Sonntag, 22. Dezember 2019

Engelflügel


Bonita, die Mäuse-Mama, fegte ein paar Krümel zusammen, die sich unter dem kleinen Tisch auf dem Boden befanden.
Opa Maus saß in seinem Schaukelstuhl und beobachtete seine drei Enkel, die auf den Namen Lumpi, Flip und Albina hörten.
Lumpi und Flip spielten mit Murmeln, während Albina etwas aufgeregt von einem Beinchen aufs andere sprang.
„Albina“, sprach Opa sie an, „du machst mich ganz verrückt mit deiner Zappelei. Setz dich und nimm ein Buch in die Hand.“
„Kann nicht, Opa, bin einfach zu aufgeregt!“
„Und weshalb bist du aufgeregt?“
„Na, weil bald Weihnachten ist und weil die Kinder gleich kommen und für das Krippenspiel üben.“
„Auch das noch!“, murrte Opa. „In jedem Jahr das gleiche Spiel. Und immer dieser Krach hier im Haus. Es sind ja nicht nur die lärmenden Kinder. Zu Weihnachten strömen ja auch all die erwachsenen Menschen in Scharen hier in mein Zuhause! Und dann das ständige Gebimmel!“
„Dann hättest du dir ein anderes Zuhause suchen müssen“, warf Bonita ein, „und nicht in einer Kirche Unterschlupf suchen dürfen.“
„Du weißt genau, weshalb wir hier sind!“, sagte Opa etwas schärfer, als er es wollte.
„Weshalb denn?“, hakte Albina nach.
„Na, weil die Menschen im Herbst einen großen Erntekranz in die Kirche tragen. Da fallen so viele Körner heraus, dass wir für den ganzen Winter ausgesorgt haben. Das weißt du doch. Und deshalb sind wir hier!“
„Ach so“, erwiderte die Kleine enttäuscht, „und ich dachte, wegen Weihnachten.“
„Du magst das Fest, nicht wahr, meine Kind?“, fragte Bonita warmherzig.
„Ich liiieebe Weihnachten“, rief die Kleine und tanzte dabei durch den Raum. „Schon dieses Wort! Wie es klingt! Einfach zauberhaft!“
„Und dann sind da ja noch all die anderen schönen Wörter, nicht wahr: Weihnachtslieder, Weihnachtsbaum, Weihnachtsplätzchen,  …“
„… und die Weihnachtsgeschichte“, fiel Albina ihrer Mutter ins Wort. „Das ist das schönste am ganzen Fest.“
„Warum wird eigentlich Weihnachten gefeiert?“, fragte Flip plötzlich dazwischen.
„Na, wegen der Geschenke und weil Winter ist“, meinte Lumpi.
„So ein Quatsch!“, sagte Albina scharf. „Habt ihr denn im letzten Jahr kein bisschen aufgepasst? Weihnachten hat einen Anfang und einen völlig anderen Grund.“
Sie wusste noch aus dem vergangenen Jahr, dass die Weihnachtsgeschichte in einem Stall spielt und dass ein Zimmermann namens Josef und seine schwangere Frau namens Maria damit zu tun haben. Sie wusste auch, dass sie aus Nazareth kamen und auf dem Weg nach Bethlehem waren. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte es damit zu tun, dass ein Kaiser eine Volkszählung angeordnet hatte. Der Name fiel ihr aber nicht mehr ein, weshalb sie ihren Opa fragte: „Opa, weißt du noch, wie der Kaiser hieß, der die Volkszählung angeordnet hat?“
„Ne, das weiß ich nicht. Franz vielleicht oder Wilhelm?“
„Opa!“, rief Mama scharf. „Erzähl dem Kind keinen Blödsinn. Augustus hieß der Kaiser und nicht Franz oder Wilhelm.“
„Ja, mei!“
„Und warum blieben sie nicht, wo sie waren, wenn die Frau schwanger war?“, wollte Flip nun wissen.
„Weil jeder dafür in seinen Geburtsort gehen musste, um sich dort registrieren zu lassen“, erklärte Mama. „Und weil so viele Menschen unterwegs waren, gab es keine Bleibe mehr für Josef und Maria. Fast wäre das Jesuskind unter freiem Himmel geboren worden. Aber Gott sei Dank stellte ein Mann den beiden seinen Stall zum Übernachten zur Verfügung.“
„Genau!“, rief Albina und flitzte zurück zur Ritze im Fußboden hoch oben auf der Empore. Von dort aus hatte sie einen wunderbaren Blick in den Altarraum der kleinen Kirche hinein, wo die ersten Kinder eintrudelten, um für das Krippenspiel zu üben.
Bald hörte sie, wie die Kinder das Lied ‚Vom Himmel hoch, da komm ich her’ einübten. – Ja und dann kam der Moment, auf den Albina besonders wartete. Der Auftritt des Engels stand bevor.
Ein kleines Mädchen mit einem weißen Gewand und Flügeln aus Federn stand dort und sah wirklich aus wie ein goldiger kleiner Engel mit ihren blonden Haaren und den roten Pausbäckchen.
Würdevoll sprach sie ihren Text. Albina war ganz gerührt. Ach, wie schön wäre es, einmal im Leben diese Rolle spielen zu dürfen. Wie gerne würde sie mit dem kleinen Mädchen tauschen. Es musste eine Ehre sein, diese Worte sprechen zu dürfen.
Heiligabend.
Selbst Opa Maus war heute nicht brummig, obwohl schon ziemlich viel los war in seinem Zuhause. Aber die Vorfreude der Kinder schlug auch auf ihn über.
Nach dem Gottesdienst wurde es sehr still in der Kirche. Mama zündete die kleinen Kerzen auf dem Weihnachtsbaum an und die Mäusefamilie stimmte Albinas Lieblingslied an. „Stille Nacht, heilige Nacht …“ sangen sie voller Inbrust mit ihren feinen Stimmchen.
Und dann kam der Moment, auf den alle warteten. Es war Zeit für die Bescherung. Flip und Lumpi bekamen neue Spielzeugautos und Opa eine neue Pfeife. Nur Albina hielt noch kein Geschenk in Händen, weshalb sie erwartungsvoll in die Augen ihrer Mutter sah.
Die leuchteten, als Mama ihr ein Päckchen übergab. „Für dich“, sagte sie. „Ich habe es nur für dich gemacht!“
Albina löste die Schleife und öffnete das verheißungsvolle Päckchen. Ihre Augen wurden groß und größer.
„Nach den Proben hab ich all die Engel-Federchen eingesammelt, die der Engel verloren hatte“, erzählte Mama, „und hab daraus für dich neue Flügelchen gebastelt. Jetzt darfst du auch ein Engel sein!“
Albina strahlte über das ganze Gesicht, als sie die Flügelchen anzog. Dann stellte sie sich auf einen Stuhl und sprach mit bebender Stimme: 
Bildergebnis für federn bilder kostenlos"Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;  denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR, in der Stadt Davids.  Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“


© Martina Pfannenschmidt, 2019


Ich
wünsche dir
einen gemütlichen 4. Advent,
ein lichtvolles Weihnachtsfest,
sage Danke für deinen Besuch auf meinem Blog
und freue mich auf ein ‚Wiedersehen‘ im neuen Jahr!
Komm
gut
hinein
ins
Jahr

2020!


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6 Kommentare:

  1. Liebe Martina
    herzlichen Dank für diese wundervolle Geschichte!
    Ich hatte letzte Woche noch internetausfall, muss einiges jetzt nachholen, aber in Ruhe und mit Muße :O) Daher konnte ich mich auch noch nicht für Deine liebe Karte bedanken, das kommt alles nochmal richtig nach den Feiertagen :O)
    Ich wünsche Dir und Deinen Lieben ein frohes und wundervolles Weihnachtsfest, und ebenso einen guten Rutsch ins neue Jahr! Und da freue ich mich dann scho auf weitere, so wudnerschöne Geschichten von Dir!
    ♥️ Allerliebste Grüße,Claudia ♥️

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    1. Liebe Claudia, wie schön, dass du mein Bloghaus vor dem Fest noch einmal besucht hast. Ich hoffe darauf, dass mir auch im neuen Jahr wieder Geschichten einfallen (oder zufallen, wie ich lieber sage) und freue mich, wenn du sie liest. - Ganz liebe Grüße hin zu dir und frohe Festtage! Martina

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  2. ach Martina
    was für eine ans Herz gehende Geschichte
    ja.. manchmal ist die Weihnachtsgeschichte wohl bei den Mäusen besser aufgehoben
    als bei so manchen Menschen...

    ich wünsche dir und deinen Lieben ein frohes und besinnliches Fest
    und ein gesegnetes neues jahr

    Rosi

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    1. Dank dir, liebe Rosi! Auch für deinen Besuch immer wieder in meinem Bloghaus. - Lass uns die Hoffnung nur nicht aufgeben, dass die Weihnachtsgeschichte uns Menschen erreicht! - Ich wünsche dir eine lichtvolle Zeit! Martina

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  3. Liebe Martina, da ich eben erst entdeckte dass die Kommentarfunktion wieder da ist - kann ichs auch hier schreiben ohne ins Gästebuch zu gehen..lächel..
    eine ganz entzückend und erfrischende lebendige Mäusegeschichte hast du uns geschenkt indem du sie uns erzählst. Passt wunderbar in meine Berichte über meinen neuerlichen vierfüßigen Besucherandrang, das sind schon sehr possierlich nette Tierchen die keinem Angst einjagen sondern sehr vielfältig und interessant sind. Und Tieren geschichten ins Mäulchen legen - lieben wir ja sehr...gelle...
    lächelnd Angelface ein Danke

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    1. Danke dir für den Kommentar an dieser Stelle. Ja, seit wir wieder Reizwörtergeschichten schreiben, hab ich die Kommentarfunktion wieder aktiviert. :-) - Wie schön, dass du sie heute genutzt hast. LG Martina

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