Donnerstag, 15. Juli 2021

Als Aussichtsturm geboren

 Reizwörter: Lulatsch, Aussichtsturm, aufwachen, gefährlich, zornig

Bitte schaut, welche Geschichte Regina mit diesen Reizwörtern geschrieben hat. - Lore setzt diesmal leider aus. 

(Foto: privat)

„Mama, warum bin ich so ein langer Lulatsch?“

„Wie bitte? Wie kommst du denn nur darauf?“

„Ich habe gehört, dass sich die Springmäuse über mich unterhalten haben und eine hat gesagt, ich sei riesig. Ein richtiger Lulatsch.“ Naima machte eine kleine Pause. „Dabei weiß ich nicht einmal, was ein Lulatsch überhaupt ist.“

Mandola, die Giraffenmutter, musste sich das Lachen verkneifen.

„Weißt du, meine Große, ich denke, dass die Mäuse vielleicht sogar neidisch auf dich sind. Vielleicht wären sie ja auch gerne so groß wie du. Mach dir also bitte keine weiteren Gedanken darüber.“

Naima druckste herum: „Und dann haben sie noch gesagt, dass ich gar keinen Vater hätte und dass meine Beine so dünn seien wie Stricknadeln. Stimmt das Mama?“

„Natürlich hast auch du einen Papa“, empörte sich Mandola über die frechen Mäuse, „er lebt nur nicht immer bei uns. So ist das in einer Giraffenherde. Da leben nur die Frauen mit ihren Kindern zusammen. Aber es wird nicht mehr lange dauern, dann wird er uns wieder einmal besuchen kommen. Und schau, unsere Beine sind zwar dünn und lang und wirken vielleicht zerbrechlich. Aber das sind sie nicht. Sie sind genau richtig, so wie sie sind.“

Nach einer Weile fragte das Giraffenmädchen vorsichtig: „Sag, Mama, findest du nicht auch, dass unser Hals ziemlich lang geraten ist?“

„Durchaus. Aber schau. Auf der ganzen Welt gibt es kein weiteres Tier mit diesem Merkmal. Und auch unsere Zeichnung ist etwas ganz Besonderes. Das sind doch wirklich alles Dinge, auf die wir stolz sein können, nicht wahr. Und sieh nur“, Mandola zupfte ein paar Blätter von einem hohen Baum, „wer kann schon so hoch ragen, wie wir.“

„Niemand“, freute sich Naima und wurde sich darüber bewusst, dass es großartig war, als ‚Aussichtsturm‘ auf die Welt gekommen zu sein.

Während die beiden gemächlich mit ihrer Herde weiterzogen, heulte in der Ferne ein Jeep auf. Dieses Geräusch war Naima unbekannt und so wurde sie etwas unruhig.

„Das Heulen eines Motors zeigt uns, dass Menschen in unserer Nähe sind“, erklärte die Giraffenmutter und auch ihr merkte man eine gewisse Unruhe an.

„Menschen?“, fragte das Giraffenmädchen. „Was sind Menschen?“

„Menschen sind die schlimmsten Raubtiere, die es auf dieser Erde gibt.“

„Sind sie noch gefährlicher, als Löwen?“, wollte Naima sogleich wissen.

„Gewiss.“

„Haben sie scharfe Zähne, wie sie, oder besitzen sie giftige Pfeile?“

„Sie haben die schlimmsten Waffen, die du dir nur vorstellen kannst. Manche von ihnen jagen friedliche Tiere wie zum Beispiel Elefanten, nur wegen ihrer Stoßzähne.“

„Das ist schlimm.“

„Ja, das ist es. Weißt du, Naima, den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass sie auch ein Teil der Natur sind. Ebenso wie wir Tiere und die Pflanzen. Und so töten sie nicht nur unsere Art, sie zerstören die Welt auf der wir alle leben mit vielerlei Dingen und … - Mandola legte eine kleine Pause ein - … sie töten sich sogar gegenseitig.“

Naima war fassungslos und zornig. Hoffentlich würde sie nie in ihrem Leben einem Menschen begegnen.

„Wo leben die Menschen?“, wollte sie wissen.

„Sie leben überall auf diesem Planeten und die Spur der Verwüstung, die sie hinterlassen, ist groß.“

„Kann man denn gar nichts dagegen tun?“

„Weißt du, Naima, der Mensch ist das einzige Lebewesen auf dieser Welt mit einem freien Willen. Er kann selbst entscheiden, ob er etwas verändern möchte oder nicht.“

„Aber warum verändert er dann nichts? Weiß er gar nicht, wie abscheulich das ist, was er tut?“

„Einige scheinen es tatsächlich nicht zu wissen. Aber es gibt inzwischen viele Menschen, denen klar ist, dass sich etwas verändern muss. Und so hoffe ich, dass es immer mehr werden, die aufwachen, aufstehen und alles zum Guten wenden.“

„Das hoffe ich auch, Mama.“

 

© Martina Pfannenschmidt, 2021

 

Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.

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4 Kommentare:

  1. "Menschen sind die schlimmsten Raubtiere, die es auf der Erde gibt"
    Genau, liebe Martina,
    dir ist wieder eine tolle Geschichte gelungen, eine, die man gern liest und die man nicht so leicht wieder vergisst! Gut ist, dass viele Menschen sich mittlerweile dafür einsetzen, dass Tierleid geringer wird und den Tieren eine Stimme geben.
    Herzliche Grüße
    Regina

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    1. Liebe Regina, bei mir war es ein anderer Satz, der mich, während ich ihn schrieb, berührt hat: '... und sie töten sich sogar gegenseitig'. - Es ist ja durchaus nichts Neues. Wir wissen es. Es geschieht täglich. Aber in dem Moment, als ich es geschrieben habe, wurde mir bis ins Mark hinein bewusst, wie unfassbar und widerwärtig das ist. Wir Menschen, die sich für so unsagbar klug und über Vieles oder Alles erhaben wissen wollen, töten uns gegenseitig. Wie irrsinnig ist das. - Danke für deine lieben Worte! Martina

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  2. eine Geschichte die unter die Haut geht ..
    mehr kann ich gar nicht dazu sagen..

    liebe Grüße
    Rosi

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