Wie bereits angekündigt,
gibt es heute nach sehr langer Zeit
wieder eine
Reizwörtergeschichte
zu lesen.
Sie entstand aufgrund folgender Wörter:
Paradies
– Adlerhorst – Abenteuer – vorwitzig - laufen
Weitere Geschichten mit diesen Wörtern könnt ihr bei
lesen!
Langsam
wurde es draußen dunkel und es regnete in Strömen. Scheinwerfer durchdrangen die Dunkelheit und ein
Strahl fiel dabei auf Teddy. Er beobachtete, wie ein Autoreifen durch eine
große Pfütze fuhr. Bald darauf kam das Fahrzeug auf dem Parkstreifen vor dem
Geschäft, in dessen Schaufenster man ihn gesetzt hatte, zum Stehen.
Eine
junge Frau sprang leichtfüßig aus dem Auto. In der Hand hielt sie eine große Plastiktüte,
die sie sich zum Schutz vor dem Regen über ihren Kopf hielt.
Während
Teddy die Szene beobachtete, sah er unwillkürlich die Regentropfen über die
Fensterscheibe laufen. Für einen
kurzen Moment trafen sich dabei die Blicke der beiden.
Bald
darauf erklang die alte Türglocke. Ding-Dong!
Teddy
liebte dieses Geräusch. Es war aber auch das Einzige, was er an diesem Ort als
schön bezeichnen würde. Sich selbst eingeschlossen.
Vor
Wochen, als man ihn hier abgegeben hatte, verband er mit diesem Klang die Hoffnung,
dass jemand den Laden betreten möge, um ihn mit zu sich nach Hause zu nehmen. -
Ein liebevolles neues Zuhause war sein einziger Wunsch und seine ganze
Sehnsucht.
Selbst
der Anblick eines kleinen Jungen, der unter einem viel zu großen Regenschirm und
mit bunten Gummistiefeln an den Füßen an der Hand seiner Mutter am Laden
vorüber spazierte, konnte ihn nicht aufmuntern. Als der Kleine sich jedoch los
riss und seine vorwitzige kleine
Nase an der regennassen Fensterscheibe platt drückte, stieg für einen kurzen
Augenblick ein Gefühl von Hoffnung in ihm auf. Doch die zerplatzte in dem Moment
wie eine Seifenblase, in dem der Junge von seiner Mutter erbarmungslos weiter
gezogen wurde.
„Meine
Güte, was ist das heute nur für ein Sauwetter da draußen!“, schimpfte die junge
Frau beim Betreten des Second-Hand-Ladens.
„Das
stimmt wohl“, erwiderte die Besitzerin, „es regnet wirklich schon den ganzen
Tag.“
Die
junge Frau entnahm ihrer Tüte ein paar Kleidungsstücke.
„Würden
Sie die für mich verkaufen?“, fragte sie.
Nachdem
die beiden alles Geschäftliche geregelt hatten, verließ sie das Geschäft wieder.
Ding-Dong!
Doch
dann sah Teddy, dass sie auf den Stufen stoppte, sich zu ihm umdrehte und die
Tür erneut öffnete. Ding-Dong!
„Sagen
Sie, der Teddy dort in ihrem Schaufenster, was kostet der?“
Teddys
Herz machte einen kleinen Hopser! Das war das erste Mal, dass sich jemand danach
erkundigte.
„Der?“,
und die Stimme der Frau klang abwertend. „Den wollte ich eigentlich gar nicht
annehmen, so zerzaust, wie der ausschaut. Aber ich hab halt ein gutes Herz und
die ältere Dame, die ihn hier abgegeben hat, kann jeden Cent gut gebrauchen.
Also, wenn Ihnen 5 Euro nicht zu viel sind, gehört er Ihnen.“
„Abgemacht!
Der Kleine erinnert mich unheimlich an meinen Teddy, den ich als Kind immer bei
mir hatte und mit dem ich so manches Abenteuer
erlebt habe. Es ist vielleicht verrückt, aber ich nehme ihn mit.“
Während
die junge Frau in ihrem Portemonnaie nach einem 5-Euro-Schein kramte, holte die
Ladenbesitzerin Teddy aus dem Schaufenster.
Träumte
er, oder passierte das gerade wirklich?
Als
er bald darauf auf dem Beifahrersitz des alten Pkw saß, wusste er, dass seine
Gebete erhört worden waren.
„Anschnallen
muss ich dich wohl nicht, oder doch? Nein, ich glaub nicht. – Übrigens: Ich bin
Franziska, hab mich dir noch gar nicht vorgestellt. Und du? Wie ist dein Name?
Hm, sag, wärst du einverstanden, wenn ich dich Träumerle nenne? So hieß nämlich
mein Teddy früher.“
Natürlich
war Teddy einverstanden. Sehr sogar! Endlich hatte auch er einen Namen und hieß
nicht immer bloß Teddy.
Franziska
steuerte den Wagen sicher durch die dunklen Straßen, bis sie das Fahrzeug
stoppte.
„So,
wir sind angekommen. Hier wohnst du ab heute. Ich bin sehr gespannt, ob es dir
in meiner kleinen Wohnung gefällt.“
Franziska
setzte Träumerle in eine Ecke ihres Sofas.
„Ich
glaub, das ist ein guter Platz für dich!“
Für
Träumerle war der Ort der schönste, den es auf der ganzen Welt für ihn geben
konnte.
Als
es an der Wohnungstür schellte, sprang Franziska auf: „Das wird Paula sein. Sie
wohnt nebenan und ist eine gute Freundin von mir.“
Als
Paula das Wohnzimmer betrat, musste Träumerle sich das Lachen verkneifen.
Franziskas Freundin hatte ihre Haare so hoch aufgetürmt, dass der Dutt auf
ihrem Kopf schwebte, wie ein Adler über seinem Adlerhorst. Träumerle konnte sich das Kichern einfach nicht
verkneifen. Aber nur ganz leise, damit es die beiden nicht hören konnten.
Bevor
Paula nach dem Teddy greifen konnte, war Franziska zur Stelle: „Halt! Ich muss
euch doch erst miteinander bekannt machen. Also das ist Träumerle, mein neuer
Mitbewohner. Und das ist Paula, meine Nachbarin.“
Paula
tippte sich an die Stirn: „Du hast dir einen Teddy gekauft?“
„Ja, hab ich. Er erinnerte
mich an meinen kleinen Bären aus Kindertagen und gleich fühlte ich mich so
unbekümmert wie damals und sofort musste ich an meine Familie denken. Weißt du,
Oma und Opa waren damals für mich schon ziemlich alt. Aber Oma kochte das beste
Essen auf der ganzen Welt und meine Eltern waren mein Fels in der Brandung,
wenn ich nach einem jugendlichen Höhenflug mal wieder hart auf dem Boden der
Tatsachen landete.“
Unverständnis stand Paula
ins Gesicht geschrieben: „Alles okay mit dir?“, fragte sie scheinbar besorgt.
„Ich mach mir halt
Gedanken, weißt du. Wir sind doch jetzt in einem Alter, in dem wir unsere eigenen
Familien gründen könnten und je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto
unbegreiflicher wird es für mich, wie selbstverständlich für mich als Kind eine
intakte Familie war. Aber heute weiß ich, dass es eben nicht immer so ist.“
„Also irgendwas ist heute
mit dir passiert“, meinte Paula. „Du wirst doch nicht krank?“
„Nein, ich fühl mich gut, bin
kerngesund. Es liegt eindeutig an Träumerle. Durch ihn wurde mir irgendwie
bewusst, dass wir, ob wir es nun wollen oder nicht, das Ergebnis einer ziemlich
langen Familiengeschichte sind. Als Kind fand ich es total öde, wenn die Älteren
von meinen Vorfahren erzählten, doch inzwischen finde ich es faszinierend, zu
erfahren, wie sie ihre Leben mit allen Höhen und Tiefen gemeistert haben.“
Paula
stand auf. „Franzi, du brauchst dringend einen Schnaps und dann mach bitte die
Glotze an. Ich bin nicht hier, um mit dir über unsere Vorfahren oder über Teddys
zu philosophieren, sondern, um mit dir einen Film anzuschauen.“
Paula
war wirklich eine gute Freundin, doch mit ernsteren Themen musste man ihr
einfach nicht kommen. Deshalb holte Franziska wortlos eine Flasche Wasser,
stellte Chips und Salzstangen auf den Tisch und den Fernseher an. Mit einer
Hand angelte sie sich Träumerle, setzte ihn auf ihren Schoß und griff mit der
anderen in die Schale mit den Chips.
Träumerle
kuschelte sich so nah an seinen neuen Herzensmenschen heran, wie es ihm eben möglich
war.
Er
war angekommen – in seinem kleinen Paradies
auf Erden!
©
Martina Pfannenschmidt, 2019
Gefällt mir deine Geschichte und diesmal ganz wenig Philosophie, aber gute Gedanken. Wir sind das Produkt einer langen Reihe von Vorfahren, die alle ein wenig in uns hinterlassen haben. Fröhliche Sonntagsgrüße, Lore
AntwortenLöschenWarum hast du meinen Namen nicht verlinkt?
Liebe Lore, jetzt ist auch deine Geschichte verlinkt - sie war halt heut früh noch nicht in deinem Blog zu finden. :-) - Dank dir für den Besuch und den Kommentar. LG Martina
LöschenTja ... es gibt sehr liebe, nette Menschen, mit denen man lachen und herumalbern kann - aber für ernsthafte Gespräche haben sie keinen Sinn ...
AntwortenLöschenWie gut, dass der Teddy wieder ein Zuhause gefunden hat!
Hallo Christine! Ich freue mich, dass du mein Bloghaus besucht hast und auch über deinen Kommentar! - LG Martina
LöschenLiebe Martina,
AntwortenLöschenwie gut, dass sich die beiden gefunden haben, denn das tut beiden sehr gut! Eine wunderschöne Geschichte hast du geschrieben!
Herzliche Grüße
Regina
Danke dir! - Vielleicht hab ich beim Schreiben der Geschichte so ein ganz kleines bisschen an meinen Teddy aus Kindertagen gedacht. :-) - LG Martina
LöschenLiebe Martina, ich erinnere mich sehr gut an "Klümpchen für die Seele", war gern dort auf Besuch.
AntwortenLöschenDas Schreibtrio wieder an den Tasten zu Reizwörtergeschichten, da freue ich mich mit.
Habe Deine Geschichte vom Träumerle so gern gelesen und passt gerade mal wieder.-
Vor einigen Tagen hatten wir bei Seelenfarben über unsere Kuscheltiere geschrieben, ich dachte nicht, dass es viele Erwachsene gibt, die noch ein Herz für diese kleinen Seelentröster haben.
Ein bisschen Kindheit im Herzen bewahren..., Deine Geschichte ist ein Träumchen meine liebe Martina.Danke!
Gruß Helga
Liebe Helga, ganz lieben Dank für deinen Kommentar und dein Lob für meine Geschichte. - Ja, mein Teddy war auch mein Seelentröster. Schon lange begleitet er mich nicht mehr. Schade eigentlich. - Mein 'inneres Kind' würde sich ganz sicher auch heute noch daran erfreuen. :-)
LöschenGanz liebe Grüße hin zu dir!
Martina
hach wie schön
AntwortenLöschenjaa.. sich ein wenig Kindheit im Herzen zu behalten
das ist wichtig
und manchmal braucht es eine Erinnerung daran ..
ich hatte früher zwar nie einen Teddy sondern Puppen
aber jetzt um so mehr ;)
liebe Grüße
Rosi
Hallo, liebe Rosi, wie schön, dass du einen Kommentar hinterlassen hast.
LöschenPuppen hatte ich früher auch, aber die habe ich 'anders' geliebt, als den Teddy! ;-)
Meine Lieblingspuppe hieß Monika. Sie hatte blonde lange Haare, die ich kämmen konnte. Von daher war mein erster Berufswunsch: Friseuse. :-) - Der hat sich dann aber nicht erfüllt, denn danach stand ziemlich schnell fest, dass ich für die 'Schreibmaschine' geboren wurde. :-)
LG und Danke!
Martina