Frank lehnte sich an den Türrahmen und beobachtete
eine zu Herzen gehende Szene: Seine Frau stand am Bettchen ihres gemeinsamen
Sohnes und strich dem schlafenden Kind über den Kopf.
Beim Anblick der beiden Menschen, die er mehr liebte, als alles andere auf der Welt, wurde er von einer Woge des Glücks übermannt.
Er
hatte den Eindruck, niemals zuvor so viel Liebe empfunden zu haben, wie in
diesem Augenblick und er wünschte sich, es möge immer so bleiben.
Bei dem Gedanken änderten sich von jetzt auf gleich seine
Gefühle, als ihm klar wurde, dass es eben nicht immer so bleiben würde. Niemand
kann den Moment einfrieren, außer in seinem Herzen.
Frank wurde bewusst, dass ihm durch ein Unglück oder
einen Unfall das Liebste, was er besaß, genommen werden konnte.
Er wollte diese Gedanken beiseite schieben, doch es wollte
ihm nicht gelingen. Sein Kopf führte quasi ein Eigenleben und er führte ihm die
schlimmsten Szenarien vor Augen.
Warum grätschte sein Kopf mit derart düsteren
Gedanken genau in diesen Glücksmoment hinein?
Seine Frau drehte sich zu ihm um und kam direkt auf ihn zu.
„Was ist mit dir?“, fragte sie ihn leise, um das Kind nicht zu wecken.
„Du siehst so aus, als hättest du gerade etwas Schreckliches erlebt.“
Seine Frau! Sie kannte ihn durch und durch. Er konnte
ihr niemals etwas vorspielen. Aber das wollte er auch gar nicht. Zwischen ihnen
war eine große Vertrautheit und sie hatten sich geschworen, sich niemals zu
belügen.
Etwas später erzählte er ihr bei einem Glas Rotwein
auf der Couch von seinen düsteren Gedanken während dieses Glücksmomentes.
„Das kenne ich gut. Es ist, als wolle uns unser Kopf
in diesen Momenten unsere Verletzlichkeit bewusst machen.“
„Aber es ist so schade, dass es so ist“, erwiderte
Frank, „so kann man einen wahren Glücksmoment gar nicht richtig genießen, weil
sich aufgrund von dunklen Gedanken alles in einem zusammen zieht.“
„Da hast recht“, warf Conny ein, „es ist fast so,
als wolle uns unser Kopf sagen: Befass dich lieber schon jetzt mit schlimmen
Szenarien, damit du nicht irgendwann davon überrollt wirst.“
„Aber das ist doch einfach nur blöd, oder?“, äußerte
Frank.
„Ja, das ist es. Es ist einfach blöd!“
Nach einer Weile des Schweigens meinte er: „Ist es nicht unglaublich, wie oft man im Leben nur mit den Gedanken schlimme Dinge
durchlebt, ohne dass sie jemals eintreten?“
„Oh, ja! Wie oft habe ich mich
schon grundlos verrückt gemacht.“
Dabei verdrehte sie ihre Augen.
„Ich befürchte“, führte Frank weiter aus, „wir
könnten eines Tages genau diesen kleinen Glücksmomenten nachtrauern und uns
fragen, warum es uns nicht gelungen ist, diese Momente so zu nehmen, wie sie sind, eben voller Glück!“
Conny nickte. „Du hast recht. Glücksmomente sind
wahre Geschenke und doch merken wir genau in diesen Momenten, wie verwundbar
wir sind. Alles was wir besitzen, kann uns von jetzt auf gleich genommen
werden. Ich glaube, dass es das ist, was uns in genau diesen Augenblicken bewusst
wird.“
„Schau“, sagte Frank und zeigte auf seinen Unterarm,
„deine Worte machen mir eine Gänsehaut. - Vielleicht liegt es wirklich daran,
wie wir mit unseren Gedanken umgehen. Wenn wir in uns hinein horchen, gibt es
wohl immer zwei Stimmen. Die eine, die mir sagt: Alles wird gut und die andere,
die mir Angst einjagt. Die Frage ist wohl: Auf welche Stimme höre ich?“
„Es stimmt. Es liegt an
mir, worauf ich meinen Fokus richte und ich denke, es macht
einen riesigen Unterschied, ob ich meine kleine Welt mit einer rosaroten oder
mit einer dunklen Brille betrachte. Unser Tag wird dadurch ein anderer sein.“
„Vielleicht wird dadurch
unser ganzes Leben ein anderes sein“, fügte Frank versonnen hinzu, „je nachdem, welche
Gläsertönung ich wähle.“
„Das bedeutet doch“, stellte
Conny fest, „es kommt immer darauf an, die richtige Brille zu tragen!“
© Martina Pfannenschmidt,
2019