Reizwörter: Märchen, Reise, vergnügt, erschrecken, erleichtert
Lest bitte auch bei Lore und Regina, welche Geschichten sie zu den obigen Reizwörtern geschrieben haben.
Katrin kam nach dem Joggen direkt zu Oma in die Küche. Zielsicher öffnete sie eine Schranktür und angelte nach einem Wasserglas, das sie sogleich unter den Wasserhahn hielt. In einem Zug trank Katrin das Glas leer.
„Nicht so hastig, junge Frau“,
ermahnte Oma ihre Enkelin und fügte grinsend hinzu, „sonst bekommst du noch
Läuse in den Bauch.“
„Ach Oma, du kannst mich
damit nicht erschrecken. Das ist
doch bestimmt wieder so ein Märchen
von früher. Gib es zu!“
„Ja, stimmt, mir wurde das
wirklich so erzählt und regelrecht eingebläut.“
„Aber woher kam denn dieser
Mythos?“, fragte Katrin interessiert.
„Nun, ich denke, dass es
daran lag, dass jeder in unserem kleinen Dorf seinen eigenen Hausbrunnen hatte und
der Zustand des Wassers nicht so oft überprüft wurde. Da konnte es durchaus mal
vorkommen, dass sich darin Bakterien befanden, die Bauchschmerzen und Durchfall
verursachten.“
„Ach so, okay! Aber heute ist
es sauber und rein!“, erwiderte Katrin vergnügt
und erleichtert zugleich.
„Darauf hoffen wir jedenfalls“,
meinte Oma durchaus skeptisch.
Oma und Enkelin unternahmen gedanklich
so manche Reise zurück in die
Vergangenheit. Das blieb gar nicht aus, da Oma sehr gerne von früher erzählte
und Katrin ebenso gerne zuhörte.
In diesem Moment fiel ihr
etwas ein, dass sich vor einigen Jahren zugetragen hatte: „Ich weiß noch ganz
genau“, erzählte sie, „dass Mama mit dir geschimpft hat, weil du mich ermahnt
hast, ich solle ja mein Kaugummi nicht herunter schlucken …“
und Oma beendete den Satz: „…
damit der Bauch nicht zusammen klebt.“
„Genau das hast du mir
erzählt …“
„…, na weil es mir auch so gesagt
wurde“, fiel Oma ihr ins Wort, „aber zum Glück stimmt das nicht, sonst wären
wohl sehr viele Bäuche auf dieser Welt verklebt.“
„Warte mal“, fuhr Katrin
fort, „mir fällt bestimmt noch etwas ein, was ich von dir gehört habe.“
Sie kramte ein wenig in ihren
Erinnerungen und siehe da, schon war ihr eine weitere Situation aus Kindertagen
präsent.
„Ich erinnere mich noch genau,
dass Mama mir immer ein schönes buntes Pflaster auf eine Wunde geklebt hat. Du
hast aber immer behauptet, dass Luft an die Wunde muss.“
„Na, stimmt das etwa auch nicht?“,
fragte Oma entsetzt.
„Nee, Omilein, Wunden sollten
desinfiziert und mit einem Pflaster verklebt werden. Erst wenn sie trocken ist,
ist das Pflaster überflüssig – aber ab dann hilft Luft in jedem Fall“, meinte
Katrin verschmitzt.
„Ach weißt du Kind, wir haben
es früher anders gemacht und es hat uns auch nicht geschadet. Aber du wirst
schon recht haben mit dem, was du sagst.“
„Omi, du musst jetzt ganz
stark sein“, flachste Katrin, „es gibt da nämlich noch so einen Ratschlag, den
heute niemand mehr beherzigt.“
„Und der wäre?“, fragte Oma
nach.
„Was hast du mir geraten,
wenn ich Nasenbluten hatte?“
„Dass du den Kopf in den
Nacken legen sollst“, erwiderte Oma umgehend.
„Genau – und das ist aus
heutiger Sicht auch nicht richtig. Man soll den Kopf nämlich nach vorne beugen
und ein kaltes Tuch in den Nacken legen.“
„O Mann, o Mann! Dann stimmt
es wohl auch nicht, dass Senf dumm macht, was?“, fragte Oma schelmisch und
beide mussten lachen.
„Weißt du, was meine Oma in
diesem Fall gesagt hätte? ‚Meine Zeit‘, hätte sie gesagt. Sie sagte immer:
‚Meine Zeit‘! Und oft fiel bei ihr auch der Satz: Man darf ruhig dumm sein, man
muss sich nur zu helfen wissen.“
„O ja, den Spruch kenne ich
auch“, erwiderte Katrin und freute sich diebisch, als ihr eine weitere
Erinnerung kam.
„Mir fällt noch etwas ein,
was du immer gesagt hast, nämlich immer dann, wenn ich absichtlich geschielt
habe. Dann warst du ganz besorgt und hast gesagt: Lass dass mal lieber, sonst
bleiben deine Augen noch so stehen.“
„Ich gebe es zu. Auch das
habe ich gesagt.“
„Siehste. Ich kann mich noch
gut erinnern.“
„Ach Kind, du musst bedenken,
wie viele Jahrzehnte zwischen deiner und meiner Jugend liegen. Es ist ja kaum
noch etwas übrig geblieben von früher. Aber manche Dinge waren damals schöner
als heute.“
„Na, da bin ich ja mal
gespannt, welche das sein sollen.“
„Nun, ich denke da zum
Beispiel an Liebesbriefe. Heute schreibt doch niemand mehr einen Liebesbrief,
dabei ist es so romantisch und anrührend, zu lesen, wenn ein anderer Mensch dir
seine Gefühle offenbart.“
„Och“, meinte Katrin, „das
gibt es heute immer noch.“
„Wirklich?“, fragte Oma
erwartungsvoll.
„Na klar, pass auf, ich
beweise es dir.“
Katrin kramte in ihrer Gürteltasche
und zog ihr Smartphone heraus. Sie suchte nach dem Namen ihres Freundes und
hielt Oma das Handy breit grinsend unter die Nase.
Es waren gerade mal 3 Wörter,
die Oma dort zu lesen bekam:
Du – Ich – läuft!
Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.
Ein kleiner Hinweis:
Guten Morgen liebe Martina,
AntwortenLöschendanke für deine Reizwortgeschichte, da wurden auch bei mir so einige Erinnerungen wach, fast alles wurde mir auch so vermittelt und hat sich später als "falsch" herausgestellt.
Der letzte Satz ist der Burner in der Geschichte und lässt mich vergnügt zurück, besten Dank und liebe Grüße zu dir
Regina
Danke für deinen Besuch, liebe Regina! Ja, nicht nur die Zeit hat sich gewandelt, sondern mit ihr Erkenntnisse, die Technik und die Sprache.
LöschenLiebe und momentan sogar sonnige Grüße! Martina
Liebe Martina, auch in Sachsen wurden mir solche Sprüche gesagt. Erinnert hat Freude gemacht. Danke dafür und ähnliches im Handy schreibt man in Bayern:"Passt schon!"
AntwortenLöschenLiebe Monika, manchmal bedarf es nur einer Kleinigkeit, ein Wort vielleicht, ein Gedanke, und man ist wieder in der Kindheit und hängt Erinnerungen nach. Das hin und wieder zu tun ist einfach schön. Danke dir für deinen Besuch und den lieben Kommentar. Ja: Passt schon! :-) - LG Martina
Löschen😂😂Ich-Du-läuft, das ist unheimlich romantisch. Wenn ich da an die Briefe Goethes an seine geliebte Charlotte denke, ist das schon was anderes. Bekäme eine junge Frau heute so einen Brief, würde sie denken, ihr Freund ist übergeschnappt.
AntwortenLöschenLG Elke
Oh ja, aber denk mal anders herum. Stell dir vor, was Charlotte über 'ihren Goethe' gedacht hätte. :-))) - LG und Danke für deinen Besuch! Martina
LöschenEine reizende Geschichte, die ich mit Begeisterung gelesen habe. Den Kaugummi nicht herunterschlucken... hach, wie herrlich - was mich unweigerlich an meine eigene Kindheit erinnert. Eine wunderbare Aktion, finde ich. Toll!
AntwortenLöschenLiebe Grüße von Heidrun
Liebe Heidrun, ich freue mich sehr, dass du bei mir gelesen und einen Kommentar hinterlassen hast. - Ich glaube, wir 'kennen' uns noch durch meinen früheren Blog 'Klümpchen für die Seele'. - Wie schön, dass wir wieder einmal voneinander hören. - Ich wünsche dir ein frohes Pfingstfest und schicke liebe Grüße zu dir! Martina
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