Montag, 28. Februar 2022

Wie sieht deine Zukunft aus?

Reizwörter: Luftballon, Zwiebel, rosa, allein, kichern

Lest bitte auch die Geschichten von Lore und Regina!


Beschwingt und voller Vorfreude drapiere ich ein paar Narzissen in einer Vase, um sie auf den bereits gedeckten Kaffeetisch zu stellen. Obwohl im Hintergrund das Radio leise läuft, vernehme ich von draußen Laute, die ich sofort als den Ruf von Kranichen erkenne.

Flugs öffne ich das Dachfenster und sehe einen großen Schwarm direkt über mir kreisen. Die majestätischen Vögel kommen aus dem Süden zurück und es scheint mir, als riefen sie uns zu: „Wir bringen euch den Frühling mit. Ihr werdet sehen. Es dauert nicht mehr lange!“

Auch wenn der Winter im natürlichen Kreislauf der Jahreszeiten seine Berechtigung hat, freue ich mich doch in jedem Jahr auf die ersten wärmenden Sonnenstrahlen, die den Frühling ankündigen.

Beim Blick auf meine Armbanduhr seufze ich. Ich erwarte meine Freundin zum Kaffeetrinken, doch sie kommt zu spät. Sie kommt eigentlich immer zu spät. Schon als Baby im Bauch ihrer Mutter hat sie sich bis zur Geburt länger Zeit gelassen, als erwartet und irgendwie zieht sich das wie ein roter Faden durch ihr gesamtes Leben.

Allerdings muss ich sagen, dass es am Tag unserer gemeinsamen Einschulung anders war. Da war sie pünktlich und sie fiel mir sofort auf, weil wir beide dieselbe weiße Bluse mit rosa Luftballons darauf trugen. Unsere Mütter hatten uns tatsächlich aus demselben Stoff fast identische Blusen genäht. Das war wohl so etwas wie ein Wink des Schicksals, denn seither sind wir unzertrennlich.

Ich erinnere mich noch genau daran, wie einsam und allein ich mich fühlte, als ich mich von meiner Mutter auf dem Schulhof verabschieden musste, um mich mit meinen neuen und mir bis dahin noch völlig unbekannten Mitschülern in unser Klassenzimmer zu begeben.

Unser Klassenlehrer, dem wir wenig später wegen seines Mundgeruchs den wenig schmeichelhaften Spitznamen ‚Zwiebel’ gaben, bat uns, an den Zweiertischen Platz zu nehmen.

Ich weiß noch genau, dass ich verlegen nach dem Mädchen mit der hübschen Bluse schaute, doch da kam sie schon auf mich zu und fragte mich, ob wir zusammensitzen wollten.

Ja, so war das damals und unsere Freundschaft hält bis heute an und aus den kichernden kleinen Mädchen sind inzwischen vom Leben geprägte erwachsene Frauen geworden, die bisher ähnliche, wenn auch nicht gleiche, Lebenswege gegangen sind.

Ich denke daran, dass wir uns früher gar keine Gedanken über unsere Zukunft gemacht haben. Wir ließen das Leben einfach fließen und die Zukunft auf uns zukommen. Klar hatten wir auch Pläne. Wir planten, irgendwann zu heiraten, Kinder zu bekommen, ein Haus zu bauen.

Doch jetzt, wo wir älter geworden sind, fragen wir uns des Öfteren, was es denn für uns eigentlich noch zu erreichen gibt? Und mal ehrlich, oft geht es dabei darum, noch mehr Besitz anzuhäufen, oder nicht? Doch woher kommt dieser oftmals überzogene Besitzanspruch der Menschen eigentlich?

Mir kommt in den Sinn, dass dieses Besitzdenken sich ja nicht nur im ‚Kleinen’ und Zwischenmenschlichen zeigt, sondern auch im ‚Großen’ zwischen Ländern und Völkern. Wir müssen dazu nur unseren Blick Richtung Osten lenken. Da geht es deutlich um einen Länderkampf. Und diese immer wieder äußerst bedrohlichen Situationen beschäftigen die Menschheit seit Jahrtausenden und ich frage mich, ob wir aus unserer Vergangenheit und Geschichte wirklich gar nichts gelernt haben?

Nichts scheint uns Menschen wichtiger zu sein, als das, was uns gehört. Wir möchten so vieles haben und unser Eigen nennen und dabei fechten Länder bis heute aus, was dem einen und was dem anderen gehört.

Wieder sehe ich auf meine Uhr. Die akademische Viertelstunde hat meine Freundin bereits überschritten, weshalb ich erneut das Fenster öffne und nach ihr Ausschau halte. Doch weit und breit ist nichts von ihr zu sehen und so nehmen meine Gedanken weiter ihren Lauf.

Es gibt Zeiten, die wirklich herausfordert sind. Und von meinem Gefühl her würde ich sagen, dass wir Menschen uns in einer durchaus herausfordernden Zeit befinden. Wir machen uns Sorgen: Was wird als Nächstes kommen? Kann ich morgen noch einkaufen, die Miete, den Strom und das Benzin bezahlen?

Doch sind es nicht gerade diese Sorgen und die Ungewissheit, die Ängsten Nährboden bieten?

Klar gäbe es uns ein Gefühl von Sicherheit, wenn wir wüssten, was die Zukunft bringt. Doch was, wenn die Zukunft gar nicht in Stein gemeißelt ist, sondern wir alle, jeder Mensch auf diesem Planeten, jeden Tag an unserer gemeinsamen Zukunft mitschreibt? Hat nicht unser heutiges Verhalten einen großen Einfluss auf unsere Zukunft? Und wie würde eine Zukunft aussehen, wenn du sie schreiben könntest? Gäbe es in dieser Welt Menschen, die mit einem Schweineherz leben könnten? Würden sich die Menschen in der Zukunft, die du schreibst, vielleicht von Algen und Insekten ernähren, oder soll es in deiner Zukunft lieber gentechnisch hergestellte Lebensmittel geben? Vielleicht angereichert mit Krankheiten vorbeugenden pharmazeutischen Mitteln?

Sitzt du in deiner Zukunft noch am Steuer deines Autos oder hat das längst die künstliche Intelligenz übernommen und du sitzt nur noch auf dem Beifahrersitz und lässt dich fahren? Vielleicht wäre die künstliche Intelligenz in deiner Zukunft auch in der Lage, alte und kranke Menschen zu pflegen. Wäre das eine Lösung, die du für dich und deine Zukunft anstrebst? Und wie möchtest du wohnen? In untereinander und miteinander vernetzten Hochhäusern, in dem der Kühlschrank eine Bestellung aufgibt, wenn Lebensmittel fehlen und ein Saugroboter den Hausputz macht, während du 10 Stunden am Tag vor deinem Computer hockst? Und wie wäre das Klima, wenn es in deiner Hand läge, weil du ja heute deine und meine und unser aller Zukunft schreibst? Hast du darüber schon einmal nachgedacht?

Als es an der Haustür klingelt, nehme ich gedanklich den Stift vom Blatt Papier meiner Zukunft und ich weiß genau, dass all dies nicht die von mir gewünschte Zukunft wäre und mir wird bewusst, wie groß die Verantwortung jedes einzelnen von uns für unsere eigene, aber auch für unsere gemeinsame Zukunft und die unserer Nachkommen ist.

Als ich die Tür öffne und meine Freundin mit Sturmfrisur vor mir steht und den Satz sagt: „Entschuldige meine kleine Verspätung, aber ich habe es einfach nicht früher geschafft!“, ahne ich, dass es Dinge gibt, die sich auch in Zukunft wohl nicht ändern werden.

 

© Martina Pfannenschmidt, 2022

 

 

Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.

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4 Kommentare:

  1. Liebe Martina,
    deine Gedanken kann ich so gut nachvollziehen. Sie sind (und waren) aktuell und jetzt ganz besonders, da wir gleich von mehreren Angelegenheiten ausgebremst werden und uns noch mehr Gedanken machen als ohnehin schon.
    Ich versuche, mich von den besorgten Gedanken nicht zu sehr einnehmen zu lassen, was mir aber nur schwer gelingt momentan. Da kommt eben einiges zusammen ...
    Und du hast natürlich recht, wenn du feststellst, dass sich einige Dinge niemals ändern werden.

    Herzliche Grüße
    Regina (Ich hatte auch mal eine Bluse mit rosa Luftballons, die hatte ich doch tatsächlich vergessen)

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    1. Liebe Regina, ich hatte nie eine Bluse mit Luftballons darauf. Zumindest kann ich mich an keine erinnern. ;-) - Vielleicht war ja deine Bluse meine Inspiration! Lach! - Danke und LG! Martina

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  2. eine schöne Geschichte ;)
    es ist ganz gut dass wir nicht in die Zukunft schauen können
    und wohl noch besser dass wir sie nicht oder nur bedingt selber schreiben können
    denn jeder würde etwas Anderes wollen
    so müssen wir es einfach auf uns zukommen lassen
    und uns so verhalten dass wir möglichts wenig Schaden anrichten
    leider sehen dass nicht alle so

    liebe Grüße
    Rosi

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    1. Liebe Rosi, 'sich so zu verhalten, dass wir möglichst wenig Schaden anrichten' ist für unser aller Zukunft schon sehr positiv. Aber bewusst das zu erschaffen, was wir möchten, ist oder wäre noch viel wertvoller. Wer Frieden möchte, sollte Frieden säen. Und das fängt schon in unserem Alltag und in unserem Miteinander an. - Hoffen wir, dass in nächster Zeit guter Samen aufgeht. Hab einen ganz schönen und sonnigen Tag - und Danke für deinen lieben Besuch in meinem Bloghaus! Martina

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