Samstag, 25. Januar 2020

Undankbar


"Du bist undankbar!“ – Diese Worte meiner Mutter hallen wieder und wieder durch meinen Kopf, dabei liegt es schon einige Zeit zurück, dass sie mir diese an denselben geworfen hat.
Warum triggern mich ihre Worte derart an?
Hat sie damit vielleicht einen wunden Punkt getroffen?
Ich entnehme dem Trockner die Wäsche und lege sie zusammen. Wie schon 1000 Male zuvor räume ich diese in die Schränke der Kinder und auch in meinen Kleiderschrank.
Soll ich etwa dankbar sein dafür, dass ich dies tun muss?
Jeden Tag aufs Neue?
Jeden Morgen schmiere ich die Brote für die Kinder und meinen Mann. Ich packe alles in Boxen, lege etwas Obst dazu und stelle es zum Mitnehmen bereit. Und selbst das klappt nicht ohne meine Aufforderung, dies zu tun.
Muss ich dafür dankbar sein?
Jeden Tag räume ich alle Zimmer auf, mache die Betten, kaufe ein, koche das Essen, sauge in allen Räumen.
Ist das etwas, für das ich Dankbarkeit verspüren müsste?
Und ist es nicht mein Recht, mich darüber zu ärgern, wie undankbar die anderen sind? Das niemand sieht, was ich jeden Tag leiste. Niemand!
Ich gehe in die Küche, mache mir eine heiße Schokolade und träume mich in ein anderes Leben hinein.
Wie schön wäre es, jeden Morgen zur Arbeit fahren zu dürfen. So wie früher, bevor die Kinder geboren wurden.
Wie schön wäre es, für den Chef allmorgendlich einen Kaffee zu kochen und sich von ihm schikanieren zu lassen.
Okay, selbst ich bemerke den Sarkasmus meiner Gedanken und ich merke, dass es das auch nicht ist, was mich dankbar und glücklich machen würde.
Also müsste ich doch dankbar sein für mein jetziges Leben.
Ich wollte doch immer Kinder. Aber irgendwie habe ich mir meinen Alltag anders vorgestellt. Tagein, tagaus die gleichen Aufgaben. Und niemand, der diese Arbeit wirklich sieht und wertschätzt. Wie soll man da Dankbarkeit empfinden?
Ich nehme einen Schluck meines Getränks, spüre die Süße auf meiner Zunge und träume weiter meinen Tagtraum.
Wie wäre es, wenn es an diesem Wochenende endlich mit einem Lottogewinn klappen würde? Nicht nur so ein paar Tausend Euro. Nein, gleich eine Million oder besser noch zwei oder drei Millionen.
Dann könnte ich mir eine Haushaltshilfe leisten und eine Köchin. Ich könnte jemanden einstellen, der sich um den Garten kümmert und die Kinder zum Sport und zum Ballett fährt.
Abends ginge ich mit meinem Mann Essen, ins Kino, in die Oper und für die Kinder würde ich ein Kindermädchen einstellen.
Wir könnten in den Urlaub fliegen, am Strand liegen und wir könnten vielleicht ein eigenes Boot besitzen.
Dann, ja dann würde ich dankbar sein für mein Leben und glücklich obendrein. Aber so, wie es jetzt ist? Nein, dafür kann ich keine Dankbarkeit empfinden.
So vergeht auch dieser Tag, wie alle anderen Tage zuvor und ich ersticke fast in dieser Eintönigkeit meines Seins.
Doch dann tritt Biggi in mein Leben. Sie zieht in das Haus nebenan, indem zuvor eine ältere Dame wohnte.
Biggi strotzt nur so vor Selbstbewusstsein und Lebensfreude und das, obwohl ihr Alltag dem meinen doch sehr gleicht.
Sie wirkt im Gegensatz zu mir glücklich, angekommen und ja, auch dankbar.
Wie ist das möglich?
Im Laufe der Zeit freunden wir uns an und eines Tages traue ich mich, sie zu fragen, warum sie den Eindruck vermittelt, dankbar für ihr Leben zu sein.
Ich kann mich noch genau an ihren Gesichtsausdruck erinnern, als sie mich fragte: „Wie kommst du nur darauf, dass es anders sein könnte? Wie soll es mir denn möglich sein, nicht dankbar zu sein?“
Und so erzähle ich ihr von meinem Alltag und auch von meinen Träumen.
Sie hört mir aufmerksam zu, überlegt eine Weile und fragt mich dann: „Was ist das Liebste und Wertvollste, das du im Leben besitzt?“
Da muss ich nicht lange nachdenken. Das ist natürlich meine Familie und das sagte ich auch so.
„Okay!“, meint sie. „Dann stell dir doch bitte einmal vor, die vier Menschen, die dir am wichtigsten sind, kämen heute Abend nicht mehr nach Hause.“
„Biggi!“, rufe ich entsetzt, „das wäre das Schrecklichste, was geschehen könnte.“
„Warum?“, fragt sie mich leicht provozierend. „Ist es nicht dein Traum, all diese Dinge wie Brote schmieren, hinter den Kindern herzuräumen, Wäsche waschen und bügeln, nicht mehr tun zu müssen? Du müsstest doch eigentlich dankbar sein dafür, dass sich dein Alltag sehr verändern würde. Du bräuchtest all diese verhassten Dinge nicht mehr zu tun. Das müsste doch für dich das wahre Paradies bedeuten.“
Klar bringt sie mich damit zum Nachdenken. Wenn man sich mit all seinen Gefühlen wirklich in diese Situation hinein versetzt, merkt man plötzlich, wie furchtbar dieser Zustand wäre.
„Weißt du“, gibt mir Biggi noch mit auf den Weg, „wenn wir unseren Blick immer nur auf unseren vermeintlichen Mangel richten, statt auf die Fülle, die uns umgibt, werden wir undankbar und wir werden nicht mehr schätzen, was wir haben.
Und es muss gar nicht immer so eine große Sache sein, von der wir uns vorstellen sollten, dass sie uns fehlt. 
Was wäre, wenn man dir die Waschmaschine weg nähme? Was wäre, wenn du keine Brote mehr schmieren könntest, weil es einfach kein Brot mehr zu kaufen gäbe. Und was wäre, wenn deine Kinder gar keine Spielsachen besäßen, weil ihr sie euch einfach nicht leisten könntet?
Richte deinen Fokus einfach auf all das Gute und Positive, das dich umgibt und nicht auf den vermeintlichen Mangel“, rät sie mir weiter und fügt an: „Ihr seid gesund. Du kannst all diese Arbeiten tun, denn du hast alle Gliedmaßen, die du dafür benötigst. Ihr habt ein Haus, einen Garten, frisches Wasser, genug Lebensmittel. Ihr habt auch Freizeit und die Freiheit, zu sagen, was ihr denkt.
Sag ehrlich, sind das nicht genügend Gründe, um dankbar zu sein?“

© Martina Pfannenschmidt, 2020






Diese Geschichte nimmt an Elkes 'froher und kreativer Linkparty' teil.
Hier geht es zu Elke und ihrem 'Kleinen Blog'. KLICK!

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11 Kommentare:

  1. Das ist eine wunderbare Zusammenfassung! Trotzdem beleuchtet das nur die eine Seite, nämlich die Dankbarkeit, die man selbst empfinden kann und und sich zusprechen kann. Das enthebt aber die anderen nicht von der Aufgabe, ebenfalls Wertschätung weiterzugeben. Ich glaube, jeder Mensch ist auch ein wenig auf Wertschätzung angewiesen, für das, was er leistet. Und wenn das Gleichgewicht aus Geben und Nehmen ins Wanken gerät, dann kann durchaus berechtigterweise auch das Zufriedenheitsgefühl aus den Fugen geraten, ohne dass man gleich das ganze Lebenskonstrukt in Frage stellt. Jeder, der andere von unangenehmen Aufgaben freihält, darf auch ein wenig Wertschätzung durchaus mal einfordern. ;-) LG Tanja

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    1. Liebe Tanja, ich danke dir sehr für deinen Kommentar und deine Gedanken.
      Ich weiß nicht, ob du zurück kommst, doch ich habe vor einiger Zeit zum Thema 'Wertschätzung' eine Geschichte geschrieben und stelle hier mal den Link dorthin ein (ich hoffe, das geht überhaupt:-): https://von-herz-zu-herz-geschichten.blogspot.com/2017/11/wertschatzung.html
      Meine Gedanken nehmen da zwar auch nochmal eine andere Richtung, als deine, aber vielleicht interessiert dich die Geschichte und das Thema ja auch. - LG! Schön, dass du hier warst! Martina

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  2. Ja, so ist es. Manchmal lohnt es sich, die Dinge mit einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Dazu passt dieser Text, den ich auf FB geteilt habe:
    Ich bin dankbar...
    ●für die Steuern💸, die ich zahle, weil das bedeutet, ich habe Arbeit💪 und Einkommen💶
    ●für die Hose👖, die ein bisschen zu eng 🤨sitzt,weil das bedeutet, ich habe genug zu Essen🥘
    ●für das Durcheinander🌪 nach einer Feier🥂, das ich aufräumen muss, weil das bedeutet, ich war von lieben❤ Menschen👨‍👩‍👧‍👦 umgeben
    ●für den Rasen🌱, der gemäht, die Fenster🖼, die geputzt werden müssen, weil das bedeutet, ich habe ein Zuhause🏡
    ●für die laut geäußerten Beschwerden🗣 über die Regierung🏫, weil das bedeutet, wir leben in einem freien Land 🏳‍🌈und haben das Recht auf freie Meinungsäußerung📰
    ●für die Parklücke🅿, ganz hinten in der äußersten Ecke des Parkplatzes, weil das bedeutet, ich kann mir ein Auto 🚗 leisten
    ●für die Frau👱‍♀, die in der Gemeinde hinter mir sitzt und falsch 🎶singt, weil das bedeutet, dass ich gut hören kann🙉
    ●für die Wäsche 👕und den Bügelberg🤦‍♀🏔, weil das bedeutet, dass ich genug Kleidung👔 habe
    ●für Müdigkeit😴 und schmerzende Muskeln am Ende des Tages🌅, weil das bedeutet, ich bin fähig hart zu arbeiten
    ●für den Wecker⏰, der morgens klingelt, weil das bedeutet, mir wird ein neuer Tag☀geschenkt🎁!
    LG Elke

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    1. Elke, das ist ein grandioser Text.
      Danke, dass du ihn mit mir (uns) teilst.
      LG Martina

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  3. eine schöne Geschichte
    und ja.. ich kann sie so voll und ganz nachvollziehen
    es war schon manchmal sehr scher das Glas halb voll zu sehen anstatt halb leer
    und ich hatte schon mal eine "Stellenanzeige" aufgeschrieben in der ich meinen "Job" zur Disposition gestellt habe ;)
    aber irgendwann wächst es sich aus und auch das letzt Küken verlässt das Nest ..
    die Antwort oben drüber finde ich auch seeehr gut ..

    liebe Grüße
    Rosi

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    1. Jetzt hab ich breit grinsen müssen. Die Sache mit der Stellenanzeige finde ich grandios, aber der Satz: 'Es wächst sich aus' toppt die Sache noch!!!
      Danke für den Besuch und deinen Kommentar! LG und pass auf, dass du heute nicht davon wehst! Martina

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  4. Guten Morgen liebe Martina,
    herzlichen Dank für diese wunderbare Geschichte!
    Ich wünsche Dir einen schönen und hoffentlich nicht allzu stürmischen Tag!
    ♥️ Allerliebste Grüße,Claudia ♥️

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    1. Guten Morgen, liebe Claudia! Danke, dass du bei mir gelesen hast - und ja, heute wird es stürmisch! - Pass also auf dich auf! - LG Martina

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  5. Liebe Martina, ich grüße Dich.Sehr schön geschrieben hast Du über dieses wichtige Thema.
    Dankbarkeit verändert unsere innere Einstellung zum Leben und lässt uns glücklich und zufrieden werden.
    Gründe zur Dankbarkeit gibt es tonnenweise.:)
    Alles Liebe.
    Helga

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    1. Ja, die gibt es, liebe Helga, wenn man seinen Blick danach ausrichtet. - Es ist genau so, wie du schreibst: Es geht um unsere innere Einstellung. - Hab einen ganz schönen Tag! Martina

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  6. Strange "water hack" burns 2lbs overnight

    Over 160 000 women and men are using a easy and secret "water hack" to lose 2 lbs each night in their sleep.

    It is proven and it works every time.

    This is how you can do it yourself:

    1) Go get a clear glass and fill it with water half glass

    2) Then follow this strange hack

    and you'll become 2 lbs thinner the next day!

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