Heute ist der 15. Januar und die erste Geschichte des neuen Jahres geht an den Start.
Ich hoffe sehr, dass ihr alle gesund seid und freue mich über euren Besuch.
Wir (Lore, Regina und ich) haben vereinbart, dass wir in nächster Zeit zwei Geschichten pro Monat einstellen werden, und zwar wie gewohnt am 15. eines Monats und zusätzlich am 30..
Reizwörter: Trennung, Gemurmel, spürbar, überflüssig, wahrnehmen
Das Jahr 2020 hatte all seine Monate zu einem unerwarteten Zusammentreffen geladen. Das war ein Geraune und Gemurmel, als
sie aufeinander trafen.
Doch als das Jahr seine Stimme erhob und um Stille
bat, konnte man eine Stecknadel fallen hören.
„Ihr Lieben“, hob es an, „ich freue mich, dass Ihr
meiner Einladung gefolgt seid. Sicher fragt Ihr Euch, weshalb wir heute hier
zusammen gekommen sind.“
Niemand traute sich, darauf etwas zu erwidern, war
doch die Anspannung des Jahres für alle spürbar.
„Wir sind hier zusammen gekommen“, fuhr es deshalb fort,
„weil die Menschen sich über mich bzw. uns beklagt haben. Sie sagen, das Jahr
2020 wollen sie so schnell es geht vergessen, weil es ein furchtbares und
schreckliches Jahr war. Ich muss sagen, das trifft mich hart. Und deshalb frage
ich mich, was können wir alle in diesem gerade begonnenen neuen Jahr anders
machen und verbessern?“
Zunächst herrschte betretenes Schweigen. Die Monate
sahen sich gegenseitig etwas verlegen an. Doch dann erhob sich der frostige
Januar.
„Also“, begann er mutig, „ich bin dem Gott des
Anfangs und des Endes gewidmet und so kann ich mit meinen zwei Gesichtern
sowohl in die Vergangenheit, als auch in die Zukunft schauen.“
„Und“, fragte das Jahr erwartungsvoll, „was siehst
du für die Zukunft?“
„Nun, die Zukunft liegt wie immer hinter einem
Schleier verborgen. Das mag daran liegen, dass es von den Entscheidungen der
Menschen abhängt, wohin sich ihr eigener, aber auch der Zustand der Welt,
entwickelt.“
„Soso, das ist sehr interessant, was du da sagst. Du
meinst also, es liegt gar nicht an mir oder an uns, dass das vergangene Jahr
für die Menschen nicht so lief, wie erhofft?“
„Das denke ich“, antwortete der Januar und setzte
sich wieder.
„Möchtest du auch etwas sagen?“, fragte das Jahr den
Kleinsten in der Runde.
„Also, ich glaube, mich haben die Menschen im
vergangenen Jahr sehr gemocht, zumal ich ihnen ja einen Tag mehr geschenkt
habe, als in den drei Jahren zuvor. All diejenigen, die am 29. Februar
Geburtstag hatten, freuten sich über mein Erscheinen.“
„Soso“, erwiderte das Jahr abermals, „dann kann es
ja nicht an dir gelegen haben, dass das Jahr 2020 einen solch schlechten Ruf
hat.“
„Na, ich weiß nicht so recht“, entfuhr es dem März
etwas schnippisch. „Ich glaube, manche Menschen finden den 29. Februar völlig überflüssig.
Schließlich bedeutet er für sie noch einen Tag Arbeit mehr.“
So langsam dämmerte es dem Jahr. Es hatte den
Anschein, als könne man es den Menschen schwerlich recht machen. Doch er wollte
in jedem Fall noch hören, was die anderen Monate zu berichten hatten.
„Danke für deinen Einwand, März. Vielleicht möchtest
du noch ein bisschen erzählen, wie es dir denn so ergangen ist.“
„Irgendwie scheine ich der Bösewicht des Jahres zu
sein“, meinte er daraufhin verärgert. „Im März kam es nämlich zum ersten
Lockdown des Jahres. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie sauer die Menschen waren?
Ich habe das schon früh zu spüren bekommen.“
„Aber sonst freuen sich die Menschen doch immer auf
dich. Es wird wieder heller und wärmer, die ersten Blümchen zeigen sich“, warf
das Jahr ein.
„In anderen Jahren war es so“, entgegnete der März
zustimmend, „aber im vergangenen Jahr war es ganz anders. Viele Menschen haben all
dies aus Angst oder Ärger gar nicht wahrnehmen können.“
„Danke, März, für deine Einschätzung. Lieber April,
wie ist es dir ergangen? Magst du uns davon erzählen?“
Der April machte eine abweisende Bewegung. „Mich
mochten die Menschen schon gar nicht. Nicht nur, dass sie sich über das
typische Wetter beklagten, dass ich in jedem Jahr im Gepäck habe. Nein, im Jahr
2020 kam die Maskenpflicht zu dieser Zeit. Ich kann also sagen: besonders
beliebt war ich nicht.“
„O je, o je! Und du, lieber Mai, was hast du zu berichten?“
Und so erhob sich der Mai und verkündete mit stolz
geschwellter Brust, dass sich die Menschen nichts sehnlicher gewünscht hatten,
als das er auf der Bildfläche erschiene und den garstigen Monaten und dem Virus
den Garaus machte.
„Wenn ich erscheine, freuen sich die Menschen immer,
weil es wärmer wird und bunter und weil die Tage wieder länger werden“,
jubilierte er selbstbewusst.
Das brachte natürlich den März und den April auf: „Wie
kannst du so etwas sagen“, fuhren sie ihn an. „Auch wir gehören zu den
Frühlingsmonaten.“
„Mag sein“, erwiderte der Mai von oben herab, „aber
Ihr müsst schon zugeben, dass ich es bin, der dem Frühjahr seinen Glanz
verleiht.“
„Eingebildeter Fatzke!“, entfuhr es dem März.
„Nun, wir sollten uns nicht streiten“, rief das Jahr
energisch dazwischen, „dazu ist die Lage viel zu ernst.“
Der Mai schien jedoch den Eindruck gewonnen zu
haben, dass man ihn noch nicht gebührend gewürdigt hatte, weshalb er ungeachtet
des Einwurfes weiter redete.
„Mich bezeichnet man als Wonnemonat. Das zeigt doch
schon, dass ich der wichtigste Monat im Frühjahr, wenn nicht im ganzen Jahr
bin. Bei mir steht alles in Blüte und es gibt schon jede Menge Sonnentage!“
„Hör auf, du Angeber“, erzürnten sich nun die
Sommermonate. „Zu keiner Zeit ist es schöner und wärmer, als im Juni, Juli und
August!“
„Schluss!“, fuhr das Jahr dazwischen. „Wir sind
nicht hier, um uns zu streiten, sondern um jeden zu Wort kommen zu lassen.
Schließlich wollen wir ja im neuen Jahr vieles anders und besser machen.“
„Besser machen?“, begehrten die Herbstmonate auf.
„Was sollen WIR denn besser machen? Wir tun doch nur unsere Arbeit. Wir tragen
ganz gewiss nicht die Schuld daran, wenn ein Jahr für die Menschen nicht so lief,
wie sie es sich erhofft haben. Und noch etwas: anstatt dass sie dankbar sind über
die Unterschiede, die jeder von uns bei sich trägt, schimpfen sie oft über
einen von uns. Keine Jahreszeit scheint es ihnen recht machen zu können.“
Die anderen nickten zustimmend. Dann ergriff der
Dezember das Wort.
„Ich würde gerne noch etwas sagen“, hauchte er, um
seine Kälte nicht im ganzen Raum zu verteilen. „Im Dezember feiern die Christen
Weihnachten. Doch im vergangenen Jahr war alles anders, als in all den Jahren
zuvor, weil die Menschen erkannten, dass die wichtigsten Geschenke nicht unter
dem Baum lagen, sondern mit ihnen am Tisch saßen. Das Gefühl hat sehr vielen in
den Jahren zuvor gefehlt. Außerdem hat ihnen die Trennung von
lieben Menschen an den Weihnachtstagen gezeigt, wie wichtig Familie und Freunde
doch sind.“
Nach den Ausführungen des Dezembers war es unter den
Monaten sehr still geworden. Sie erkannten, dass auch sie zusammen gehören, wie
eine große Familie. Niemand stritt mehr. Jeder freute sich an dem anderen.
„Nun, ich denke, es ist alles gesagt“, beendete das
Jahr das Treffen, „nur noch eines möchte ich zu bedenken geben: ich habe den
Eindruck, dass das Ende oder der Anfang eines Jahres eine gute Gelegenheit
bieten, um über das Leben nachzudenken. Vielleicht ist es einigen Menschen am Silvesterabend
klar geworden, dass ein ganzes neues Jahr vor ihnen liegt. Ein Jahr mit
weiteren 12 Monaten, mit 365 Tagen, die es nicht nur zu überstehen, sondern zu (er)leben
gilt!“
© Martina Pfannenschmidt, 2021
Liebe Martina,
AntwortenLöschenwas für eine feine Jahresanfangsgeschichte, die es in sich hat und alle Sorgen der vergangenen Monate mit einbezieht. Sehr gelungen!
Herzliche Grüße
Regina
Dank dir für den lieben Kommentar!
LöschenLG Martina
Toll eine richtige philisophische Martina Geschichte und ein schöner Jahresrückblick. Herzliche Grüße Lore
AntwortenLöschenHallo Lore, ich habe gerade die Überschrift deiner Geschichte gesehen und bin schon ganz gespannt, wie philosophisch es dort zugehen wird. - Aber jetzt hab ich keine Zeit mehr zum Plaudern, will jetzt unbedingt deine Geschichte lesen. :-) LG
LöschenSchön dieser Unterhaltung zu zuhören. Jeder Monat spürt, das er seine Aufgaben im Jahr erfüllen muss und auch alle Monate zusammengehören in einem Jahr. Ich hatte kein Problem der bildhaften Geschichte zu folgen und auch das Jahr 2020 Revue passieren zu lassen. Jeder Monat hat zusätzlich seine eigene Geschichte. Ich erinnere mich an den März ,wo wir noch in den Harz gefahren sind. Wir hatten Glück und sind gesund geblieben. Bin gespannt, was in den Monaten des Jahres 2021 passieren wird. Bestimmt einige Überraschungen, hoffentlich alles zum Guten wendend.
AntwortenLöschenLiebe Grüsse und hab Dank, Klärchen
Dankeschön, Klärchen! - Ja, was bringt 2021? Ich bin ganz sicher, dass alles, was passiert, einen tieferen Sinn hat und uns in jedem Fall in eine bessere Zukunft führen wird. - LG Martina
LöschenJa,ja jeder Monat gehört zum Jahr, auch der kleine Februar. :)
AntwortenLöschenSehr schön geschrieben liebe Martina,danke.
Ich liebe jeden Tag und jeden Monat, bin gespannt was dieses Jahr für neue Erfahrungen unserem Leben schenken wird.
Mit liebem Gruß,
Helga
Liebe Helga, es vergeht kein Tag, an dem nicht einer aus unserer Familie sagt, wie 'spannend' wir diese Zeit finden. - Große Veränderungen, wie es unsere Zeit zu bringen scheint, beginnen wohl immer mit einem Festhalten am Alten. Doch wenn wir das loslassen, kann etwas Großartiges kommen. - Dank die für Besuch und Kommentar und liebe Grüße hin zu dir! Martina
LöschenIch bin froh, wenn wir alle gesund durch diese Zeit kommen. Es geht immer weiter und es wird auch besser. Wir brauchen nur Geduld.
AntwortenLöschenLG Elke
Liebe Elke, Danke für deinen Besuch! Ja, es braucht Zeit und Geduld. Ich möchte noch eines hinzufügen: Erkenntnisse. - LG und bleib gesund! Martina
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