Mit
einem Seufzer und den Worten: „Meine Güte, bin ich platt!“, ließ sie sich auf
den nächstbesten Sessel fallen.
Jens
sah seine Frau an und meinte mitleidsvoll: „Das macht bestimmt die Hitze. Die setzt in diesen Tagen vielen Menschen zu.“
„Mag
sein, aber ich vermute, dass mir Katja mehr zugesetzt hat, als die Hitze!“
„Ach
ja, hab ich ganz vergessen. Du hast dich ja mit deiner Freundin getroffen. Wo
hab ich nur wieder meine Gedanken?“
Dabei
grinste er breit.
„Ja,
wo hast du nur wieder deine Gedanken“, frotzelte seine Angetraute, „wie immer
bei der Börse oder anderen Zahlen, nur nicht bei mir.“ Dabei zog sie eine
Schnute.
Jens
legte seine Zeitschrift beiseite: „Und, was hat sie von sich gegeben, deine
beste Freundin?“
„Ach,
frag nicht. Irgendwie ist es immer dasselbe mit ihr. Sie sitzt auf ihren Eiern wie
eine Ente und brütet und brütet, anstatt einmal aufzustehen, um einen anderen
Blickwinkel auf ihre Probleme zu bekommen.“
„Ach,
das alte Thema. Aber du gibst nicht auf, oder?“
„Nein,
so schnell gebe ich nicht auf. Auch wenn sie zischt und um sich hackt, wie eine
Ente es tut, wenn man sich ihren Eiern zu sehr nähert.“
„Du
mit deinen Vergleichen!“
„Aber
es trifft doch den Kern, oder nicht?“
Jens
nickte.
„Weißt
du, sie hört nicht auf, die alten Wunden wieder aufzureißen. Ihre quasselnde
Stimme im Kopf hört einfach nicht auf, ihr Gedanken einzureden, die ihr nicht
gut tun.“
„Und
was denkst du? Woher rühren die?“
„Ich
kenne Katja ja schon lange und vermute, dass der Grundstein für ihre
Selbstzweifel in ihrer Kindheit zu finden ist.“
„Das
ist durchaus möglich. Wie oft sagen uns unsere Eltern, was wir zu tun und zu
lassen haben.“
„Und
übergangslos machen die Lehrer damit weiter“, warf Nicole ein,
„und
irgendwann können wir unsere eigenen Gedanken nicht mehr von denen
unterscheiden, die uns eingeredet wurden und so denken wir ständig, nicht gut
genug zu sein oder nicht genug zu haben.“
Simba,
der schwarze Kater der Familie, kam ins Zimmer geschlichen und legte sich
schnurrend vor Nicoles Füße.
„Du
hast es gut“, meinte sie, „du kennst weder Selbstzweifel, noch vergleichst du
dich mit anderen Katern.“
Jens
stimmte seiner Frau zu: „Wie wahr! Sich ständig mit anderen zu vergleichen,
macht uns letztendlich nicht nur traurig, sondern vielleicht sogar krank.“
„Was
denkst du“, fragte Nicole, „ob Simba auch Gedanken kennt?“
„Keine
Ahnung“, erwiderte ihr Mann, „ich glaube, wir Menschen denken bis zu 80.000
Gedanken pro Tag.“
„Das
ist doch irre, oder?“
„Ja,
ist es!“
„Weißt
du, ich denke oft, wie viel besser Katja sich fühlen würde, wenn sie endlich
ihre destruktiven Gedanken loslassen würde. Sie erkennt gar nicht, wie sehr sie
ihr schaden. Sie klammert sich daran fest, wie eine Ertrinkende an ihrem
Rettungsring. Dabei sind wir doch gar nicht unsere Gedanken.“
„Nein,
natürlich nicht. Aber da müssen wir uns wohl fragen, was wir ohne unsere
Gedanken sind. Wären wir überhaupt?“
„Na
klar, wären wir! Wir sind letztendlich das, was die Gedanken beobachten kann! –
Aber Katja beobachtet oder kontrolliert ihre Gedanken nicht, sondern sie lässt
sich von ihren Gedanken kontrollieren. Sie glaubt, was sie ihr einreden.“
Nach
einer Weile sagte Jens: „Und sie erkennt nicht, ob es die Wahrheit ist!“
„Genau
so ist es. Sie ist sozusagen die Sklavin ihrer Gedanken.“
„Wie
furchtbar!“
„Finde
ich auch“, erwiderte Nicole betrübt, „aber sie verharrt in ihren alten Gedankenmustern,
erkennt nicht, dass sie die Gedanken anderer zu ihren gemacht hat. Sie ist wie
eine Gefangene ihrer eigenen Gedanken.“
„Sie
müsste erkennen“, meinte Jens, „dass wir nicht Gedanken, sondern Bewusstsein
sind, nicht wahr?“
„Genau das versuche ich
schon sehr lange, ihr begreiflich zu machen. Ich habe ihr gesagt, sie solle
sich vorstellen, dass sie das Meer ist und die Gedanken sind nur die Wolken,
die sich darin spiegeln.“
„Ich sag ja, du und deine
Vergleiche“, lachte Jens, „aber der ist echt gut. Denn das Meer interessiert
nicht, ob der Himmel blau ist oder ob weiße oder dunkle Wolken sich in ihm
spiegeln.“
„Genau! Die Oberfläche
verändert sich zwar, denn dunkle Wolken wühlen das Meer auf und ein blauer
Himmel schenkt dem Meer eine blaue Farbe, aber in der Tiefe bleibt es davon
unberührt.“
„Weil das Meer eben das
Meer ist und nicht die dunkle Regenwolke am Himmel!“
Nicole schmeichelte ihrem
Mann: „Ach Schatz, du bist so klug!“
„Bin ich, denn schau: Der
Wind spielt ja auch noch eine Rolle. Wenn er aufkommt, ziehen die dunklen
Wolken weiter. Und wenn wir nun wieder zu den Gedanken kommen, stellen wir
fest, dass sie kommen und auch wieder gehen, wenn wir ihnen keine Bedeutung
beimessen.“
„Weißt du“, schmunzelte
Nicole, weil sie schon wieder einen Vergleich bringen wollte, „beim nächsten Treffen sage ich Katja, dass es mit den Gedanken ist, wie mit einem Radiosender. Den stellt sie doch
auch um, wenn ihr nicht gefällt, was dort läuft.“
„Ach, mein Schatz, du und deine
Vergleiche. Ihr seid echt mit Geld nicht zu bezahlen!“
©
Martina Pfannenschmidt, 2019
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