Montag, 16. März 2020

Manchmal ist es schön, sich zu erinnern

Reizwörter: Frühling, Luft, bunt, übermütig, glücklich

Wie immer findet ihr auch diesmal weitere Geschichten mit diesen Reizwörtern bei Regina und Lore!

Übermütig hüpfte Tine mit ihren quietschgelben Gummistiefeln an den Füßen über die Wiese hinter ihrem Haus.
Endlich, endlich hatte es aufgehört zu regnen und endlich war es so warm, dass sie weder eine dicke Jacke, noch eine Mütze oder gar Handschuhe benötigte.
Diesen Zustand genoss sie mit weit ausgebreiteten Armen, während sie sich tanzend im Kreis drehte.
Als sie ein paar Gänseblümchen auf der Wiese sah, blieb sie stehen, um sie zu zählen. Eins, zwei, drei … zehn! - Es waren tatsächlich zehn Gänseblümchen, die auf einer Fläche blühten, die so groß war wie ihre Schuhsohle.
Das fand Tine super, weil sie von Papa wusste, dass das ein deutliches Zeichen für den Frühling ist. Es müssen aber mindestens 10 Gänseblümchen auf dieser Fläche sein.
Ja, es war Frühling. Das war deutlich zu riechen, zu hören und vor allen Dingen zu sehen. Die Luft war mild und Tine atmete tief ein und wieder aus. Glücklich lief sie weiter, hin zu dem Beet, auf dem alles bunt zu blühen begonnen hatte.
Zwar konnte sie die Blumen nicht mit Namen benennen, aber das war gar nicht wichtig. Die Hauptsache war doch, dass sie blühten und vom Frühling erzählten.
Was Tine nicht bemerkte: Hilde, eine ältere Dame aus dem Nachbarhaus, saß an ihrem Küchenfenster und beobachtete sie.
Die ältere Frau freute sich über das ausgelassene Treiben der Kleinen und dachte an ihre eigene Kindheit zurück. Ihr kam in den Sinn, dass man früher weder ein Handy, noch ein Telefon benötigte, um sich zu verabreden. Man ging einfach nach draußen und da traf man auf alle Kinder, die in der Nachbarschaft wohnten.
Heute ist das anders. Es leben aber auch viel weniger Kinder hier und die etwas Älteren, die sieht man kaum noch im Garten und wenn, dann schauen sie garantiert auf ihr Handy. Sie würden wahrscheinlich nicht einmal bemerken, dass die Blumen wieder blühen, dachte Hilde.
Sie wusste, dass Tine inzwischen die vierte Klasse besuchte. Bald würde sie also die Schule wechseln und dann dauerte es nicht mehr lange, und sie bekäme ein Tablet, um darauf ihre Hausarbeiten zu erledigen. Das wusste Hilde von ihren eigenen schon fast erwachsenen Enkelkindern, dass es heute so ist.
Hilde schmunzelte. Sie hatte auch ein Tablett. Aber sie tippte nicht darauf herum, sondern sie brauchte es in der Küche für ihr Geschirr.
Es war für sie kaum vorstellbar, dass man heute Bücher auf einem Tablet liest oder gar Spiele spielt. Wie sehr sich die Welt verändert hat.
Sie war in ihren ersten zwei Schuljahren noch mit einer Schiefertafel zur Schule gegangen. Die Tafel wurde mit einem Griffel beschrieben und wenn sie vollgeschrieben war, kontrollierte die Klassenlehrerin es und die Schüler wischten alles mit einem feuchten Schwämmchen und einem trocknen Tuch wieder weg.
Ihre Mutter hatte ihr eingeschärft, sorgsam mit der Tafel umzugehen, da sie leicht kaputtgehen konnte. Ihre war aber heil geblieben.
Heute schüttelte sie den Kopf darüber. Eine Schiefertafel. Ob die Kinder überhaupt noch wussten, was das ist?
Eigentlich war Hilde eine moderne Frau und Oma, doch ihr bereitete der Anblick von Jugendlichen, die mit Stöpseln in den Ohren schweigend nebeneinander her liefen, schon ein bisschen Bauchweh.
Früher war gewiss nicht alles besser. Oh nein! Aber eines war besser: Man hat sich mehr miteinander unterhalten und es gab nicht so viel Langeweile, wie heute.
Klar, viele Kinder bedeuteten damals viele Spielkameraden und alle brachten Ideen mit oder man hat sich neue Spiele ausgedacht.
Dort, wo Hilde aufgewachsen war, hatte es eine Kiesgrube gegeben. Das war ein idealer Spielplatz gewesen. Aber auch der nahe gelegene Bach eignete sich hervorragend zum Spielen oder auch ein Rohbau. Manchmal versteckten sie sich auch einfach nur in den Gräben neben den Feldern.
Das alles würden die Eltern heute gar nicht mehr erlauben, dachte sie und auch nicht, dass die Kinder alleine in den Wald gehen, um Walderdbeeren, Heidelbeeren oder Pilze zu sammeln.
Allerdings muss man fairerweise sagen, dass es damals auch noch nicht so viele Autos gab und es gab auch keine Hinweisschilder, auf denen man lesen konnte: „Das Betreten des Rasens ist verboten!“ oder „Eltern haften für ihre Kinder!“
Hildes Gedanken gingen noch einmal zurück zu ihrer Schulzeit.
Damals saß man noch nach Geschlechtern aufgeteilt in der Klasse. Auf der einen Seite des Raumes die Jungs und auf der anderen die Mädchen. So war es früher wirklich und wenn der Lehrer den Raum betrat, stand man auf und begrüßte ihn freundlich.
Damals meldete man sich als Schüler noch gesittet und wenn man aufgerufen wurde, stand man auf, um seine Antwort zu geben. Wenn sie den neuzeitigen Filmen Glauben schenkte, dann lümmelten die Schüler heute auf ihren Stühlen herum und riefen oftmals die Antwort einfach in den Raum hinein.
Als Hilde ein Kind war, hatte es noch die Volksschule gegeben, die man im Alter von 14 Jahren verließ, um in den Beruf zu gehen.
Und eines war gewiss auch anders, als heute: Die Kinder gaben keine Widerworte, weil sie viel strenger erzogen worden waren, als das heute der Fall ist.
Aber leider gab es auch die Prügelstrafe. Nicht nur zu Hause, sondern auch in der Schule oder im kirchlichen Unterricht. Das alles ist heute Gott sei Dank vorbei.
Was auch anders war: Lebensmittel waren kaum in Plastik verpackt und vor allen Dingen wurden sie nicht achtlos weggeworfen.
Auch die Teller mussten immer leer gegessen werden. Egal, ob es schmeckte, oder nicht. Aber das war gewiss den schlechten Kriegszeiten geschuldet, in denen man froh war, wenn man überhaupt etwas zu essen hatte.
Als Hildes Blick wieder zu Tine schweifte, dachte sie über die Unterschiede in der Kleidung nach. Heute laufen die Mädchen meistens in Hosen herum. Das war früher auch anders. Da trugen sie Röcke oder Kleidchen. Manchmal sogar mit einer Schürze, um das gute Kleid zu schützen.
Eine ganz besondere Erinnerung kam Hilde in den Sinn, als sie an das bevorstehende Osterfest dachte. Dann durfte sie nämlich meistens zum ersten Mal im Jahr weiße Kniestrümpfe tragen. Das war etwas ganz Besonderes für sie gewesen.
Ja, die Zeiten ändern sich und man tut gut daran, nicht immer nur mit seinen Gedanken in der Vergangenheit zu verharren. Doch manchmal ist es einfach nur schön, sich zu erinnern.

© Martina Pfannenschmidt, 2020



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10 Kommentare:

  1. Guten Morgen liebste Martina,
    was für eine schöne Geschichte! Beim lesen kamen mir auch ganz viele Erinnerungen! Die weißen Sonntagsstrümpfe oder das Kittelschürzen überm Kleidchen ...da stelle ich immer wieder fest : was bin ich glücklich, daß ich eine so schöne und glückliche Kindheit erleben durfte!
    Ich wünsche Dir einen schönen und guten Tag!
    ♥️ Allerliebste Grüße und bleib gesund,Deine Claudia ♥️

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    1. ... und sie prägt unser ganzes Leben, wie ich finde. In der Kindheit wird doch schon viel 'angelegt', was uns im späteren Leben ausmacht. - Danke für deinen Besuch und den Kommentar und ganz liebe Grüße hin zu dir! Martina

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  2. hach
    was für eine feine Geschichte
    ja.. genau so habe ich es auch erlebt
    wie frei und ungezwungen sind wir doch groß geworden
    ich habe mittags die Gabel in den Teller gelegt.. schnell die Aufgaben gemacht..dann war ich bis abends verschwunden ;)
    meine Eltern hätten nicht mal gewußt wo ich bin ..
    alleine im Wald oder mit den anderen Kindern gespielt
    danke für die Erinnerungen
    liebe Grüße
    Rosi

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    1. Genau das sind auch meine Erinnerungen. Die wollte ich einfach nur mal mit euch teilen. - Sonnige Grüße! Martina

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  3. Was für schöne Erinnerungen da wach werden, liebe Martina! Genau so wie du es schreibst, war es auch bei uns!
    Danke für diese schöne Erinnerungsgeschichte!
    Herzliche Grüße
    Regina

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    1. Sehr gerne, liebe Regina! Unsere Kindheit war toll. Ich möchte sie auch nicht missen. - Liebe und sonnige Grüße! Martina

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  4. Martina was für eine tolle Geschichte, das Mädchen das sich so über den Frühling freut und dann die Erinnerungen der hilde, die auch meine sein könnten.
    Glücklich die Menschen, die eine schöne Erinnerung an ihre Kindheit haben.
    Ganz liebe Grüße, Lore

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    1. Das ist wohl wahr. - Wenn die Erinnerungen schön sind, erinnert man sich auch gerne. - Liebe Grüße! Martina

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  5. Ja genau, an manche Sachen kann ich mich noch ganz genau erinnern. Ich hoffe, ich kann eines Tages meinen Enkeln davon erzählen.
    LG Elke

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    1. Nächste Woche soll es ja richtig warm werden. Dann klappt das vielleicht mit den weißen Kniestrümpfen zu Ostern. :-)
      Danke für den Besuch und deinen Kommentar und LG
      Martina

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