Samstag, 22. Mai 2021

Kontakt-Börse

Karin schlenderte durch die Stadt und freute sich darüber, noch einen Platz im Außenbereich eines kleinen Cafés erwischt zu haben. Wie immer, so blieb auch heute der Platz ihr gegenüber frei.

Aber irgendwie hatte sie sich an diesen Zustand gewöhnt. Schließlich lag die Trennung von ihrem Mann schon zwei Jahre zurück.

Sie war durchaus angekommen in ihrem neuen Leben, hatte sich eine schnuckelige kleine Wohnung gesucht und nach ihrem Geschmack eingerichtet.

Hin und wieder schaute Max, ihr Sohn, vorbei. Auch zu ihrem Exmann bestand noch Kontakt, wenn auch nur sehr sporadisch. Aber wenigstens hatten sie es geschafft, Freunde zu bleiben.

„Was darf es sein?“, fragte plötzlich die Bedienung neben ihr.

Karin war so in Gedanken gewesen, dass sie die junge Frau gar nicht hatte kommen hören.

„Einen Cappuccino mit Sahne bitte!“

Karin stand zu ihren Rundungen und genoss das Leben. Und dazu gehörten auch hin und wieder ein Eis oder ein Cappuccino mit Sahne.

„Hey, was machst du denn hier?“, wurde sie in dem Moment unerwartet von Ute, ihrer besten Freundin, angesprochen.

„Einen Cappuccino trinken“, antwortete Karin lächelnd.

Ute ließ sich auf den Platz gegenüber fallen. „Du, viel Zeit habe ich zwar nicht“, meinte sie mit einem Blick auf ihre Armbanduhr, „aber es trifft sich ausgezeichnet, dass ich dich hier treffe. Ich habe da nämlich etwas für dich.“

Schon griff Ute in ihre Handtasche und kramte eine aus einer Zeitung gerissene Seite hervor.

„Schau mal, eine Kontaktbörse für Senioren.“

„Ute, was soll der Quatsch. Ich suche keinen Mann.“

„Ja, ja, das weiß ich doch. Du wirst ja nicht müde, das zu behaupten. Aber ich sage dir, es wäre schöner für dich, wenn es da wieder einen Partner an deiner Seite gäbe. Lass uns doch wenigstens mal schauen, was so im Angebot ist.“

„Na, wie das schon klingt. Ich suche keinen Mann, der ‚angeboten‘ wird.“

„Na los, nun sei kein Spielverderber. Wenigstens schauen könntest du doch mal. Und dann triffst du dich vielleicht mit jemandem und wenn es nichts ist, ist es auch gut. Aber vielleicht wartet ja die große Liebe auf dich.“

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht!“

Die Bedienung servierte den Cappuccino und nahm Utes Kaffeebestellung entgegen.

„Wie gesagt, viel Zeit habe ich nicht, aber für einen Kaffee und einen Plausch mit dir reicht es allemal. Also hör mal zu, was hier steht: ‚70jähriger bietet warmherziger Partnerin Schulter zum Anlehnen!‘ Das klingt doch super, findest du nicht?“

„Ute, bitte, ich suche keine Schulter zum Anlehnen. Ich stehe mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Also an die Schulter darf sich gerne eine andere lehnen.“

„Na gut, schauen wir weiter. Pass auf: ‚Lust am Spiel‘?“

„Nun ist aber gut. Wer weiß, was der für Spielchen meint. Nein, nein, den will ich auf gar keinen Fall treffen.“

Ute freute sich zu hören, dass Karin wenigstens in Erwägung zog, einen Mann zu treffen. Wenn auch nicht diesen. Aber die Seite war ja voll mit netten Anzeigen:

„Lebensfroher Naturliebhaber mit flottem Auto sucht …“

„Niemals“, fiel Karin ihrer Freundin ins Wort. „Allein das Wort ‚Naturliebhaber‘ sagt doch schon, dass es sich um einen Langweiler handelt.“

„Du bist aber auch wählerisch. Aber nun gut. Wir werden schon den richtigen für dich herausfischen.

„Schau nicht nach unten, dann siehst du die Sterne nicht!“

„Steht das da etwa?“

„Natürlich steht das hier. Sonst würde ich es dir ja nicht vorlesen.“

„Vergiss es. Das ist mir zu schmalzig. Ich brauche auch niemanden, der mir die Sterne zeigt. Wenn überhaupt, hätte ich gerne einen gestandenen Mann so ganz ohne Firlefanz.“

„Na, dann suchen wir einfach weiter. Was hältst du denn hiervon: ‚Händchenhaltend durchs Leben gehen‘ …“

„Ich bekomme gleich einen Schreikrampf. Auf gaaaar keinen Fall!“

„Aber jetzt, pass mal auf, Karin. Das wird dich umhauen: ‚Grauer Wolf mit Herz und Humor, an Kunst und Musik interessiert, sucht lebensfrohe Partnerin‘.“

Ute wartete auf Karins Reaktion. Aber die kam nicht.

„Was ist los? Hat es dir die Sprache verschlagen?“, wollte Ute wissen.

Karin nippte an ihrem Cappuccino und ließ Ute wissen, dass das die erste Anzeige sei, die sie nett fände.

„Nett, soso.“

Ute griff wieder in ihre Handtasche und holte einen Kuli heraus, mit dem sie besagte Anzeige dick umrandete.

„So, einen hätten wir im Sack. Aber wir können ja noch weiter schauen. Was hältst du hiervon: ‚Gepflegter Er, 68, sucht Sie, die wieder Schwung in sein Herz und Haus bringt.‘“

„Das kannst du voll vergessen. Der sucht doch nur eine Putzfrau und nichts anderes.“

„Da könntest du recht haben“, erwiderte Ute und meinte mit einem weiteren Blick auf die Uhr, „schade, dass ich weg muss, aber vielleicht finden wir ja noch eine Anzeige, die dir gefällt, bevor ich gehen muss.“

„Ich weiß, du meinst es gut, Ute, aber wirklich, lass es gut sein. Ich bin echt nicht auf der Suche. Entweder das Glück kommt irgendwann von selbst auf mich zu oder ich lasse es.“

„Pass auf, ich lasse dir die Seite hier. Vielleicht überlegst du es dir ja noch anders.“

Ute verabschiedete sich und verschwand bald darauf im Getümmel der Einkaufsstraße.

„Entschuldigen Sie bitte“, wurde Karin bald darauf überraschend von einem Herrn am Nachbartisch angesprochen. „Ich habe unfreiwillig das Gespräch mit ihrer Freundin mitbekommen. Die will Sie wohl verkuppeln.“

Karin errötete verlegen. Ute sprach aber auch immer so laut. Bestimmt hatten auch noch andere ihr Gespräch mitbekommen.

„Also“, fuhr der Mann fort, „ich bin zwar nicht besagter ‚grauer Wolf‘ aus der Anzeige, aber wie Sie unschwer erkennen können, könnte ich es sein.“

Karin schmunzelte.

„Kann ich Sie vielleicht zu einem Stückchen Kuchen überreden?“

Er konnte und er durfte – bleiben.

  © Martina Pfannenschmidt, 2021

 

Ich hoffe, euch hat das Lesen der Geschichte genau so viel Freude bereitet, wie mir das Schreiben – 

und damit wünsche ich euch allen 

ein frohes Pfingstfest.

Die nächste Reizwörter-Geschichte wird am 

30. Mai erscheinen.

 

 

 

Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.

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4 Kommentare:

  1. So könnte es sein, das Schicksal legt die Karten, jedenfalls in dieser Beziehung. Der Phantasie sind bei dieser Geschichte keine Grenzen gesetzt.
    Liebe Grüsse zu Dir, Klärchen

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    1. Ach wie schön, dass du dich zu Wort meldest. - Das ist ja das Großartige an Geschichten. Darin ist alles möglich und nichts unmöglich und immer kann es gut ausgehen. (Fast wie im wahren Leben.) :-))) LG Martina

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  2. Klingt fast wie im Märchen, Du hast Dir schöne Anzeigen ausgedacht. Gott-sei-Dank steht nichts von "ohne Altlasten" drin ;.)). Liebe Grüße von Christine

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    1. Ach Mensch, schade! Das mit 'ohne Altlasten' ist mir gar nicht eingefallen. Lach! :-))))
      Danke dir für deinen Besuch und dafür, dass du einen Kommentar hinterlassen hast! LG Martina

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