baum, „wer kann schon so hoch ragen, wie wir.“
„Niemand“, freute sich Naima
und wurde sich darüber bewusst, dass es großartig war, als ‚Aussichtsturm‘ auf die Welt gekommen
zu sein.
Während die beiden gemächlich
mit ihrer Herde weiterzogen, heulte in der Ferne ein Jeep auf. Dieses Geräusch war
Naima unbekannt und so wurde sie etwas unruhig.
„Das Heulen eines Motors
zeigt uns, dass Menschen in unserer Nähe sind“, erklärte die Giraffenmutter und
auch ihr merkte man eine gewisse Unruhe an.
„Menschen?“, fragte das
Giraffenmädchen. „Was sind Menschen?“
„Menschen sind die
schlimmsten Raubtiere, die es auf dieser Erde gibt.“
„Sind sie noch gefährlicher, als Löwen?“,
wollte Naima sogleich wissen.
„Gewiss.“
„Haben sie scharfe Zähne, wie
sie, oder besitzen sie giftige Pfeile?“
„Sie haben die schlimmsten
Waffen, die du dir nur vorstellen kannst. Manche von ihnen jagen friedliche
Tiere wie zum Beispiel Elefanten, nur wegen ihrer Stoßzähne.“
„Das ist schlimm.“
„Ja, das ist es. Weißt du,
Naima, den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass sie auch ein Teil der Natur
sind. Ebenso wie wir Tiere und die Pflanzen. Und so töten sie nicht nur unsere
Art, sie zerstören die Welt auf der wir alle leben mit vielerlei Dingen und … -
Mandola legte eine kleine Pause ein - … sie töten sich sogar gegenseitig.“
Naima war fassungslos und zornig. Hoffentlich würde sie
nie in ihrem Leben einem Menschen begegnen.
„Wo leben die Menschen?“,
wollte sie wissen.
„Sie leben überall auf diesem
Planeten und die Spur der Verwüstung, die sie hinterlassen, ist groß.“
„Kann man denn gar nichts
dagegen tun?“
„Weißt du, Naima, der Mensch
ist das einzige Lebewesen auf dieser Welt mit einem freien Willen. Er kann selbst
entscheiden, ob er etwas verändern möchte oder nicht.“
„Aber warum verändert er dann
nichts? Weiß er gar nicht, wie abscheulich das ist, was er tut?“
„Einige scheinen es
tatsächlich nicht zu wissen. Aber es gibt inzwischen viele Menschen, denen klar
ist, dass sich etwas verändern muss. Und so hoffe ich, dass es immer mehr
werden, die aufwachen,
aufstehen und alles zum Guten wenden.“
„Das hoffe ich auch, Mama.“
© Martina Pfannenschmidt,
2021
Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.
Hier geht es zu Elke und ihrem 'Kleinen Blog'. KLICK!
Ein kleiner Hinweis:
Mit der Nutzung des Kommentar- Formulars erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden.
"Menschen sind die schlimmsten Raubtiere, die es auf der Erde gibt"
AntwortenLöschenGenau, liebe Martina,
dir ist wieder eine tolle Geschichte gelungen, eine, die man gern liest und die man nicht so leicht wieder vergisst! Gut ist, dass viele Menschen sich mittlerweile dafür einsetzen, dass Tierleid geringer wird und den Tieren eine Stimme geben.
Herzliche Grüße
Regina
Liebe Regina, bei mir war es ein anderer Satz, der mich, während ich ihn schrieb, berührt hat: '... und sie töten sich sogar gegenseitig'. - Es ist ja durchaus nichts Neues. Wir wissen es. Es geschieht täglich. Aber in dem Moment, als ich es geschrieben habe, wurde mir bis ins Mark hinein bewusst, wie unfassbar und widerwärtig das ist. Wir Menschen, die sich für so unsagbar klug und über Vieles oder Alles erhaben wissen wollen, töten uns gegenseitig. Wie irrsinnig ist das. - Danke für deine lieben Worte! Martina
Löscheneine Geschichte die unter die Haut geht ..
AntwortenLöschenmehr kann ich gar nicht dazu sagen..
liebe Grüße
Rosi
Danke, Rosi!
Löschen