Freitag, 10. November 2017

Adventszeit

Als Finn das Wohnzimmer betrat, stand Mama auf einem Stuhl.
„Mama, was machst du da?“, fragte er.    
„Ich versuche, eine Schraube in die Decke zu bekommen“, antwortete Mama, „denn ich möchte den Adventskranz in diesem Jahr aufhängen. Das sieht besonders festlich aus.“
„Ist jetzt schon Advent?“, fragte Finn aufgeregt.
„Morgen ist der 1. Advent. Dann zünden wir die 1. Kerze an.“
„Bekomme ich dann auch einen Adventskalender, Mama?“
„Wir können ihn zwar schon aufhängen, aber öffnen darfst du ihn noch nicht.“
„Warum nicht? – Das ist gemein.“
„Nein, Finn, das ist nicht gemein. Pass auf, ich erkläre es dir. So ein Adventskalender hat 24 kleine Türchen. Am 1. Dezember beginnen wir damit, täglich eines zu öffnen. In diesem Jahr fängt die Adventszeit aber schon im November an. Und deshalb musst du noch 3 x schlafen, bis du das erste Türchen öffnen darfst.“
„War das auch schon so, als du noch ein Kind warst?“, wollte Finn wissen.
„Ja, leider war das auch damals schon so und ich war genau so traurig darüber, wie du jetzt.“
„Hattest du auch Ritterfiguren in deinem Kalender?“
„Nein, Finn. Das gab es noch nicht. Als ich Kind war, da war hinter jeder Tür ein kleines Stückchen Schokolade und ein hübsches Bild. Aber das kennst du ja, diese Kalender gibt es ja heute noch.“
Es klingelte an der Haustür und Finn rannte sogleich los.
„Es ist Opa“, rief er. Dann öffnete er ihm die Tür.
„Hallo Opa, hattest du auch einen Adventskalender, als du noch klein warst“, fragte Finn sogleich.
„Ja, ich hatte auch einen Adventskalender. Aber darf ich zuerst einmal reinkommen?“, fragte Opa schmunzelt.
Klar durfte er reinkommen.
Dann erzählte Opa von seinem Adventskalender und davon, dass es früher noch keinen gab und die Eltern sich etwas Anderes für die Kinder einfallen ließen.
Die Uroma von Opa backte Plätzchen und nähte 24 davon mit einem Faden an ein Stück Stoff. Der Papa von Opa durfte dann jeden Tag ein Plätzchen essen.
Bei manchen Familien machte man 24 Kreidestriche an die Tür und die Kinder durften jeden Tag einen Strich weg wischen.
„Striche an der Tür“, meinte Finn, „das finde ich doof. Dann hätte ich lieber die Plätzchen genommen. Aber noch besser finde ich die Ritterfiguren.“
„Ich kann dich gut verstehen“, sagte Opa, „doch weißt du, Finn, wir sollten nicht vergessen, weshalb wir Kerzen anzünden und schließlich Weihnachten feiern.“
„Na, wegen der Geschenke“, meinte Finn, „das ist doch ganz klar.“
„Eben nicht, Finn. Es geht nicht darum, dass wir riesig viele Geschenke bekommen und auch nicht darum, täglich Süßigkeiten im Adventskalender zu finden. Eigentlich sollen wir uns in der Adventszeit auf die Geburt von Jesus vorbereiten.“
„Weihnachten ohne Geschenke, das wäre aber ein echt blödes Fest“, meinte Finn.
„Da hast du Recht. Und weil Gott die Menschen mit der Geburt von Jesus beschenkt hat, beschenken wir uns noch heute an diesem Tag.“
„Das ist toll“, sagte Finn.
„Ja“, meinte Opa, „dass es Geschenke gibt, ist toll und dass Jesus geboren wurde, das ist auch toll.“
„Was ist denn eigentlich so besonders an Jesus?“, fragte Finn.
„Das ist gar nicht so einfach zu erklären“, meinte Opa. „Hier auf der Erde gibt es Menschen, die lieb und leider auch Menschen, die böse sind.“
„Ich bin aber nicht böse – oder?“
„Nein, mein Junge, du bist nicht böse.“
„Und Jesus“, fragte Finn weiter, „war Jesus böse?“
„Nein, Jesus war auch nicht böse. Ganz im Gegenteil. Jesus kam auf die Welt, um den Menschen zu zeigen, wie man sich verhalten soll, wenn man lieb sein möchte. Und das ist manchmal gar nicht so einfach.“
„Das stimmt. Wenn der Tim wieder mit mir streitet und ich das gar nicht will, dann ist dass gar nicht so einfach. Dann fängt er nämlich an, mich zu schupsen und wenn ich mich dann nicht wehre, dann sagen die anderen Kinder, ich sei ein Feigling. Ich will aber kein Feigling sein. Aber böse will ich auch nicht sein.“
„Siehst du, genau das meine ich. Es ist gar nicht so einfach, ein lieber Mensch zu sein. Doch wir wollen uns bemühen, nicht wahr, Finn.“
„Ja, Opa! Und zu Weihnachten da möchten wir Geschenke und im Advent einen Adventskalender und Plätzchen und Kerzen. Und auf den Weihnachtsmarkt, da gehen wir auch, oder?“
„Natürlich! Wir machen es uns recht gemütlich in der Adventszeit und zu Weihnachten, aber wir wollen auch an Jesus denken und zu Weihnachten lesen wir die Geschichte von seiner Geburt.“
„Ja, das machen wir, Opa. Und du bringst die Oma mit und dann singen wir Weihnachtslieder. Aber zuerst öffnen wir die Geschenke. Wollen wir es so machen?“
„Genau so machen wir es, Finn.“

© Martina Pfannenschmidt, 2014