Die heutige Geschichte geht mit folgenden Reizwörtern an den Start:
Fingerhut, Libellenflügel, plumpsen, durchnässt, wuschelig
Übrigens auch bei Regina und Lore! :-)
Nachdem Jana und Ben
gemeinsam das Mittagessen eingenommen hatten, ging Jana in den Garten, um sich
ein wenig auszuruhen.
Sie zog einen Liegestuhl in
die Sonne und ließ sich hinein plumpsen.
Sie war wirklich schwerfällig geworden in den letzten Tagen.
Ihr Blick fiel auf das Beet,
in dem üppig der Fingerhut in
den schönsten Farben blühte.
Oh, eine Libelle. Jana hatte lange keine mehr gesehen. Moment mal,
wie war das noch? Können Libellen stechen? Nein, sie glaubte nicht. Das war
wohl ein weit verbreiteter Irrglaube.
Sie beobachtete das Tier eine
Weile und konnte genau die vielen feinen Äderchen in den Libellenflügeln
erkennen und auch, dass das Tier seine vier Flügel unterschiedlich bewegen
konnte.
Bsssss - eine dicke Hummel
verscheuchte die Libelle und ein Lächeln umspielte Janas Lippen.
Immer wenn sie eine Hummel
sah, musste sie unweigerlich an ihre Oma denken, die diese Tiere in ihrer
plattdeutschen Sprache liebevoll ‚Plüschmors‘ genannt hatte.
‚Ach Omilein‘, dachte sie,
‚schade, dass du jetzt nicht bei mir bist. Ich hätte dir so viel zu erzählen. -
Aber sag, warst du das vielleicht, die von ‚dort oben‘, meinen Weg in dieses
verschlafene Nest geführt hat?‘
Janas Gedanken gingen zurück zu
der Zeit, als sie noch in einer großen Bank in der großen Stadt gearbeitet
hatte. Sie wollte damals über ein verlängertes Wochenende zu ihrem Freund
fahren, der einige Hundert Kilometer entfernt wohnte. Doch wie heißt es so
schön: erstens kommt es anders, als man zweitens denkt.
Sie war sehr spät vom Büro
nach Hause gekommen, hatte schnell noch ein paar Sachen in ihre Reisetasche geworfen
und war in ihr kleines Auto gestiegen. Schon die ersten Verkehrsmeldungen hatten
vermuten lassen, dass einiges auf der vor ihr liegenden Strecke los sein würde.
Aber das stellte sich später als das kleinere Übel heraus.
Viel schlimmer war nämlich
ein aufziehendes starkes Gewitter gewesen. Jana hasste Gewitter. ‚Danke Oma!‘,
dachte sie in diesem Moment, denn es war klar, von wem sie diese Angst geerbt
hatte.
Jana war zwar bewusst
gewesen, dass sie in ihrem kleinen Auto sehr sicher war, doch sie war ebenso
sicher gewesen, dass sie sich in einem Haus geschützter gefühlt hätte. Deshalb
war sie kurzerhand die nächste Abfahrt herunter gefahren und in einem Ort
gelandet, von dem sie niemals zuvor gehört hatte.
Sie war auf der Suche nach
einem Lokal oder einer Gaststätte durch den Ort gefahren. Ihr Plan
war gewesen, dort irgendwo einzukehren, etwas zu essen und das Ende des Gewitters abzuwarten,
um danach ihren Weg fortzusetzen. Doch erstens …
Weil sie weder ein Lokal noch
eine Kneipe hatte finden können, hatte sie entschieden, an den Straßenrand zu
fahren, sich im Auto ganz klein zu machen und abzuwarten, während grelle Blitze
am Himmel zuckten und grollende Donner ihr Auto zum Beben brachten.
Sie hörte bei ihrem
gedanklichen Rückblick noch heute, wie jemand laut „Wolke, komm zurück“,
gerufen hatte. Doch Wolke war nicht zurückgekommen, sondern hatte lautstark bellend
an ihrem Auto verharrt.
Es hatte gar nicht lange
gedauert, bis ein völlig durchnässter
junger Mann neben besagter Wolke und hinter ihrer Autoscheibe aufgetaucht war.
„Entschuldigung“, hatte er,
pitschnass wie er war, gesagt, „ich weiß auch nicht, was in meinen Hund
gefahren ist. Eigentlich ist er gut erzogen.“
Sie musste erbärmlich
ausgesehen haben, hinter ihrem Steuer, da der Mann sich nach ihrem Befinden erkundigt
hatte.
Während er pudelnass neben
ihr im strömenden Regen gestanden hatte, hatte sie ihm kurz ihre Situation geschildert
und eine Minute später in seiner warmen Küche bei einer Tasse Tee gesessen.
Sie war in dieser Nacht nicht
mehr zu ihrem Freund gefahren. Sie war überhaupt nicht mehr zu ihrem Freund
gefahren, sondern hier geblieben. Bei Ben, ihrer großen Liebe.
Wie sollte sie das nennen?
Zufall? Schicksal? Fügung?
Jetzt, wo sie so darüber
nachsann, fragte sie sich, ob es einen vorgezeichneten Plan gibt, und ob sich
jedes Ereignis im Leben nach diesem Plan richten muss. Doch wer legt ihn fest, ohne
dass wir eine Wahl hätten?
Aber so war es ja nicht. Sie
hatte ja schon eine Wahl gehabt. Sie hätte ja wählen können, ihre Fahrt auf der
Autobahn fortzusetzen oder spätestens nach Ende des Gewitters hätte sie sich
auf den Weg machen können. Doch sie hatte anders entschieden. Demnach war doch
sie es, die Entscheidungen getroffen hatte. Oder nicht?
Eine wuschelige kleine Wolke kam bellend zu ihr in den Garten
gerannt.
Jana hatte sie vom ersten
Moment an in ihr Herz geschlossen.
Ja und einen Mann, der seinen
Hund ‚Wolke‘ nennt, den konnte man doch auch einfach nur in sein Herz schließen
und lieben.
Der Hund nahm kurz Anlauf und
landete direkt auf ihren Beinen.
„Du, sei mal ein bisschen
vorsichtiger“, mahnte sie den kleinen Vierbeiner, der nicht ganz unschuldig an
ihrer heutigen Lebenssituation war.
„Was meinst du, Wolke, ob
unser kleines Mädchen, das mich gerade mächtig boxt, mit einem Lebensplan auf
die Welt kommt?“
Sie strich beruhigend über
ihren Bauch und musste schmunzeln, weil Wolke ihr mit schräg gelegtem Kopf aufmerksam
zuhörte.
Noch vier Wochen, dann wären
sie zu viert! Ben, sie, der Hund und das Baby. Eine richtige Familie.
„Weißt du“, vertraute sie dem
Tier an, „man erzählt sich in manchen Gegenden dieser Welt, dass man von den
kleinen Fußsohlen der Babys ihren Lebensplan ablesen kann.“
Wolke gab kurz einen Laut von
sich.
„Und, was soll das jetzt
heißen? Stimmt oder stimmt nicht? – Egal, ich glaube, wir zwei werden diese
philosophische Frage heute nicht mehr klären können. Von daher lass uns noch
ein paar Minuten in aller Ruhe hier liegen und uns ausruhen. Es wird noch anstrengend
genug werden, wenn die Kleine erst da ist, oder was denkst du?“
„Wuff!“, ließ Wolke vernehmen
und legte vorsichtig sein Köpfchen auf Janas Kugelbauch.
© Martina Pfannenschmidt, 2021
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Guten Morgen liebe Martina,
AntwortenLöschendas ist so eine richtig schöne Geschichte für einen sonnigen Sonntagmorgen. Ich hatte Freude beim Lesen und am meisten habe ich mich über ein "für mich" neues Wort gefreut, Plüschmor, herrlich!
Herzlich Grüße
Regina
Danke, liebe Regina! Ich habe gerade Lores Geschichte gelesen und gestaunt. Auch bei ihr spielt ein Hund eine 'tragende Rolle' als Vermittler. Was für ein Zufall! - Hab einen ganz schönen und sonnigen Sonntag! Martina
LöschenLiebe Martina,
AntwortenLöschendu hast diese Geschichte wieder sehr schön geschrieben. Wolke ist ein süßer Name für den Hund, hab ihn mir mit lockigem Wuschelhaar vorgestellt.:)
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag und eine erfreuliche,neue Woche.
Gruß Helga
Ja genau, ein weißer Hund mit lockigem Wuschelhaar. Genau das ist 'meine' Wolke. Lach! - Danke dir für deinen Besuch und den lieben Kommentar. Ich wünsche auch dir eine glückliche Woche mit viel Sonnenschein! LG Martina
LöschenWas für eine schöne Geschichte, die Dir eingefallen ist und die das Leben tatsächlich schreiben könnte. Danke für das Verlinken!
AntwortenLöschenLG Elke
Ja, das Leben selbst schreibt oft die kuriosesten Geschichten. Danke, liebe Elke, für Besuch und Kommentar. LG Martina
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