Der Igel Peter war nun seit einiger Zeit Rentner und lebte glücklich
zusammen mit seiner Frau Heidi im Wald. Sie bewohnten eine kleine Höhle im
Unterholz.
Peter schimpfte so laut über die zu klein gedruckte Zeitung, dass es
seine Frau hörte und zu ihm rannte.
„Was ist nur los mit dir?“, fragte sie ihn. „Weshalb schimpfst du denn
so?“
„Es ist wirklich zum verrückt werden. Warum wird die Zeitung plötzlich
mit kleineren Buchstaben gedruckt?“, empörte sich Peter.
Heidi nahm ihm die Zeitung aus der Hand und dachte: „Die Buchstaben
sehen doch aus wie immer.“
Eine kurze Zeit später knurrte Peter der Magen.
„Heidi, wollen wir zu Mittag essen?“, fragte er seine Frau.
„Können wir machen“, meinte diese und sie gingen gemeinsam zur
Brombeerhecke. Hier am Waldrand wuchsen die schönsten und dicksten wilden
Brombeeren. Daran wollten sie sich heute laben.
„Autsch!“, rief Peter. „Autsch!“ und wieder „Autsch!“
„Was ist denn heute bloß los mit dir?“, fragte ihn seine Frau.
„Ich greife immer daneben und gerate in die Dornen“, maulte Peter.
Mit einer zerkratzten Pfote machte sich Peter mit seiner Frau wieder auf
den Heimweg. Da gab es plötzlich einen dumpfen Knall.
„Nanu“, dachte Heidi „was war das denn?“ Sie drehte sich um und sah –
ihren Peter. Er war voller Wucht gegen einen Baum gelaufen. Da fiel es Heidi
wie Schuppen von den Augen.
„Peter, du kannst nicht mehr richtig sehen. Deshalb bist du gegen den
Baum gelaufen und hast die Brombeeren nicht richtig gesehen und deshalb denkst
du, die Buchstaben in der Zeitung seien kleiner geworden“.
Heidi hatte Recht. Da war guter Rat teuer. Sie überlegte kurz und hatte
plötzlich eine Idee. Ihr fiel ein, dass die beiden Mädchen, die sie auf dem
Spielplatz beobachtet hatte, Brillen trugen.
Heidi verabschiedete sich von ihrem Mann und ging Richtung Spielplatz.
Sie versteckte sich unter einer Hecke und vor Aufregung klopfte ihr Herz ganz
laut. Dann kamen Nina und Lena und setzten sich in den Sandkasten.
„Jetzt ist die Gelegenheit“, dachte Heidi, „ich werde hingehen und sie
fragen. Und wenn sie mir etwas zu leide tun wollen, dann rolle ich mich ein und
dann werden sie sich nicht mehr trauen, mich anzufassen. Denn dann würden sie
sich an meinen Stacheln pieksen.“
Doch soweit sollte es nicht kommen. Igelschnell rannte Heidi zu den
Kindern. „Hallo, Kinder“, sagte sie zaghaft. „Könnt ihr mir sagen, wo man
Brillen kaufen kann? Brillen für Igel?“
Die Kinder waren überrascht. Noch nie waren sie einem Igel so nah
gekommen.
„Meine Mama ist Augenoptikerin. Dort, wo sie arbeitet, habe ich mir die
Brille ausgesucht, die ich trage. Weshalb fragst du?“ forschte Nina nach.
„Weißt du, mein Mann, der Peter, der ist heute gegen einen Baum
gelaufen, weil er ihn einfach nicht gesehen hat. Und jetzt hat er eine dicke
Beule am Kopf und ist ganz unglücklich. Da habe ich gedacht, vielleicht könnt
ihr mir weiterhelfen“, sagte die Igeldame.
„Da werde ich gleich meine Mama fragen“, meinte Nina. „Du kannst ja
einen kleinen Moment dort drüben unter der Hecke warten.“
Schon rannten Nina und Lena los und Heidi flitzte unter die Hecke.
„Mama, du wirst es nicht glauben“, rief Nina. „Wir haben auf dem
Spielplatz einen Igel getroffen. Die Igelfrau sucht für ihren Mann eine Brille,
weil der nicht mehr so gut sehen kann. Kannst du eine Brille machen für den
Igel?“
„Eine Brille, für einen Igel? Na, das ist ja mal ganz was anderes“,
meinte Mama. „Wenn ich morgen zur Arbeit gehe, dann nehme ich deinen Stoffigel
mit. Dann kann ich an ihm Maß nehmen.“
Damit war Nina zufrieden. Sie lief gemeinsam mit Lena wieder zum
Spielplatz zurück.
„Ich habe meine Mama gefragt“, sagte Nina, „sie wird eine Brille für
deinen Mann anfertigen. Komm doch übermorgen um 15 Uhr wieder hier her. Dann
ist sie bestimmt fertig.“
Zwei Tage später stand Nina mit einer Brille auf dem Spielplatz. Mama
hatte dicken Draht gebogen, so war eine Fassung entstanden, in die zwei
winzigkleine Brillengläser passten. Und Bügel hatte die Brille natürlich auch.
Beim Stoffigel saß sie perfekt. Jetzt musste sie nur noch Peter passen.
Heidi kam aus ihrem Versteck und
Nina übergab stolz die Brille, die ihre Mama perfekt hinbekommen hatte. Heidi
bedankte sich und lief schnell zu ihrem Mann zurück.
„Peter, Peter!“, rief sie ihm zu. „Schau nur, was ich dir mitgebracht
habe.“
Peter sah seine Heidi in Windeseile auf sich zukommen. Doch was hielt
sie da nur in der Pfote. Er konnte es auf diese Entfernung nicht erkennen.
Heidi war bei ihrem Mann angekommen und überreichte ihm feierlich die Brille.
Da erst erkannte er, was sie bei sich trug.
Er probierte die Brille gleich auf und siehe da, sie war einfach
perfekt. Und sie stand ihm ausgezeichnet. Peter griff zu seiner Zeitung und
rief: „Hurra, jetzt haben die Buchstaben wieder die perfekte Größe und das
Lesen wird mich nicht mehr so anstrengen. Du bist die allerbeste Frau der
Welt.“
Dann nahm Peter seine Heidi in den Arm – aber ganz vorsichtig, um sich
nicht gegenseitig zu pieksen – und gab ihr einen ganz dicken Dankeschön-Kuss.
© Martina Pfannenschmidt,
2014