Ich wurde
durch das Quengeln eines kleinen Jungen, der mit seinen Eltern auf einer Decke
dicht am Wasser liegt, abgelenkt. Er möchte unbedingt noch einmal ins Meer,
doch seine Mutter verweigert es ihm. Verständlich, denn er zittert am ganzen
Körper, kommt gerade aus dem kühlen Nass.
Meine
Gedanken gehen zurück in meine Kindheit. Ich war, wie dieser Junge. Konnte
nicht genug bekommen vom Baden. Auch meine Mutter sagte oft: „Nein, jetzt
nicht, deine Lippen sind ja schon ganz blau!“ Doch ich wurde nicht müde, ihr zu
erklären, dass mir gar nicht kalt ist.
Natürlich
ließ sich meine Mutter nicht darauf ein, sondern lenkte mich ab. Sie
schlug vor, mir etwas vor zu lesen. Dabei wurde ich in ein dickes Handtuch
eingewickelt, um wieder warm zu werden.
Oder wir gingen am Strand entlang,
Muscheln und Steine sammeln. Ich weiß noch, dass wir beide einen Sonnenbrand an
den Waden hatten, weil wir zu lange im Sand gehockt hatten, um die schönsten
Exemplare zu finden.
Ich kann
meinen Blick nicht von der Familie wenden. Bin neugierig, wie die Eltern die
Situation lösen. In der Tat, ein paar Minuten später ist der Junge still. Er
sitzt neben seinen Eltern auf der Decke. In der Hand ein Smartphone. Kopfhörer
in den Ohren. So regelt
man das heute.
In der heutigen Zeit wäre mir der Sonnenbrand wohl erspart
geblieben, weil ich unter einem Sonnenschirm hockend über ein Display gewischt
hätte.
Wieder bin
ich gedanklich in meiner Kindheit, wo sich abends vor den Telefonzellen lange
Schlangen bildeten, weil man seine Lieben zuhause anrufen wollte. Man fasste
sich kurz, weil zum einen alle Umstehenden das Gespräch mithörten, aber auch,
weil das Telefonieren recht teuer war.
Und heute?
Kaum sind wir am Urlaubsort angekommen, rufen wir unsere Familie nicht nur
sofort an, nein wir bringen auch erste Fotos zu ihnen auf den Weg: Vom Hotel,
vom Zimmer, vom Pool, vom Strand. Wir sind mit unseren Augen ständig auf der
Suche nach einem grandiosen Motiv. Schließlich soll die Welt sehen, wo wir uns
gerade aufhalten, was wir gerade treiben und vor allen Dingen, was wir an
kulinarischen Köstlichkeiten und Drinks zu uns nehmen.
Hätten wir
uns das vor 20 Jahren vorstellen können, dass wir Fotos von unserem Essen
machen und es der Welt zeigen? Ich glaube nicht. Wir hätten es wohl für
unmöglich gehalten.
Sehen wir
die Schönheit unseres Urlaubsortes eigentlich nur noch nach dem Maßstab, ob es
bei anderen gut ankommt? Was steckt dahinter? Das Bedürfnis, die anderen an unserem Leben teilhaben zu lassen, oder spielt der Faktor Neid dabei eine nicht unerhebliche Rolle? Nehmen wir
die Schönheit unseres Urlaubsortes wirklich noch wahr und auf - nur für uns?
Früher war
es normal, mehrere Bücher mit in den Urlaub zu nehmen. Und die las man auch
durch. Liest man heute überhaupt noch oder ist man mehr damit beschäftigt,
seine Freunde und die Familie über seinen Urlaub zu unterrichten?
Man ist
natürlich auch damit beschäftigt, zu schauen, was die anderen so treiben.
Die stellen nämlich auch Fotos ein und sind darauf bedacht, uns zu
übertrumpfen. Ist das nicht ein Wahnsinn?
Es kommt mir so vor, als würde ein
regelrechter Wettkampf ausgetragen. Macht man im Urlaub überhaupt noch Fotos
für sich selbst?
Früher hat
man nach dem Urlaub seinen Film zum Entwickeln gebracht und konnte es kaum
erwarten, die Bilder abzuholen. Man lud seine Lieben ein, um in einer
gemütlichen Runde Urlaubsbilder zu betrachten und dabei Erinnerungen aufleben
zu lassen. Dadurch reflektierte man diese wertvolle Zeit noch einmal für sich.
Das fällt
heute komplett weg, denn alle werden ja schon während des Urlaubs über alles
informiert.
Ich sitze
hier, mein Buch neben mir, ohne jegliche Technik. Natürlich besitze ich ein
Handy, doch ich habe es bewusst zuhause gelassen. Ganz nach dem Motto: Handy
aus, Augen auf!
So ein
Urlaub bietet doch eine hervorragende Gelegenheit, seinen Gedanken nachzuhängen;
sich mit sich selbst und seinem Weg zu beschäftigen. Wo stehe ich? Wo möchte
ich hin? Wo sehe ich mich in 5 Jahren oder in 10?
Während das
Meer unentwegt seine Wellen zum Strand befördert und mich die Sonne an meiner
Nase kitzelt, kann ich tiefer gehende Fragen wunderbar reflektieren. Kein
Stress, kein Zeitdruck, keine Termine. – Nur ich und meine Gedanken!
© Martina
Pfannenschmidt, 2019