Kathrin kam gut gelaunt
aus der Schule heim. Kein Wunder, dass sie gut drauf war. Das Pfingstfest stand
vor der Tür und außerdem noch eine Woche Ferien.
Natürlich bemerkte Oma die
gute Laune ihrer Enkelin sogleich: „Schau mal an. So ein paar freie Tage können
einem schon mal ein Lächeln ins Gesicht zaubern, nicht wahr?!“
„So ist es Omilein.
Außerdem soll das Wetter gut werden. Das ist doch einfach nur klasse.“
Dem konnte Oma nur
zustimmen.
„Wir haben heute in der
Schule über Pfingsten gesprochen und darüber, dass viele gar nicht mehr den
Grund kennen, warum wir dieses Fest feiern“, erzählte Kathrin. „Also, wenn ich
ehrlich bin, hat es mich bisher auch nicht interessiert. Hauptsache frei!“
„Ach Kind, das kann ich
gut verstehen. In der heutigen hektischen Zeit sehnt sich die Menschheit
einfach nur nach Ruhe.“
„Naja“, warf Kathrin ein,
„bei all den Aktivitäten, die viele stattdessen auf dem Plan haben, kann von
Ruhe auch nicht die Rede sein. Aber ein Ausgleich zum Alltag ist es allemal.“
Oma schmunzelte. Ihre
Kathrin war den Kinderschuhen entwachsen und machte sich ihre eigenen Gedanken.
Und das war gut so!
Kathrin kam noch einmal
auf das Pfingstfest zu sprechen: „Also, wenn ich ehrlich bin, hatte ich zwar
auf dem Schirm, dass Pfingsten 50 Tage nach Ostern gefeiert wird. Doch viel
mehr wusste ich nicht. Als wir heute darüber sprachen, dachte ich, dass ich mir
das durchaus vorstellen kann, dass die Jünger den Tod von Jesus und seine
Auferstehung noch gar nicht richtig verarbeitet hatten. Er wird ihnen ganz
schön gefehlt haben und Angst hatten sie bestimmt auch, weil sie nicht wussten,
ob auch sie verfolgt werden. Der Gedanke, ebenfalls gekreuzigt zu werden, muss
schrecklich für sie gewesen sein.“
Oma nickte. „Man kann sich
schwer in die damalige Situation der Jünger hinein versetzen. Doch wenn man es
versucht, kann man sich vorstellen, dass sie es vermieden haben, über Jesus und
die Auferstehung zu sprechen. Sie gingen zwar zum Erntefest, das 50 Tage nach
Ostern stattfand, doch sie waren ängstlich und feierten nicht so fröhlich, wie
der Rest. Das kann man sich wirklich gut vorstellen.“
„Aber dann wird es mit der
Vorstellung schon wieder schwierig“, warf Kathrin ein. „Ich meine den Moment,
wo sie beisammen sind und ein großes Brausen hören.“ Kathrin kicherte: „Also
quasi ein Sturm im Haus!“
Oma bestätigte Kathrins
Aussage mit einem Lächeln.
„Ja, so wird der Heilige
Geist in der Bibel beschrieben. Vorstellen kann man es sich wahrlich schwer.
Doch er bewirkt etwas. Er nimmt den Jüngern die Angst.“
„Und dann wird es noch
verrückter“, meinte Kathrin, „ als plötzlich über jedem Kopf eine kleine Flamme
steht.“
„Vielleicht war das die
Flamme der Weisheit“, meinte Oma. „Auf jeden Fall waren die Jünger anschließend
nicht mehr verzagt, sondern mutig.“
„Die Flamme der Weisheit
könnte ruhig noch einmal zu uns Menschen kommen. Meinst du nicht auch?“
„Gewiss. Besonders zu
manchen Menschen, nicht wahr!“
„Also, ich möchte ja keine
Namen nennen“, meinte Kathrin verschwörerisch, „aber so einigen Mächtigen
dieser Welt täte Weisheit ganz gut.“
Dem war wirklich nichts
hinzuzufügen.
„Warum läuft eigentlich so
vieles schief?“, wollte Kathrin wissen. „Und warum greift Gott nicht ein und
lässt all die Männer, die Kriege anzetteln, einfach von der Bildfläche
verschwinden?“
Kathrins Ausdrucksweise
ließ hier und da vielleicht noch zu wünschen übrig. Doch sie traf schon den
Kern der Sache. Das musste Oma zugeben.
„Dass er dazu in der Lage
wäre, steht außer Frage“, erwiderte Oma. „Du musst aber bedenken, dass Gott den
Menschen einen freien Willen gegeben hat.“
„Also, ich finde, die
Lösung des Problems ist eigentlich ganz einfach“, meinte Kathrin selbstbewusst.
„Wenn jeder Mensch einen anderen Menschen so behandeln würde, wie er selbst
behandelt werden möchte, wäre doch alles gut.“
Kathrins Aussage war
vielleicht kindlich, doch auch hier stimmte die Kernaussage. Aber ein Wort gab
es in diesem Satz, das zeigte, dass die Angelegenheit doch nicht ganz so
einfach ist.
„Es stimmt im großen und
ganzen, was du sagst“, entgegnete Oma. „Doch da ist das kleine Wörtchen
‚eigentlich’ in deinem Satz. Eigentlich ja, aber einige Menschen, die denken
und handeln anders.“
„Da läuft doch was schief
in deren Köpfen, oder, Omi!“
„Es hat zumindest den
Anschein, dass es so ist. Weißt du, manchen Menschen bekommt es nicht, mächtig
zu sein. Sie wollen zeigen, wie wichtig sie sind und spielen mit ihrer Macht
und das kann ganz schön gefährlich werden.“
„Und wie kann man sie
stoppen? Was können wir tun?“
Oma schwieg eine ganze
Weile, was Kathrin zeigte, dass die Antwort darauf nicht einfach ist.
„Nicht beängstigen lassen,
denke ich. Fest daran glauben, dass alles gut wird. Selbst keine kriegerischen
Gedanken hegen. Auch nicht gegen diese Menschen. Wer weiß, vielleicht sind sie tief
in ihren Herzen verletzbar und ängstlich und wollen dies mit ihren Drohgebärden
überspielen. Wir können nur hoffen und darum bitten, dass Gottes Geist über sie
hinweg fegt und sich wie damals zu Jesu Zeiten eine kleine Flamme der Weisheit
auf ihre Köpfe setzt, damit sie mutige, aber friedvolle Entscheidungen treffen.
Wir dürfen nicht aufhören, darauf zu hoffen und darum zu bitten.“
© Martina Pfannenschmidt,
2018