Unter
einem dicken Laubhaufen an der Wurzel einer Tanne saß Krümel, der kleine
Mäuserich, um sich vor Gott und der Welt zu verkriechen. Nur seine süße kleine Nase
lugte hervor, während er Florentine, das Eichhörnchen, beim Sammeln von
Vorräten für den bevorstehenden Winter beobachtete.
„Hatschi!“
Florentine
fuhr verschreckt herum. „He Krümel“, rief sie ihm zu, „ich hatte dich gar nicht
gesehen. Versteckst du dich dort unter dem Laubhaufen?“
„Mir
ist kalt“, murmelte Krümel.
„Was
sagst du?“, erkundigte sie sich und hüpfte dichter zu ihm. „Ich hab dich nicht
verstanden. Warum sitzt du hier?“
„Weil
mir kalt ist“, brüllte die Maus das Eichhörnchen an.
„Meine
Güte, da hat aber einer schlechte Laune. Wenn dir kalt ist, musst du dich
bewegen, damit dir warm wird.“
„Keine
Lust“, maulte Krümel.
„Ja,
was willst du nun, dass dir warm wird oder willst du weiter frieren?“
Die
Frage konnte Krümel nicht beantworten. Er wusste nicht so genau, was mit ihm
los war. Er fühlte sich nicht wirklich krank aber auch nicht gesund. Er hatte einfach
keine Lust auf diesen blöden Herbst und das sagte er auch unumwunden: „Ich hab
überhaupt keine Lust auf diesen blöden Herbst und dann kommt noch dieser
eiskalte Winter. Daran darf ich gar nicht denken. Warum kann denn nicht immer
die Sonne scheinen? Und warum kann es nicht immer schön warm sein. Das wäre mir
recht.“
Florentine
wurde sehr ärgerlich.
„So,
du möchtest, dass immerzu die Sonne scheint?“
„Ja!“
„Und
es soll nie regnen?“
„Nein,
ich mag den Regen nicht und den Herbst mag ich auch nicht und den Winter schon
gar nicht.“
„Aber
denk nur, wenn es die unterschiedlichen Jahreszeiten nicht gäbe, wie trostlos
unser Land aussehen würde. Es gäbe keine Bäume, nur Sand und Wüste. So ist das
nämlich dort, wo immerzu die Sonne scheint. Dort kann nichts wachsen und was
sollten wir dann fressen?“
„Warum
würde dort nichts wachsen?“
„Na,
weil die Bäume genauso das Wasser benötigen, wie wir. Ohne Wasser können wir alle
nicht leben.“
Krümel
wurde nachdenklich. Es konnte durchaus sein, dass Florentine recht hatte. Doch
er konnte dem Herbst einfach nichts abgewinnen. Diese Stürme und das trockne Laub
machten ihn geradezu depressiv.
„Aber
schau, ist es nicht traurig, dass die Bäume sterben?“, gab er deshalb zu
bedenken. „In jedem Herbst sterben sie.“
„Aber
nein, sie sterben doch nicht wirklich, sonst könnten sie ja im Frühjahr nicht
erneut Blätter und Früchte austreiben. Du solltest übrigens dankbar sein, dass
wir ihre Früchte für den Winter sammeln dürfen und hier nicht herum maulen. Und
denk nur, wie gemütlich es im Winter in unseren Höhlen ist. Ich finde, die
Natur hat das gut eingerichtet. Alle Jahreszeiten haben etwas Schönes!“
Krümel
überlegte. „Wenn die Bäume nicht sterben, schlafen sie dann etwa? Halten sie
auch einen Winterschlaf, so wie wir? Aber sie sehen im Winter immer aus wie
tot.“
„Da
gebe ich dir recht. Im Winter, wenn die Bäume nicht mit Schnee bedeckt sind,
sehen sie sehr bizarr aus. Kahle Äste ragen in den Himmel und die dunklen
Stämme wirken ein bisschen mystisch.“
„Und
überall liegen braune und matschige Blätter herum“, führte Krümel weiter aus.
„Das
ist aber so bestimmt und der Lebenslauf der Bäume. Er schützt sich so vor dem
Frost. Er fällt in eine Starre, wenn er seine Blätter verloren hat. Das ist
fast so wie ein Winterschlaf bei uns Tieren.“
„Und
im Frühjahr, was passiert, wenn die Blätter wieder da sind?“
„Dann
versorgen sie den Baum erneut. Im Winter, wenn die Sonne nur noch wenig
scheint, könnten die Blätter ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen und deshalb wirft
der Baum sie ab. Er schläft einfach und hat vorher genügend Nährstoffe
gesammelt, genau wie wir unsere Vorräte sammeln.“
„Es
kann ja auch sein, dass die Bäume ihre Blätter verlieren“, überlegte Krümel
unterdes, „damit sie sich wie eine Decke auf den Waldboden legen. So schützen
sie einige Tiere und die Wurzeln der Bäume vor dem Frost.“
„Siehst
du. Es ist gar nicht so schlecht, dass die Bäume ihr Laub verlieren. Alles hat
seinen Sinn und das wir uns für den Winter bevorraten auch. Sag, willst du
nicht endlich heraus kommen aus deiner Laubhöhle? Schau mal, wie die Sonne
durch die Äste blinzelt und wie die Blätter im Sonnenlicht funkeln. Es sieht
einfach herrlich aus.“
Florentine
musste Krümel gar nicht lange überreden. Schnell kam er unter seinem Laubhaufen
hervor gerochen und die beiden tobten durch das raschelnde Laub.
Wie
gut war es, einen Freund zu haben, der einem die Augen öffnete.
©
Martina Pfannenschmidt, 2015