Donnerstag, 30. September 2021

Wofür bist du dankbar?

 

Herbstlaub, Tanne, traurig, bunt, schnaufen

Diese Reizwörter findet ihr auch in den Geschichten von Lore und Regina.

Die Arme auf dem Rücken verschränkt schlendert der alte Pastor Huber durch den parkähnlichen Garten des Seniorenheimes. Das Herbstlaub raschelt dabei unter seinen Füßen und vom nahe gelegenen Kindergarten dringt das bunte Treiben der kleinen Knirpse an seine Ohren.

Für einen Moment bleibt er stehen und sein Blick wandert hoch zum Wald, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindet. Ein alter Lanz-Traktor bahnt sich schnaufend den Weg nach oben.

Die Tannen, die dort stehen, geben ein wahrlich trauriges Bild ab. Trocken und braun sind sie und werden sicher bald gefällt werden müssen, wie so viele andere vom Borkenkäfer befallene Bäume auch.

„Pastor Huber“, ruft Beate, die Pflegedienstleiterin, in diesem Augenblick, „möchten Sie nicht zu uns kommen? Wir basteln gerade eifrig an der Herbstdeko für unser Haus.“

„Doch, doch“, antwortet er und geht gemütlichen Schrittes in die Richtung, aus der er gerufen wurde.

An zwei zusammen geschobenen Tischen des hellen und freundlich eingerichteten Raumes sitzen einige seiner Mitbewohner und basteln eifrig. Die Frauen schneiden Fliegenpilze aus roter und weißer Pappe aus. Andere sind damit beschäftigt, mit ihren von Arthrose gezeichneten Fingern, Kränze aus Blättern zu binden. Und der Älteste in der Runde bastelt aus Tannenzapfen Hirsche.

Pastor Huber schmunzelt bei dem Gedanken, dass es im Kindergarten ein paar Häuser weiter ein ähnliches Bild geben wird. Ganz sicher wird auch dort für das Herbstfest gebastelt.

„Was möchten Sie denn fertigen?“, wird er von Beate gefragt. Der alte Pastor winkt ab. „Das ist gut gemeint. Danke! Aber ich schaue den anderen lieber nur zu. Ich bin nicht so geschickt in solchen Dingen“.

Nach einer Weile fragt er interessiert in die Runde hinein: „Wir feiern ja in einigen Tagen das Erntedankfest und mir kam der Gedanke, dass wir für so vieles dankbar sein können, nicht wahr?“

Allgemeines stummes Nicken.

„Wenn ich darüber nachdenke, wofür ich dankbar bin“, spricht er weiter, „so kommt einiges beisammen. Darf ich vielleicht mal die Frage in die Runde geben, wofür Sie dankbar sind?“

Das eifrige Werkeln wird kurz unterbrochen und die älteren Menschen besinnen sich.

Frau Meier ist die Erste, die antwortet: „Wissen Sie, die meisten von uns haben ja den Krieg mitgemacht. Einige wurden vertrieben. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass meinen Kindern diese Erfahrung erspart blieb.“

„Ich stimme Ihnen zu“, wirft nun der alte Herr Schröder ein, „wir haben sehr oft einen Grund, dankbar zu sein und wenn ich es mir recht überlege, kann ich sagen, dass ich dankbar dafür bin, dass mich mein Beruf erfüllt hat und für das Talent, Mundharmonika spielen zu können.“

Als Nächste spricht die kleine Frau Kluge: „Wenn Sie mich so fragen, Herr Pastor, bin ich dankbar für mein Leben.“

Frau Gruber, die früher als Lehrerin an der hiesigen Grundschule unterrichtete, erzählt davon, dass sie dankbar ist für all die Kinder, deren Lebensweg sie ein Stück mitgehen durfte, aber ganz besonders für ihre beiden eigenen Kinder. Nicht ohne Stolz sagt sie: „Ich bin wirklich dankbar, dass ich dieser Welt zwei wertvolle Menschen schenken durfte.“

Nun ist Frau Mertens an der Reihe. „Wissen Sie“, beginnt sie leise, „wenn ich in den Nachrichten die Bilder sehe von bewaffneten Soldaten, die in den Straßen vor zerstörten Häusern patrouillieren, dann bin ich dankbar, dass ich in einem Land leben darf, in dem ich frei und sicher leben kann.“

Beate, die Pflegedienstleiterin, ist ganz begeistert von all den Antworten der Senioren. „Also ich kann sagen, dass ich dankbar bin, so liebenswerte und gleichzeitig lebenserfahrene Menschen wie sie um mich zu haben“, sagt sich, „ich bin aber auch dankbar für einen freien Nachmittag, an dem ich mit einer Freundin in einem Eiscafé sitzen darf oder für einen gemütlichen Grillabend bei Freunden.“

Nun traut sich auch die ansonsten eher zurückhaltende Frau Kleine zu Wort: „Ich hoffe, es ist nicht vermessen, wenn ich sage, dass ich überhaupt ein dankbarer Mensch bin. Ich bin dankbar für die vielen kleinen alltäglichen Dinge, an denen ich mich erfreuen kann. Und ich bin dankbar, dass ich in meinem Alter noch so rüstig sein darf.“ Nach einer Gedankenpause fügt sie an: „Ich denke, dass dankbare Menschen allgemein zufriedener sind.“

„Wissen Sie was“, spricht Beate bald darauf den Pastor an, „wollen wir am Sonntag nicht eine kleine Dankfeier ausrichten? Wir könnten Danklieder singen und Herr Schröder könnte uns mit seiner Mundharmonika dabei unterstützen. Und vielleicht möchten Sie zum Thema Dankbarkeit eine kleine Ansprache halten. Was meinen Sie dazu?“

Als hätte der alte Pastor nur darauf gewartet, erhebt er sich schwungvoll wie ein junger Bursche von seinem Stuhl und macht sich unvermittelt auf den Weg in sein Zimmer und an die Arbeit.

Nun ist es auch für ihn an der Zeit, sein Talent auszuleben und Vorbereitungen zu treffen.

 

Und - wofür bist DU dankbar?

 

© Martina Pfannenschmidt, 2021


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4 Kommentare:

  1. Liebe Martina,
    das ist eine zu Herzen gehende Geschichte, vielen Dank dafür.
    Ich denke auch, dass Menschen, die dankbar sein können im Allgemeinen zufriedener sind als andere. Ich bin besonders dankbar für meine beiden Kinder und die Enkelkinder, die sie mir geschenkt haben. Das hält mich jung!
    Herzliche Grüße
    Regina

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    1. Danke, Regina! Ja, Kinder und Enkel sind ein großes Geschenk, das ich auch zu schätzen weiß und nicht missen möchte. - LG Martina

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  2. eine anrührende und nachdenklich machende Geschichte ..
    oft geht es in der Hektik und im Trubel unter
    und gerade junge Menschen machen sich da noch wenig Gedanken drüber
    sie nehmen erst mal alles als selbstverständlich
    doch wenn man älter wird merkt man doch die Einschränkungen
    und besinnt sich
    eigentlich ist jeder Tag ein Geschenk
    ich bin dankbar dass ich jeden morgen aufstehen kann ohne größere Probleme
    für die Familie.. auch wenn sie manchmal nervt ;)
    für die vielen kleinen Dinge die mir Freude schenken..
    so wie gerade deine Geschichte ;)

    liebe Grüße
    Rosi

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    1. Oh, liebe Rosi, dass ist ganz zauberhaft, dass du schreibst, dass dir meine Geschichte Freude bereitet hat. Danke dafür! - Siehst du, wieder etwas, wofür ICH dankbar bin! - Hab einen Tag voller Dankbarkeit und Freude! Martina

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