Reizwörter: Esel, Eis, empört, eilig, erfrischend
Schaut doch bitte auch, welche Geschichten Lore und Regina mit diesen Reizwörtern geschrieben haben!
An
diesem Wochenende besuche ich meine Tochter und ich freue mich riesig darauf.
Als ich aus dem Zug aussteige und mich die Energien der Großstadt empfangen,
bleibe ich zuerst einmal stehen, um mich einzugewöhnen.
Empört schaut mich ein älterer
Herr an, der durch mein abruptes stehen bleiben fast auf mich aufgelaufen wäre.
Kichernd entschuldige ich mich, was das Unverständnis in seinen Augen noch
verstärkt.
Zögerlich
gehe ich weiter, während all die Menschen eilig
an mir vorüber rennen. Heutzutage hat wirklich niemand mehr Zeit, denke ich,
und begebe mich aus dem Bahnhofsgebäude heraus auf den Vorplatz.
Hab
ich es mir doch gedacht. Weit und breit nichts zu sehen von meiner liebenswerten
Tochter. Doch Moment! Mein Handy meldet den Eingang einer Nachricht: „Sorry,
Ma! Werde es nicht pünktlich schaffen. Aber ich komme so schnell ich kann!“
Das
ist wieder typisch, denke ich, muss aber schmunzeln. Der Apfel fällt halt nicht
weit vom Stamm. Aber: von mir hat sie das nicht. Ich bin immer pünktlich – oder
sagen wir: meistens!
Mein
Blick fällt auf eine Eisdiele, die sich gegenüber des Bahnhofsgebäudes befindet.
Dort werde ich hingehen und in aller Ruhe ein Eis essen, während ich auf meine Tochter warte und die
Menschen beobachte.
Ich
liebe es nämlich, Menschen zu beobachten! Ich finde, dass man dadurch durchaus
seine Aufmerksamkeit schult. So erkenne ich zum Beispiel schneller, wenn jemand
schwindelt. Ja wirklich! Menschen senden nämlich permanent Signale aus, die
viel über die jeweilige Person aussagen. Körpersprache nennt man das wohl. Und
da spielt auch die Mimik eine entscheidende Rolle.
Während
ich in aller Seelenruhe mein Eis löffle, denke ich darüber nach, wie oft wir
Menschen durch die Tage und von einer zur anderen Pflicht hetzen, ohne uns die
Zeit zu nehmen, die erlebten Dinge zwischenzeitlich auch einmal sacken zu
lassen.
Und da
kommt das Beobachten von Menschen ins Spiel, denn es hat durchaus etwas mit Innehalten
und Entschleunigen zu tun. Ja wirklich! Und man wird durchaus aufmerksamer für
seine Mitmenschen.
Im Moment
habe ich das Paar am Nachbartisch im Visier. Während er erzählt, hört sie nur
mit einem Ohr hin. Woher ich das weiß? Sie schaut nebenbei auf ihr Handy und
jetzt kramt sie sogar ihren Lippenstift aus ihrer Handtasche und zieht ihre
Lippen nach. Wie kann sie ihm da aufmerksam zuhören?
Oder dort
– ein Tisch weiter. An ihm sitzt eine junge Frau. Ein junger Mann stürmt mit
einem kurzen ‚Hallo’ zu ihr an den Tisch. Er sieht ihr dabei nicht einmal in
die Augen, bleibt nur kurz stehen, spricht zwei Sätze mit ihr – und schon ist
er wieder in der Menge verschwunden. Was er ihr wohl zu sagen hatte?
Diese
Aufmerksamkeitsübungen, wie ich es gerne nenne, kann man übrigens überall
durchführen. Egal, ob man durch die Straßen der Stadt geht oder U-Bahn fährt.
Das wichtigste, was man dabei trainiert, ist, dass man sich die Menschen genauer
ansieht und nicht durch sie hindurch schaut. So nimmt man sie tatsächlich richtig
wahr!
Ein toller
Nebeneffekt ist dabei übrigens, dass sich deine Gedanken nicht um dich selbst
und deine Sorgen oder Probleme kreisen können, weil das Gehirn ja anderweitig
beschäftigt ist und sich die eigenen Sorgen hinten anstellen müssen.
Ja und
dann hab ich noch einen Tipp: man sollte seine Mitmenschen nicht zu
offensichtlich beobachten. Das ist nicht nur peinlich, wenn man dabei erwischt
wird, sondern auch für den Beobachteten sehr unangenehm. Und außerdem: sobald
Menschen bemerken, dass sie beobachtet werden, verändern sie zumindest
unbewusst ihr Verhalten. Ja wirklich! Ist so!
Ich sag es
euch: das mit dem Beobachten und der Körpersprache, dass ist eine Wissenschaft
für sich. Wenn du also Menschen beobachten möchtest, mach es so, dass sie sich
unbeobachtet fühlen.
Dort zum
Beispiel, der Mann, der mit 1000 Taschen bepackt wie ein Esel neben seiner Frau herläuft, die unentwegt auf ihn
einredet. Also der fühlt sich in diesem Moment nicht von mir beobachtet und zugleich
zeigen seine Körperhaltung und sein Gesichtsausdruck sehr deutlich, wie unwohl
er sich in dieser Gegebenheit fühlt.
Mir kommt
in diesem Moment eine Situation bzw. eine Unterhaltung mit Kollegen vor ein
paar Tagen in den Sinn. Es war so, dass wir in der Mittagspause gemeinsam
draußen im Park waren, als eine Kollegin voller Freude davon berichtete, dass
sie um eine Gehaltserhöhung gebeten und diese auch tatsächlich bekommen hätte.
Ihr glaubt
nicht, wie interessant die Reaktionen meiner Kollegen darauf waren. Während dem
einen komplett die Gesichtszüge entgleisten, dauerte die Gratulation des
anderen eine Spur zu lange, was darauf schließen ließ, dass eine Menge Neid im
Spiel war. Ja, so ist das mit uns Menschen. Nur wenige können sich noch mit anderen
oder für andere freuen.
Es ist
wirklich so, dass uns unser Gegenüber viel erzählen kann. Doch sein Körper
spricht dabei oftmals eine ganz andere Sprache, als seine Worte.
Kennst du
auch die Menschen, die dir bei einem Gespräch nicht in die Augen schauen
können? Vielleicht haben sie es mit der Wahrheit in dem Moment nicht so ganz
genau genommen.
Oder die
Fraktion, die dir mit verschränkten Armen gegenübersitzt. Diese Menschen möchten
sich dir nicht öffnen und sie fühlen sich in der Situation nicht wirklich wohl
in ihrer Haut.
Interessant
ist natürlich auch die Kleidung. Die kann genauso Aufschluss über einen
Menschen geben: Maßanzug oder Jeans, Perlenkette oder Kreuzanhänger. Alles gibt
uns Einblicke bezüglich des Menschen.
Oder dort,
die junge Frau, die in einem erfrischend
gelben Minikleid direkt auf mich zusteuert. Was sagt die Farbwahl wohl über sie
aus? Das es sich um eine mutige junge Frau handelt, zum Beispiel, und das es
sich … Moment … um meine Tochter handelt.
Abrupt
springe ich von meinem Stuhl auf, um sie in meine Arme zu schließen. Jetzt kann
das Mutter-Tochter-Wochenende beginnen!
© Martina
Pfannenschmidt, 2022
Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.
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Ich stimme dir zu, liebe Martina, Leute zu beobachten kann sehr lehrreich sein, besonders für uns Schreiberlinge, denn beim Beobachten kommen einem doch eine Menge Ideen für eine Geschichte, da ist unserer Fantasie keine Grenze gesetzt.
AntwortenLöschenIn dem Wort "beobachten" steckt ja auch das Wort "achten", es ist also gar nicht so negativ, wie man es im ersten Moment vermutet, nicht wahr?
Liebe Grüße und danke für die Gedankenimpulse heute
Regina
Liebe Regina, mache könnten denken, man ist neugierig! ;-) - Aber nein, wir be- 'achten'. - Sehr schön! Danke für deinen Besuch und den lieben Kommentar! Martina
LöschenMenschen beobachten, entschleunigt und übt Achtsamkeit, das stimmt. Wir sollten viel achtsamer sein.
AntwortenLöschenLG Elke
Hallo Elke! Dank dir für deinen Besuch! - Manchmal denke ich, 'Achtsamkeit' könnte ein Schulfach der Zukunft werden. - LG Martina
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