Freitag, 10. November 2017

Ein Tag mit Anni und Heinz

Die Sonne schien auf den Frühstückstisch, der mit allem gedeckt war, was zu einem guten Frühstück am Samstagmorgen dazu gehörte.
 Anni und Heinz genossen die Sonne auf ihrem Balkon und ließen es sich gut schmecken. Die Brötchen waren heute wirklich besonders kross und die selbst gemachte Marmelade mundete beiden.
„Herrlich!“, unterbrach Heinz die Stille. „Was will man mehr. Wir müssen wirklich nicht in den Urlaub fahren. Diese Idylle hier zu Hause und diese Ruhe – einfach nur herrlich.“
Anni stimmte ihm zu. Doch in den Urlaub wollte sie dennoch fahren. Und es wäre gar nicht so schlecht, wenn da mal etwas mehr los wäre, als hier in diesem verschlafenen Nest, in dem sie wohnten. Aber das verriet sie Heinz noch nicht. Sie würde schon etwas Passendes finden.
„Heute Nachmittag soll es regnen“, erzählte Anni. „Ich habe es gestern Abend im Wetterbericht gehört.“
„Na, dann werde ich noch schnell den Rasen mähen, bevor es los geht“, meinte Heinz und machte sich auf den Weg Richtung Garage, um den Rasenmäher zu holen. Anni ging derweil ihrer Arbeit im Haus nach.
Am frühen Nachmittag begann es tatsächlich zu regnen. Schade. Der Tag hatte so herrlich begonnen.
„Wir können ja noch etwas unternehmen“, schlug Heinz vor. Das war wirklich eine sehr gute Idee.
„Heinz, wir könnten doch zu ‚Wohnland’ fahren, wir wollten doch nach einer neuen Tischlampe für das Wohnzimmer schauen“, meinte Anni.
„Also, um bei der Wahrheit zu bleiben“, antwortete Heinz, „du meinst, wir brauchen eine neue Lampe. Aber da ist doch noch gar nichts dran, an unserer Lampe. Die kann man doch nicht einfach so wegschmeißen.“
„Man kann, Heinz, man kann“, war Annis Reaktion. „Dieses alte Ding kann ich nicht mehr sehen und wer weiß, vielleicht fällt sie mir beim Putzen sowieso einmal herunter.“
„Immer muss alles neu kommen. Versteh ich nicht“, murrte Heinz. Anni kannte das schon. Gleich würde er einlenken und sie würden ins ‚Wohnland’ fahren.
„Na gut, von mir aus, aber dann fahren wir auch jetzt gleich“, brummte Heinz.
Keine zwei Minuten später hörte man Heinz rufen: „Anni, bist du soweit?“
„Wie jetzt?“, dachte Anni. „Bist du soweit?“ „Natürlich nicht“, rief Anni zurück, „ich muss mich doch zuerst umziehen.“
„Umziehen?“, hörte man Heinz rufen, der bereits abfahrbereit an der Treppe stand. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mich umziehe. Wir wollen doch nur eine Lampe kaufen und nicht ins Theater gehen.“
Anni hatte jetzt zwei Möglichkeiten. Erstens: Sie nahm ihn mit, so wie er war, oder zweitens:  sie schmollte.
Anni öffnete die Schlafzimmertür und dort stand er, ein Traum von einem Mann: Die Halbglatze - gut, dafür konnte er nichts, war erblich bedingt - zierte eine schwarze Schirmmütze. Unter dem Hals bis knapp in die Taille trug er ein in die Jahre gekommenes und etwas enges hellblaues T-Shirt. Am Bündchen schauten neckisch ein paar Härchen heraus – es fehlten halt 2 cm bis zum Hosenbund. Dann folgte eine olivgrüne 7/8 Hose. Die Füße zierten graue selbst gestrickte Socken und offene Latschen. Nun war guter Rat teuer.
Anni wusste: Er würde sich nicht umziehen, was auch immer sie an Argumenten bereit hätte. Also atmete sie tief durch.
Doch etwas ging gar nicht: die Socken.                                          
„Von mir aus kannst du so bleiben“, lenkte Anni ein, „aber die Socken, die gehen gar nicht. Wenn du sie ausziehst, dann können wir los.“
Und tatsächlich. Heinz zog die Socken aus und die beiden fuhren zum Möbelhaus und fanden eine Lampe, die sogar Heinz gefiel. Anschließend gingen sie in ein Café, aßen  leckeren gedeckten Apfelkuchen und tranken Cappuccino.
„Siehste, Anni“, kommentierte Heinz den Nachmittag, „kein Mensch hat mich angesprochen, wie unmöglich ich angezogen sei. Du machst immer viel zu viel Gedöns um die Klamotten.“
Anni stopfte sich ein Stück Apfelkuchen in den Mund. Das war allemal besser, als zu explodieren.
„Man muss die Menschen einfach so nehmen, wie sie nun mal sind“, dachte Anni. „Und schließlich habe ich mich ja in ihn verliebt, weil er so ist, wie er nun mal ist“.


© Martina Pfannenschmidt, 2014