Gerade habe ich mich von meiner besten Freundin verabschiedet und nun schwinge ich mich auf mein Rad, um vom Freibad aus den Weg nach Hause anzutreten. Das Gute daran ist, dass ich dabei am Haus meiner Großeltern vorbei komme, die einen tollen großen Garten ihr Eigen nennen.
Zu dieser Jahreszeit gibt es
dort immer etwas Leckeres zu naschen und mit ganz viel Glück darf ich nicht nur
Himbeeren und Kirschen probieren, sondern bekomme auch noch ein Eis spendiert.
Mal schauen.
Die Aussicht darauf lässt
mich ein wenig schneller in die Pedalen treten, doch dann geschieht es. Von
links überquert eine schwarze Katze die Fahrbahn und läuft mir fast ins Rad.
Gott sei Dank kann ich noch rechtzeitig bremsen. Es ist nichts passiert – der Katze
nicht und auch mir nicht, doch ich merke, dass mir ein kleiner Schock in den
Gliedern sitzt. Schließlich kam die Katze von links und sie war pechschwarz.
Sagt man nicht, dass das Unglück bringt?
Eine Weile später gehe ich
zielsicher in den Garten meiner Großeltern. Ich weiß, dass ich meine Großmutter
dort antreffen werde. Im Sommer und bei Sonnenschein lebt sie quasi draußen in
ihrem Garten.
„Hi, Oma!“, rufe ich, als ich
sie beim Himbeerpflücken entdecke und füge an: „Lass für mich noch welche übrig!“
Oma lacht. „Es sind noch
genug da. Keine Angst.“
In diesem Moment ist die
erste Beere bereits in meinem Mund verschwunden. Hmmm. So lecker! Da stopfe ich
gleich noch ein paar mehr hinein.
„Kommst du aus dem Freibad?“,
erkundigt sich Oma.
Ich kann nur nicken, weil
mein Mund so vollgestopft ist mit den leckeren Beeren.
„Du Oma“, erzähle ich, als es
mir wieder möglich ist, zu sprechen, „vorhin ist mir fast eine Katze ins Rad gelaufen.“.
Weiter komme ich nicht, weil
sich Oma sofort Sorgen macht und an mir herauf und herunter schaut, ob sie
irgendwo einen blauen Fleck oder Abschürfungen entdeckt.
„Nein Oma, es ist mir nichts passiert“, beruhige ich sie, „und auch der Katze nicht, ich mache mir nur
Sorgen, weil sie schwarz war und von links kam.“
Oma schlägt mit einer Hand
vor ihre Stirn: „Das glaube ich jetzt nicht! Sag nicht, dass du abergläubisch
bist!“
„Nein!“, erwidere ich
vehement. „Natürlich nicht! Aber vielleicht kannst du mir erzählen, woher
dieser Glaube kommt.“
„In der Tat habe ich darüber
mal etwas gelesen“, meint Oma und kramt offenbar in ihrem Gedächtnis, um zu
schauen, was davon noch hängen geblieben ist. „Ganz sicher weiß ich, dass
schwarz für Macht steht und eine Katze für Weiblichkeit. Es war wohl in
früheren Zeiten die Angst vor der Macht der Frauen, dass es zu diesem
Aberglauben kam. Es gab ja leider Zeiten, in denen Frauen als böse,
minderwertig und unrein gebrandmarkt wurden. So wurden Ängste geschürt, die zur
Folge hatten, dass es ein schlechtes Omen sei, wenn eine schwarze Katze den Weg
kreuzt oder wenn ein Freitag auf einen 13. fällt.“
„Puh, bin ich froh, dass ich
heute lebe“, rufe ich ehrlich aus.
„Übrigens gibt es diesen
Aberglauben mit der schwarzen Katze nicht überall“, führt Oma weiter aus. „Im
alten Ägypten galten sie sogar als heilige Tiere.“
Von den Himbeeren habe ich
jetzt genug und gehe zielsicher zum Kirschbaum, an dem eine Leiter steht.
Behände gehe ich ein paar Stufen hoch, bis ich an die dunkelsten und süßesten
Kirschen heranreichen kann.
Oma stellt sich unten an die
Leiter und hält sie fest. So steht sie sicher und ich kann mich satt essen.
„Kennst du auch den Glauben,
dass es Unglück bringt, unter einer Leiter hindurch zu gehen?“, erkundigt sie
sich nach einer Weile.
„Klar, hab ich davon schon
gehört. Woher kommt das denn?“
„Vielleicht daher“, fährt Oma
fort, „dass man beim Durchschreiten einer Leiter zum Beispiel in Resonanz mit
negativen Erinnerungen kommt, wie beispielsweise einem Sturz aus der Höhe. Dann
wird man in diesem Moment natürlich mit seinen eigenen Ängsten, zu fallen,
konfrontiert.“
Oma macht eine kleine Pause,
in der ich mir zwei aneinander hängende Kirschen über meine Ohren hänge.
„Das hast du schon als
kleines Mädchen gemacht“, lacht Oma und macht mich darauf aufmerksam, dass sich
unter einer Leiter immer ein Dreieck bildet. „So eine Dreiecksform wie wir sie
beispielsweise von einer Pyramide kennen, ist sehr harmonisch. Doch unter einer
Leiter bildet sich ein unsymmetrisches Dreieck, von dem man sagt, dass es die
Menschen aus der Balance werfen kann.“
„Das klingt echt interessant“,
erwidere ich und erkundige mich, ob sie auch weiß, woher der Glaube kommt, dass
Scherben Glück bringen.
„Wenn etwas zerspringt“, sagt
sie daraufhin, „muss vorher eine hohe Spannung dagewesen sein. Glück bringt das
nun dadurch, dass diese Spannung durch das Zerspringen aufgelöst wird. Ein
weiterer Grund zeigt sich zum Beispiel bei einer Hochzeit. Man zerdeppert Porzellan,
um im übertragenen Sinn zu sagen: Das Paar muss alte Dinge loslassen, quasi ‚zerspringen
lassen‘, damit etwas Neues kommen kann.“
„Omilein“, sage ich, als ich von
der Leiter herunter steige, „ich habe mir im Bauch noch etwas Platz gelassen.“
„Ist schon klar“, entgegnet
sie und zerzaust mir mit einer Hand mein Haar, „und in diese Lücke hinein passt
sicher noch ein Eis!“
„Wie gut, dass du Gedanken
lesen kannst“, foppe ich sie und sie kontert: „Und wie gut, dass du ein
Sonntagskind bist, dass mehr Glück hat, als andere Menschen.“
„Ist das wirklich so?“, will
ich wissen.
„Ich weiß nicht genau“,
antwortet Oma, „aber wenn ich es mir recht überlege, so ist doch die Atmosphäre
an Sonntagen eine andere, als an Wochentagen. Vielleicht hat es damit zu tun.
An Sonntagen sind die Menschen in der Regel lockerer und besser drauf, als an
Wochentagen. Und wenn sich das auf den Säugling überträgt, dann nimmt er das
Leben vielleicht leichter und das trifft auf Sonntags- und Glückskinder, wie du
eins bist, ganz sicher zu.“
„Und noch glücklicher werde
ich sein“, sage ich und lasse mich bei meinen Worten auf einen bequemen Sessel
plumpsen, „wenn ich jetzt ein Eis bekomme.“
Martina Pfannenschmidt, 2020
Eine schöne erfrischende Geschichte am Abend, habe ich gern gelesen. Dabei habe ich festgestellt, das gut recherchiert und manches Sprichwort, das uns geläufig ist, einleuchtend erklärt wurde. Dabei bekomme ich Appetit auf meine Süsskirschen die ich heute gekauft habe, lieber wären sie mir auch direkt vom Baum.
AntwortenLöschenRundum Appetit gemacht auf mehr Geschichten von Dir und den anderen Geschichte- Schreiberinnen
Liebe Grüsse zu Dir spät am Abend, aber von Herzen, Klärchen
Appetit auf mehr Geschichten? Das klingt gut. Am 15. gibt es in jedem Fall die nächste (Reizwörter-)Geschichte! - Danke dir für den Besuch am Abend und liebe Grüße zu dir! Martina
LöschenGuten Morgen liebe Martina,
AntwortenLöscheneine wieder wudnerbare Geschichte hast Du geschrieben, herzlichen Dank dafür!
Ich wünsche Dir einen wundervollen Tag!
♥️ Allerliebste Grüße, Claudia ♥️
Guten Morgen, liebe Claudia, du bist immer die Erste am Morgen. Ich war nie so eine Frühaufsteherin wie du es bist. :-) - Danke für den Besuch samt Kommentar und liebe Grüße zu dir! Martina
LöschenDa hast ja gleich meherere abergläubischen Sprichwörter in einer schönen Geschichte erklärt, sehr gut. Da fällt mir ein, dass ich schon lange keines mehr davon beim Wort zum Montag hatte.
AntwortenLöschenLG Elke
Ja, mir kamen so ein paar Sprichwörter in den Sinn und dann kam schnell die Idee, sie in einer Geschichte zu verpacken. - Danke dir für Besuch und Kommentar! LG Martina
LöschenHallo liebe Martina,
AntwortenLöschenwas für eine schöne Geschichte, hat mir sehr gefallen!
Ganz liebe Grüße zu dir
Regina
Danke fürs Vorbeischauen. LG Martina
Löschenwie immer eine tolle Geschichte ;)
AntwortenLöschenund so ein bisschen Aberglauben hängt doch wohl in Jedem von uns drin
liebe Grüße
Rosi
Oh ja, das stimmt. Durch Eltern aufs Kind übertragen wird so mancher Aberglaube noch lange überleben. Und wer weiß es schon so genau, ob nicht DOCH etwas Wahrheit darin liegt. :-))) LG und dank dir für Besuch und Kommentar, liebe Rosi! Martina
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