Reizwörter: Bibliothek, Buch, betreten, begeistert, beheben
Bitte lest auch die Geschichten, die sich Lore und Regina erdacht haben.
Klara brütete über ihren Hausaufgaben. Das heißt, eigentlich brütete sie nicht, sondern sie schrieb sehr emsig an einem Aufsatz. Dass sie dabei voll konzentriert arbeitete, erkannte man daran, dass ihre Zungenspitze vorwitzig zwischen ihren Lippen hervorlugte.
„Brauchst
du noch lange?“, fragte Hannes, ihr Opa, als er das Zimmer betrat.
Doch
anstatt darauf zu antworten stellte Klara eine Gegenfrage: „Du Opa, kannst du
mir sagen, wie man das Wort Bibliothek
richtig schreibt?“
Hannes
kratzte sich kurz hinter einem Ohr, weshalb seine Prinz-Heinrich-Mütze, die er
tagein und tagaus zu tragen schien, ein bisschen verrutschte. „Schreib doch
einfach: ‚ein Ort, an dem es viele Bücher
gibt’!“, schlug er vor.
„Mensch,
Opa, sag doch gleich, dass du es auch nicht weißt!“, schimpfte Klara ein
bisschen, weil Opa ihr nun wirklich keine Hilfe war.
„Und,
was ist nun, wie lange brauchst du noch?“, fragte er ungeduldig.
„Wenn
du mich nicht noch länger störst, nicht mehr lange!“, erwiderte Klara forsch.
„Aber warum fragst du eigentlich?“
„Na,
weil ich doch Würmer baden gehen will. Und ich dachte, dass du bestimmt
mitkommen möchtest.“
Und
ob sie wollte. Sie war total begeistert
vom Angeln, saß oft stundenlang neben ihrem Opa. Und meistens erzählte er ihr währenddessen
aus seiner Kindheit. Von Streichen, die er den Mädchen gemeinsam mit seinem
besten Freund gespielt hatte. Oder er erzählte von Abenteuern, die er beim
Angeln erlebt hatte.
Nun
könnten manche denken, dass angeln langweilig ist. Das mag vielleicht für einige
so scheinen. Aber nicht, wenn man Hannes Glauben schenken mag.
Nachdem
Opa wieder gegangen war, entschied Klara spontan, dass sie ihren Aufsatz auch
später zu Ende schreiben könnte. Dann wäre auch Mama wieder da und die wusste
bestimmt, wie man dieses verflixte Wort schrieb.
Klara
schraubte die Kappe auf ihren Füllfederhalter und klappte ihr Heft vorerst zu.
Rasch
lief sie zum Schuppen, in dem sie Opa vermutete und auch fand. Schließlich
bewahrte er dort seine Angelausrüstung auf.
„Opa,
wir können los!“, verkündete sie, zog ihre bunten Gummistiefel an und schnappte
sich zwei Sitzgelegenheiten. Eine für sich und eine für ihren Opa.
Der
griff nach dem Behältnis, das seine Angelutensilien enthielt und ebenso nach
seiner Angelrute, so dass die zwei sich auf den Weg zum nahe gelegenen Fluss
machen konnten. Kurz darauf badete der erste Wurm im Wasser.
„Du
Opa!“
„Ja!“
„Bist
du früher eigentlich gerne zur Schule gegangen?“
Wieder
kratzte sich Opa hinter einem Ohr und räusperte sich, bevor er ausweichend
antwortete: „Ja, was soll ich sagen, mal mehr und mal weniger!“
„Wann
weniger?“, wollte Klara wissen.
„Nun,
immer dann, wenn ein Diktat geschrieben wurde.“
Alles
klar. Jetzt wusste sie auch, weshalb Opa ihr die Frage bezüglich der Bibliothek
nicht hatte beantworten können.
„Und
wann mehr?“, hakte sie nach.
„Ich
war immer ganz gut im Rechnen“, antwortete Hannes ausweichend.
Bei
Klara war es gerade anders herum. Sie mochte die Buchstaben lieber, als die Zahlen.
Aber noch lieber mochte sie es, mit ihrem Opa am Fluss zu sitzen und seinen
Geschichten zu lauschen.
„Habe
ich dir eigentlich schon mal von dem Fisch erzählt, der das Wasser gesucht
hat?“, fragte er diesmal.
Klara
lachte: „Das ist ja witzig. Ein Fisch, der das Wasser sucht. Nee, die Geschichte
kenne ich noch nicht!“
„Also,
pass auf“, begann Opa bedeutungsvoll, „es war einmal ein kleiner Fisch, der
ständig etwas von ‚Wasser’ hörte und dass es sehr wichtig für ihn sei. Aber er
fragte sich immer, wo er denn dieses Wasser finden könnte. Er hatte es noch
niemals gesehen. Ja und so befragte er zunächst eine Kaulquappe. Doch die
antwortete ihm, dass es dort, wo sie lebte, nur Steine, Muscheln und Algen
gäbe. Und so schwamm der kleine Fisch weiter, bis er bei seiner Suche einen Wels traf. Sein
breites Maul, der dicke Kopf und der Schnurrbart ängstigten den kleinen Fisch
zunächst, doch dann sah er in die gutmütigen Fischaugen und beschloss, sich zu
trauen und den Wels nach dem Wasser zu fragen. Doch auch der kannte die Antwort
nicht, war aber ebenso daran interessiert. Und so beschlossen sie, gemeinsam zum
weisen alten Fisch zu schwimmen und ihn zu befragen, wo dieses Wasser, von dem
sie gehört hatten, eigentlich zu finden sei. Und tatsächlich. Der weise Fisch kannte
die Antwort: ‚Wasser ist vor euch und hinter euch’, erklärte er ihnen. ‚Wasser
ist euer Element. Es trägt euch. Ihr lebt, weil ihr im Wasser seid. Ihr atmet
Wasser. Wasser ist euer Leben. Ihr könnt ohne Wasser gar nicht existieren.
Wasser ist überall, wo ihr seid.’
Die
beiden Fische bedankten sich und machten sich wieder auf den Weg nach Hause.
Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander her geschwommen waren, sagte
der kleine Fisch: ‚Ich fand das total toll, wie der das erklärt hat.’ Und der Wels
entgegnete: ‚Ja, ich auch. Ich fand das einfach großartig. Aber sag ehrlich: hast du
das wirklich verstanden? Weißt du jetzt, wo das Wasser ist?’“
„Und“,
fragte Klara gespannt, „wusste es der kleine Fisch?“
„Ich
vermute nicht“, antwortete Opa. „Aber weißt du, warum ich diese Geschichte so
mag? Weil es uns Menschen genau so ergeht wie dem kleinen Fisch, der das Wasser
suchte, obwohl er von ihm umgeben war. Wir Menschen suchen genauso nach dem
Beweis für Gott und merken nicht, dass wir von ihm umgeben sind und dass wir
von ihm und durch ihn leben.“
Als
sich die beiden später auf den Heimweg machten, wusste Opa nicht, ob Klara
verstanden hatte, was er ihr mit dieser Geschichte hatte erklären wollen. Doch er
wusste sicher, dass es für ihn an diesem Nachmittag nichts Wichtigeres hatte
geben können, als Zeit mit seiner Enkelin zu verbringen. - Und den Schaden am
Dach des alten Schuppens, den konnte er ja immer noch beheben.
©
Martina Pfannenschmidt, 2022
Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.
Hier geht es zu Elke und ihrem 'Kleinen Blog'. KLICK!
Ein kleiner Hinweis:
Mit der Nutzung des Kommentar- Formulars erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden.
Guten Morgen, liebe Martina,
AntwortenLöschenwas für eine schöne Geschichte! Gedacht habe ich es schon öfter, jetzt sage ich es mal: Du hättest gut Pastorin werden können, deine Texte sind wunderbar lebhaft bunt und vor allem gut verständlich! (Ja, auch für mich)
Danke schön für diesen schönen Tagesauftakt und liebe Grüße
Regina
Guten Morgen, liebe Regina, jetzt hab ich aber laut lachen müssen. Auf der Kanzel habe ich bisher noch nicht gestanden (jedenfalls nicht in diesem Leben ;-). Aber 25 Jahre war ich ziemlich 'nah dran'. Das hat wohl abgefärbt.
LöschenIch danke dir für deine lieben Worte und überlege gerade, ob ich meine Geschichten nicht besser sonntags morgens um 10 veröffentlichen sollte. :-) Lach!!! Hab einen einen schönen Tag!
Martina
Wow, was für eine schöne und weise Geschichte liebe Martina.
AntwortenLöschenWünsche dir eine wundervolle, lichtvolle Frühlingszeit und lass uns Gotte Liebe atmen.
Gruß Helga
Guten Morgen, liebe Helga! - Du findest immer so zauberhafte Worte! Danke dir! Ich schicke dir ebenfalls frühlingshafte und lichtvolle Grüße! Martina
Löscheneine herzerwärmende Geschichte ..
AntwortenLöschenja.. das was man immer um sich hat nimmt man oft gar nicht wahr
es ist wie mit der Luft zum Atmen
ohne geht es nicht auch wenn man sie nicht sieht
genau so wenig sieht man Gottes Liebe
man kann sie aber spüren
einen schönen Sonntag noch
Rosi
Dankeschön, liebe Rosi! - Ja, Gottes Liebe ist spürbar, wenn man sie spüren möchte! - Liebe Grüße zum 1. Mai! Martina
Löschen