Reizwörter: Schatz, Kutsche, kratzen, maulen, steinreich
Auch bei Lore und Regina könnt ihr Geschichten mit diesen Reizwörtern lesen.
„Du, Opa …“, begann ich meine Frage, während ich bäuchlings auf dem Rasen lag und Ameisen bei ihrer Arbeit beobachtete.
„Jepp!“, kam bald darauf von
Opa aus Richtung Hollywoodschaukel
Ich mag meinen Opa sehr und
ich glaube, er mag mich auch sehr, denn für niemand anderen hätte er in diesem
Augenblick seine Zeitschrift aus der Hand gelegt. Nicht einmal für Oma.
„Du Opa“, wiederholte ich, „warum
arbeiten Ameisen eigentlich den ganzen Tag?“
Opa kratzte sich hinter dem rechten Ohr und antwortete: „Du,
frag sie doch?“
Was war das denn für ein
Vorschlag?
„Opa“, rief ich, „das sind
Ameisen!“
„Na und?“
„Nee, das ist mir zu blöd. Außerdem
verstehen die mich doch sowieso nicht.“
„So, und woher willst du das
wissen, du Schlaumeier, wenn du es nicht einmal versuchst?“
„Ich kann es mir einfach
nicht vorstellen“, antwortete ich etwas genervt.
„Siehst du, genau das ist das
Problem. Stell es dir doch einfach mal vor. Dann ist nämlich so einiges möglich“,
meinte Opa und erzählte gleich darauf weiter: „Weißt du, als ich so jung war
wie du jetzt, lag ich auch oft auf der Wiese. Aber anders herum.“ Opa machte mit
der rechten Hand eine kreisende Bewegung. „Also ich lag auf dem Rücken und
schaute Richtung Himmel. Ich habe es geliebt, in den Himmel zu schauen. Das
mache ich heute übrigens auch noch gerne. Ja und da kann man sich so allerhand
Spannendes ausmalen.“
„Und was soll das Spannendes
sein?“, maulte ich ein
bisschen herum, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, was dort oben Interessantes
zu sehen sein sollte, außer vielleicht einer Wolke oder einem Flugzeug – und
das sagte ich Opa auch.
„Wie, dort oben ist nichts
Interessantes zu sehen?“, fragte Opa daraufhin entsetzt zurück.
Dann erhob er sich und kam zu
mir auf den Rasen. Wir legten uns beide auf den Rücken und sahen in den Himmel.
„Aber schau dir doch nur
diese Wolke dort oben an“, bat er mich, „die hat doch einen Rüssel und vier
dicke Beine, einen großen Kopf und einen riesigen Körper. Das ist doch
eindeutig ein Elefant. Das sieht man doch ganz deutlich.“
„Hm“, machte ich, „mit ganz
viel Fantasie ist es vielleicht ein Elefant.“
„Die Jugend von heute“, schmunzelte
Opa, „euch fehlt es wirklich an Vorstellungsvermögen. Dabei ist es doch so aufregend,
was man alles mithilfe der Fantasie erleben kann.“
„Und was soll das bitte
Aufregendes sein?“, fragte ich, während ich gelangweilt die dicke Wolke
betrachtete.
„Pass auf, wir stellen uns
jetzt einfach mal vor, dass wir beide uns auf diesen Elefanten setzen und mit
ihm weiterziehen. Wo möchtest du denn mal hin?“
Ich antwortete nicht sogleich,
sondern überlegte zuerst. Schließlich hatte Opa mir gerade vorgeworfen, keine
Fantasie zu haben. Das wollte ich auf keinen Fall auf mir sitzen lassen.
„Wir könnten zu meiner Schule
fliegen“, antwortete ich verschmitzt, „und dann setzt sich der dicke Elefant
aufs Dach und macht die ganze Schule platt.“
Ich grinste breit und war auf
Opas Reaktion gespannt.
„Mensch Junge, du hast ja
doch Fantasie“, lachte er, „aber wie wäre es, wenn wir stattdessen in den
Orient reisen und Ali Baba beim Holzfällen beobachten oder zuschauen, wie es
ihm gelingt, eine vierzigköpfige Räuberbande zu bezwingen …“
Ich fiel Opa ins Wort: „… oh
ja, und dann holen wir uns den Schatz
aus der Felsenhöhle und kommen steinreich
zurück.“
„Siehste, mein Junge, geht
doch!“ Opa freute sich. „Du hast ja doch Fantasie. Aber schau nur, unser
Elefant ist gar nicht mehr da. Er hat sich in der Zwischenzeit verwandelt.“
Ich sah es auch ganz
deutlich. Die Wolke hatte sich zu einer prächtigen Kutsche gewandelt.
„Komm, Junge, wir ziehen uns
goldene Kleider an und schauen, wohin uns die Kutsche bringt.“
„Bestimmt bringt sie uns zu
einem Wolkenschloss“, rief ich eifrig.
Es dauerte auch nur eine
Sekunde und ich saß neben Opa in unserer prächtigen Wolkenkutsche. Wir rasten
nur so dahin, denn unsere Kutsche wurde von tausend Pferden gezogen. Die konnte
natürlich niemand sehen, außer mir. Nun, vielleicht mein Opa noch, aber sonst
niemand.
Wir waren so schnell unterwegs,
wie ein Überschallflugzeug und ich hielt mich auf der einen Seite an meinem Opa
und auf der anderen an einem goldenen Griff fest. Doch dann passierte es
dennoch. Ich konnte mich nicht mehr halten und fiel aus der Kutsche direkt auf
eine dicke weiße Wattewolke unter mir, die mich behutsam zurück nach Hause
brachte.
Ich sah von dort oben, dass Oma
aus dem Haus kam und leckere Himbeertorte auf den Tisch stellte. Deshalb bat
ich die Wolke, mich in Opas Garten abzusetzen. Schließlich ist es noch viel
besser, als in der Fantasie mit einer Kutsche zu reisen oder einen Schatz zu
heben, in der Wirklichkeit mit Oma und Opa zusammen Himbeertorte mit ganz viel
Schlagsahne zu essen.
Aber Moment einmal, Opa war
ja noch gar nicht zurück! Und dann sah ich ihn. Er saß immer noch hoch oben in
der Wolkenkutsche und winkte mir zu.
© Martina Pfannenschmidt, 2021
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Liebe Martina,
AntwortenLöschenhoffentlich fällt Opa nicht aus allen Wolken... So eine schöne Geschichte, ich mache das auch, lege mich ins Gras und schaue die Wolken an und meine Enkel gesellen sich gern dazu und fantasieren mit mir um die Wette. Schön ist das!
Deine Geschichte hat mir wieder total gut gefallen, danke schön und liebe Grüße
Regina
Puh, da bin ich aber ganz schön froh, dass du mir die Geschichte nicht 'vor der Nase weggeschnappt hast'. Lach! - Hab vielen Dank für deinen Kommentar, liebe Regina!
LöschenDas ist eine hübsche Geschichte. Danke für den Link! Mit Fantasie können sich Kinder auch ohne Spielzeug beschäftigen.
AntwortenLöschenLG Elke
Und in den allermeisten Fällen kommen sie mit einer Menge Fantasie im Gepäck hier auf der Erde an. :-) - Danke für deinen Besuch! LG Martina
Löschenhihi..
AntwortenLöschenich schau auch so gerne in die Wolken
und sehe da allerlei Gestalten ;)
wie schön..
liebe Grüße
Rosi
Das ist ein schönes 'Spiel' nicht wahr - und nicht nur für Kinder - lach!
LöschenOh, das mit dem Wolkengucken mache ich auch gern auf dem Balkon im Liegestuhl.
AntwortenLöschenJa , sogar mein schwarz/weisfarbener Marmor lässt mich so einiges entdecken, wenn ich dort verweilen muss.lach.
Übrigens sogar dieses Regenbogenbild in Lores Geschichte, schon bevor ich die Geschichte kannte.
Ich lese gern bei Dir, gefällt mir sehr gut, auch wenn ich nicht immer kommentiere. Herzliche Grüße von Monika
Vielen Dank, liebe Monika! Es ist schön zu wissen, dass du gerne bei mir liest - ich kenne das auch, man hat nicht immer Lust zu kommentieren - aber es erfreut immer. ;-) LG Martina
LöschenMarmorfliesen im Badfußboden
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