Reizwörter: Osterfest, Ergebnis, rostig,
zufrieden, fangen
Wie immer, so findet ihr auch diesmal bei Regina und Lore eine Geschichte (bzw. ein Gedicht) mit diesen Reizwörtern.
Ich
sitze am Frühstückstisch – alleine. Ich sitze oft alleine am Frühstückstisch.
Das ist so, wenn man Single ist. Und doch ist es in den letzten Wochen
irgendwie anders.
Ich
schlürfe meinen heißen Kaffee und mein Blick fällt auf die letzten bunten Eier,
die vom vergangenen Osterfest übrig geblieben sind. Unweigerlich gehen
meine Gedanken zurück in meine Kindheit. Meine Oma machte die schönsten bunten
Eier und sie färbte sie mit Naturfarben. Bei den Roten war Rote Beete im Spiel.
Aber sie färbte auch mit Zwiebelschalen und einer Farbe legte sie sogar zwei rostige
Nägel bei. Das weiß ich noch genau. Das waren nämlich die Blauen. Aber woher
nahm sie die blaue Farbe? Es will mir einfach nicht mehr einfallen. Schade
eigentlich. Ich habe noch gute Erinnerungen an meine Oma, doch manches habe ich
doch vergessen.
Ich
nehme einen Schluck Kaffee und denke nach. Ja, ich gehöre auch zu denen, die
plötzlich viel Zeit haben; die nicht über Ostern verreisen konnten und die
vielen Aktivitäten nicht mehr nachgehen können. Wo fange ich an, wenn
ich aufzählen möchte, was sich für mich alles verändert hat? Aber das ergeht ja
allen anderen auch so und es führt ja zu nichts, wenn man ständig darüber
nachdenkt.
Was
sich bei mir in jedem Fall verändert hat, ist die Tatsache, dass ich jetzt
jeden Tag mit meiner Mutter telefoniere. Sie ist schon über 90 und lebt in
einem Seniorenheim. Eigentlich ist sie noch recht rüstig, doch jetzt verbringt
sie die meiste Zeit des Tages in ihrem Zimmer – alleine. Genau wie ich. Doch
ich denke, das ist doch noch etwas anderes. Ihr wird ein Tablett mit dem Essen
vor die Tür gestellt und sie hat keinerlei Kontakt mehr zu den anderen
Bewohnern des Hauses. Das finde ich irgendwie ganz grausam und ich darf sie ja
auch nicht besuchen. Aber das Telefonieren geht wenigstens.
Früher,
zu Kriegszeiten, hörten die Menschen oft über Monate nichts von ihren Lieben.
Daran mag ich gar nicht denken. Doch zurück zu meiner Mutter. Als ich sie
fragte, wie es ihr geht, antwortete sie, was sie immer antwortet: Ich bin zufrieden.
Das ist so ihr Naturell. Sie fügt sich schnell in neue Situationen ein und ist
kein Mensch, der ständig jammert oder klagt. Auch jetzt nicht. Und darüber bin
ich wirklich froh.
Ich
gieße mir Kaffee nach und schaue dem aufsteigenden Dampf zu. Wahnsinn, wofür
ich plötzlich Zeit habe.
Aufgeräumt
hab ich schon. Alle Schubladen und Schränke sind pikobello in Ordnung. Die
Gardinen hab ich auch schon gewaschen. Das Ergebnis kann sich durchaus
sehen lassen.
Aber
irgendwie ist das schon komisch. Alle Welt räumt auf, schafft Ordnung.
Vielleicht ist das aber nur der Anfang. Also das Aufräumen in den Schränken,
meine ich. Vielleicht kommt da noch viel mehr und wir räumen vor lauter
Langeweile auch in unserem Leben auf.
Wenn
ich genau hinschaue, sehe ich, dass alle plötzlich so viel Zeit haben - und das
ist in unserer schnelllebigen Welt und in unserem getakteten Alltag schon mehr
als ungewöhnlich. Ist das nicht verrückt? Von 100 auf 0 in ein paar Tagen.
Das Erstaunliche ist doch, dass die Welt sich
dennoch weiter dreht – im selben Tempo wie zuvor. Sie lässt sich davon nicht
beeindrucken. – Alles wie immer.
Stellt
euch nur mal für einen Moment vor, es gäbe ab Morgen kein Internet mehr. Keine
digitalen Kanäle, keine Mails.
Doch
so ist es ja nicht. Wir können ja immer noch alles mit allen teilen. Wir können
Kontakte halten. Anders ist es dennoch, als sonst.
Und
noch so vieles ist anders: Die K-Frage – also die Frage nach dem
Kanzlerkandidaten hat sich gewandelt zu einer anderen K-Frage: Wo bitte kann
ich Klopapier kaufen?
Wir
können uns nicht mehr aufhalten, wo wir wollen und auch nicht mehr fortbewegen,
wie wir es gewohnt waren. Etwas hält uns ‚in Schach‘ und zwingt uns, die
Handbremse anzuziehen und wir werden noch zu mehr ‚gezwungen‘. Die Zeit mit
unseren Familien zu verbringen, zum Beispiel, aber auch, einige Familienmitglieder
und Freunde momentan nicht zu sehen.
Gerade
in der Zeit der Kontaktsperre wird wohl jedem von uns bewusst, wie schön und
wichtig der Austausch mit anderen, Geselligkeit und gemeinsame Aktivitäten
sind.
Wir
können also diese Zeit durchaus nutzen, um dankbar zu erkennen, wie unglaublich
wertvoll unsere Familien, Freunde – das Leben überhaupt – ist.
Konsumgüter,
die wie selbstverständlich zu unserem Leben dazu gehörten, stehen momentan
nicht mehr an erster Stelle. Wir sind froh, dass unsere Grundversorgung noch
Bestand hat. Es gibt also wirklich keinen Grund, zu klagen. Wir alle werden
immer noch mit allem versorgt. (Anders ist das bei der K-Frage. Da wird es
schwierig.)
Es
tut einfach gut, zu wissen, dass man sich irgendwann wieder treffen wird. Wie
wird es sein, wenn wir das erste Mal wieder gemeinsam mit unseren Freunden in
der Sonne in einem Café sitzen und unseren Cappuccino trinken? Wird er uns
vielleicht viel besser schmecken, als sonst, weil wir dankbarer sind?
Vielleicht
geht durch das Virus so eine Art Weckruf durch die Menschheit. Das würde ich
mir von Herzen wünschen und auch, dass wir erkennen, dass wir viel sorgsamer
mit der Natur umgehen sollten.
Wir
denken, wir haben alles im Griff. Doch die Natur lehrt uns immer wieder, dass
es anders ist. Sie wird sich niemals von uns Menschen beherrschen lassen.
Aber
es gibt noch viel mehr zu erkennen, denn ich finde den Zusammenhalt, den die
Menschen in diesen Tagen zeigen, wirklich bemerkenswert. Man sieht die Not und
die Lage eines anderen wieder – man sieht sich und man hilft sich wieder.
Da
sind die Jüngeren, die für die Älteren einkaufen. Musiker, die Gratiskonzerte
geben … und … und … und
Jeder
kann sich in diesen Tagen und darüber hinaus mit seinen Gaben und Fähigkeiten
einbringen - und sei es mit einer ‚von-Herz-zu-Herz‘ geschriebenen
Geschichte.
©
Martina Pfannenschmidt, 2020
Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.
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Liebe Martina,
AntwortenLöschenja, so eine von Herz zu Herz geschriebene Geschichte hilft, zum einen dem, der sie schreibt und dem, der sie liest. Ich bin froh, dass wir in dieser schwierigen Zeit an unseren Reizwörtern festgehalten haben, denn deine Geschichte ist sehr gut. sie drückt vieles aus, was mir (auch anderen) so durch den Kopf geht in dieser Zeit.
Vielen Dank für deine Geschichte, herzliche Grüße
Regina
Danke, liebe Regina, für deinen Besuch und den ersten Kommentar an dieser Stelle. - Genau wie du, so kam auch ich gedanklich nicht am aktuellen Thema vorbei. - Liebe und sonnige Grüße! Martina
LöschenLiebe Martina, gut das ich Dich verlinkt habe so finde ich auch die schöne Geschichte, die ich so nachvollziehen kann. Ich bin zwar nicht allein, aber eben auch abgeschirmmt von meinen Kindern. Meine Mutter lebt nicht mehr und ich denke sie hätte auch heute in dieser schwierigen Zeit am Telefon gesagt, "ich bin zufrieden". Vielleicht sagen wir es auch einmal und sind mit wenig zufrieden, wir kommen auch für uns durch schwierige Zeiten. Unsere Eltern haben ganz anderes erlebt!
AntwortenLöschenDir liebe Grüsse und passt auf Euch auf, Klärchen
Da denke ich so oft dran, Klärchen, dass unsere Eltern durch die Kriegsjahre ganz andere Zeiten erlebt haben, als wir. Wenn man von sich sagen kann, dass man zufrieden ist mit sich und seinem Leben, dann ist das wahrlich schön.
LöschenMach es gut, Danke fürs Verlinken, den Besuch und Kommentar! Martina
Guten Morgen liebe Martina,
AntwortenLöschenherzlichen Dank für diese schöne Geschichte, ich hätte sie ( wenn ich denn Geschichten schreiben könnte) auch nicht viel anders geschrieben....
Ich wünsche Dir einen freundlichen Tag!
♥️ Allerliebste Grüße, paß gut auf Dich auf und bleib gesund,Claudia ♥️
Liebe Claudia, wie schön, dass wir gleiche oder ähnliche Gedanken haben.
LöschenKomm gut durch diese Zeit und sonnige Grüße! Martina
Liebe Martina,
AntwortenLöschenvielen Dank für die schöne Geschichte und den Link!
Die K-Frage wird wohl ein Rätsel bleiben. Wozu brauchen die Leute so viel Klopapier? Einige müssen zu Hause ein ganzes Lager haben, auch noch mit anderen Sachen. Ich fürchte, es wird später viel weggeworfen. Mach es gut!
LG Elke
Hallo, liebe Elke, der Dank bezüglich des Links ist ganz auf meiner Seite. - Ja, die Sache mit dem Klopapier erklärt sich mir auch nicht. Daran werden wir uns aber sicher zeitlebens erinnern: 'Weißt du noch, damals, als es kein Klopapier mehr zu kaufen gab.' Lach!
LöschenMach es auch gut und sonnige Grüße! Martina
Liebe Martina ich grüße Dich.
AntwortenLöschenDanke für Deine Gedanken, ich besuche Dich immer wieder gern.:)
Zufriedenheit, Liebe und innere Harmonie des Herzens, sind die wichtigsten Güter die war haben können.
Ein schönes Wochenende
wünscht Dir Helga
... und die (wichtigste Güter) können wir nirgendwo kaufen. Wir können sie nur in uns entstehen lassen. - Danke für deinen Besuch - und hab auch du einen schönen und sonnigen Sonntag! Martina
Löschendu hast sicher den meisten aus der Seele geschrieben ..
AntwortenLöschenauch ich kann eigentlich sagen .. ich bin zufrieden
aber grausam finde ich das was deine Mutter im Heim erleben muss ..
das ist ja wie im Knast..
die Zimmer müssen doch auch sauber gemacht werden .. also geht personal hinein.. da können sie doch auch das Eassen auf den Tisch stellen
und ein paar Worte wechseln..
mit Abstand ..versteht sich
was bin ich so froh dass ich meinem Vater ausreden konnte in ein Heim zu gehen ..
pass gut auf dich auf
Rosi
Hallo, liebe Rosi, es ist nicht meine Mutti, die dies erleben muss. Sie lebt schon seit 10 Jahren nicht mehr. Es ist 'nur' eine erfundene Geschichte und keine Realität. Auch wenn ich in der Ich-Form schreibe, erzähle ich nie von mir. ;-)
LöschenHab einen ganz schönen Sonntag! Martina
;)
Löschenich glaube es ist trotzdem in manchen Fällen genau so
liebe Grüße
Rosi
spät aber sie kommt Martinchen hat wieder philosophiert, sehr gut und treffend und in vielen Gedanken kann man sich selbst wiederfinden. Schön hast du das gemacht aber leider plagt mich jetzt der Gedanken wie man früher die Eier blau gefärbt hat.(grinsen)
AntwortenLöschenWünsche dir einen schönen Tag, bleibt gesund.