Maximilian
kam in die Küche.
„Schau
mal, Uropa, was mir die Uroma gekauft hat!“
Stolz
hielt er zwei kleine Figuren hoch, damit sein Uropa sie bewundern konnte.
Der
schüttelte den Kopf: „Deine Uroma! Hat wieder für Kinkerlitzchen unsere schwer
verdiente Rente auf den Kopf gehauen.“
Das
Wort fand Max witzig: „Was ist Kinkerlitzchen?“
„Kinkerlitzchen
ist irgendein Blödsinn, unnützes Zeug. Aber ich weiß ja, dass deine Uroma weich
wird, sobald du sie um etwas bittest. Bist halt ein kleiner Schlawiner!“
Dabei
kniff er seinem Urenkel liebevoll in die Wange.
„Das
hat er dann wohl von dir!“, unkte Uroma, als sie zu den beiden in die Küche
kam.
„Uropa“,
begann Max, „kannst du mir noch mal eine Geschichte erzählen? So eine wie beim
letzten Mal, mit den alten Wörtern von früher drin?“
Da
musste er seinen Uropa nicht zweimal bitten.
„Nichts
lieber als das!“, freute sich dieser.
„Hab
ich dir eigentlich schon mal erzählt, wie das war, damals, als ich mit deiner
Uroma zusammen kam?“
„Ne,
die Geschichte kenne ich noch gar nicht“, antwortete Maximilian erwartungsvoll.
„Also
das war so: Deine Uroma und ich, wir kannten uns ja schon aus der Schulzeit.
Damals trug sie noch Zöpfe, musst du wissen. Ich glaube, man nannte sie ‚Affenschaukeln’.“
„Und
du“, warf diese belustigt ein, „du hattest einen Pisspottschnitt und warst eine
echte Trantüte.“
Max
begann laut zu lachen, als Uropa eine Drohgebärde machte: „Pass nur auf“,
krakeelte er, „sonst wird es hier gleich zappenduster und ich erzähle deinem
Urenkel, dass du ein Fräulein Rührmichnichtan warst. Und überhaupt“, Uropa tat
beleidigt, „ich war gar keine Trantüte. Ich war eher ein Hans Dampf in allen
Gassen.“
„Genau das warst du eben nicht. Aber gut, wenn du meinst,
dann warst du eben keine Trantüte,
dann warst du eine Tranfunzel.“
Uropa
kniff ein Auge zu und sagte leise an Max gerichtet: „Sie kennt halt ihre
Pappenheimer!“
Maximilian
fand den Schlagabtausch zwischen seinen Urgroßeltern echt lustig.
„Nicht“,
meinte Uropa, „dass wir jetzt von Höcksken auf Stöcksken kommen und ich vergesse,
dir zu erzählen, wie das damals war. Also,
pass auf, mein Junge, immer am 1. Mai gab es bei uns im Dorf ein großes Fest: Den Tanz in den Mai. Dahin ging man zum Feiern und zur Brautschau. Ich also im
Sonntagsstaat per pedes da hin. Den Leukoplastbomber meines Vaters durfte ich
damals noch nicht fahren. Außerdem wusste ich ja auch, dass ich ein paar Bierchen
zischen würde.“
„Was
ist ein Sonntagsstaat und was ist ein Leukoplastbomber?“, wollte Max wissen.
„Ein
Leukoplastbomber war ein ziemlich kleines Auto“, antwortete Uroma, „und mit
Sonntagsstaat meint Uropa die schicksten Klamotten, die er in seinem Schrank
finden konnte. Er war aber gar nicht zu Fuß da, wie er meint, sondern mit
seinem Drahtesel. Das hat er wohl ganz vergessen.“
„Mit
dem Drahtesel, du hast Recht. Du musst wissen, Max, ich war zu der Zeit beim
Kommiss und hatte deshalb meinen Freund ausbaldowern lassen, ob deine Uroma
auch wirklich zu dem Fest kommt.“
„Und ich hatte mich immer schon gefragt, warum dieser
Kerl mich ausfragt und ständig um mich herum scharwenzelt“, erinnerte sich Uroma.
„Ich
wusste also, dass sie kommen würde. Deshalb war ich ganz schön aufgeregt.“
„Aufgeregt?!“,
lachte Uroma. „Gib es ruhig zu. Du hattest regelrecht Fracksausen.“ Und an Max
gerichtet sagte sie: „Er hatte nämlich Angst, dass ich ihn abblitzen ließ und
deshalb hätte er sich fast in die Hose gemacht.“
Seine
Urgroßeltern waren echt der Knaller.
„Ja, es stimmt. Mir war die Aufregung auf den Darm geschlagen und deshalb suchte ich zuhause
lieber noch mal den Donnerbalken auf, bevor mir auf dem Fest noch ein
Malheur passierte“, gab Uropa unumwunden zu.
„Donnerbalken
kenne ich“, freute sich Max. „Das ist eine Toilette.“
„Mein
lieber Scholli, du bist ein kluger Kerl.“
„Ich
gebe es ja zu“, fuhr nun Uroma fort, „dass ich auch ein Auge auf deinen Uropa
geworfen hatte. Deshalb hielt ich heimlich nach ihm Ausschau. Als er in das
Festzelt kam, dachte ich: Mein lieber Herr Gesangsverein, der hat sich aber
schick gemacht.“
„Ich
fühlte mich eher wie Graf Koks von der Gasanstalt“, lachte er. „Zuerst hab ich
mich ja nicht getraut, deine Uroma anzusprechen“, fuhr er fort, „sie war ja
inzwischen ein Tippfräulein beim Amt geworden und wenn sie mir einen Korb
gegeben hätte, wäre ich der Gelackmeierte gewesen. Deshalb habe ich mir zuerst
mit ein paar Körnchen Mut angetrunken.“
„Und
während er sich Mut antrank“, fuhr Uroma fort, „kam ein anderer junger Mann auf
mich zu.“
Uropa
nickte. „Ich kann dir sagen, dass war ein Schrank von einem Mann, so ein
richtiger Kaventsmann war das. Der hätte mich kurzerhand am Schlafittchen
gepackt und vor die Tür gesetzt, wenn ich dem gesagt hätte, dass er von Uroma Abstand nehmen soll.“
„Und
ich fand es unter aller Kanone, das dein Uropa an der Theke stand, anstatt mit
mir zu tanzen“, erinnerte sich Uroma. „Eigentlich hab ich nur mit dem anderen
getanzt, um ihn eifersüchtig zu machen. Doch das musste ich teuer bezahlen,
denn bald hatte ich blaue Zehen, weil mir der Riese mit seinen Quadratlatschen ständig
auf meine Füße trat. Da hatte ich echt die Nase voll und wollte nach Hause.“
„Gerade
noch rechtzeitig hab ich all meinen Mut zusammen genommen, bin zu deiner Uroma
gegangen und hab sie zum Tanzen aufgefordert.“
„Der
Kaventsmann war darüber so ärgerlich“, erzählte nun wiederum Uroma, „dass er
einen Stuhl nahm und damit auf deinen Uropa eindreschen wollte. Gott sei Dank
haben andere ihn davon abgehalten.“
„Und
kurze Zeit später fuhr dann die Polizei mit ihrer grünen Minna vor und nahm den
Riesen mit zum Tüten kleben“, feixte Uropa.
Daraufhin
meinte Uroma spitzbübisch: „Seit diesem Abend sind wir ein Paar, dein Uropa und
ich, obwohl ich mich manchmal frage, weshalb ich diesen alten Pfennigfuchser
überhaupt geheiratet habe.“
©
Martina Pfannenschmidt, 2019