Das waren diesmal unsere Reizwörter:
Herbstwind, Kuscheldecke, trinken, basteln, bunt
Und das sind die Namen meiner 'Mitschreiberinnen':
Heimlich beobachtete Herbert, wie seine Lydia ihm gedankenverloren am Frühstückstisch gegenüber saß. Worüber sie wohl nachdachte?
„10 Euro für deine Gedanken!“,
sagte er schmunzelnd.
Lydia schaute auf und
schmunzelte ebenso, als sie entgegnete: „Ich verrate es dir auch so. Weißt du,
ich dachte gerade darüber nach, dass der Herbst naht, auch wenn das Wetter in dieser Woche noch sehr sommerlich ist. Dennoch wird es nicht mehr lange
dauern, dann wird der raue Herbstwind
um die Häuser ziehen und die bunten
Blätter von den Bäumen wehen.“
„Ja, so ist das wohl und du
wirst es nicht verhindern können“, meinte Herbert scherzhaft.
„Ich mag sie ja eigentlich,
diese Jahreszeit.“
„Ja genau, eigentlich magst
du sie, weil du gerne mit den Enkelkindern Kastanientiere bastelst und dabei heißen Tee trinkst.“
„Und“, ergänzte Lydia, „ich mag
sie auch, weil ich abends gerne mit dir, einem Glas Rotwein und einer Kuscheldecke bei Kerzenlicht im
Wohnzimmer auf dem Sofa sitze.“
Herbert nickte zustimmend.
„Ich weiß gar nicht, warum
manche Menschen im Herbst trübsinnig werden“, meinte er nach einiger Zeit.
„Es freut sich eben nicht
jeder darüber, wenn die Tage wieder kälter und dunkler werden. Für viele
bedeutet das vielleicht auch noch mehr einsame Stunden.“
„Das mag stimmen“, erwiderte
Herbert, „aber mal ehrlich, wir sollten es einfach der Natur gleich tun und uns
den Gegebenheiten anpassen. Ich habe jedenfalls noch von keinem Baum gehört, der
darüber jammerte, dass er sich im Herbst von seinen Blättern verabschieden muss.“
Bei diesen Worten griff er nach
seinem Handy: „Weißt du was, Lydia, bevor wir beide hier noch melancholisch
werden, frage ich mal unsere Tochter, ob sie heute Nachmittag zuhause ist. Dann
können wir vielleicht mit den beiden Jungs etwas unternehmen.“
„Es sei denn“, gab Lydia zu
bedenken, „sie haben sich schon mit Freunden verabredet.
„Das lässt sich ja
herausfinden.“
Schon tippte Herbert auf
seinem Handy herum und es dauerte gar nicht lange, da erhielt er eine Antwort:
„Sind zuhause. Backe schnell noch einen Pflaumenkuchen. Wir freuen uns, wenn
ihr uns besucht!“
Hinter den Zeilen prangte es
dickes rotes Herz.
„Wir können kommen!“, freute
sich Herbert. „Es gibt sogar Pflaumenkuchen.“
„Wie schön!“
Nachdem Herbert mit seinen
Enkelsöhnen eine Runde Fußball gespielt hatte, hatte er sich den Kaffee und ein
Stückchen Pflaumenkuchen mit Sahne mehr als redlich verdient.
Die Kinder bekamen zur Feier
des Tages eine Cola, was Opa Herbert veranlasste, ihnen zu erzählen, wie das
früher war, als er noch Kind war: „Also Cola, die gab es bei uns nicht“, gab er
zum Besten. „Bei uns zu Hause gab es im Sommer immer selbstgemachten Saft aus
Beeren, die in unserem Garten wuchsen. Er war sehr süß, weil meine Mutter ihn
zur besseren Haltbarkeit mit viel Zucker eingekocht hatte. Der Saft wurde mit
Wasser verdünnt und schmeckte hervorragend.“
„Cola ist aber auch nicht
schlecht“, warf Niklas, der Ältere der beiden Brüder, ein.
„Willst du den Kindern nicht
mal erzählen, wie das früher im Sommer war?“, erkundigte sich Lydia.
„Das könnt ihr euch gar nicht
mehr vorstellen“, wandte Herbert sich daraufhin an seine Enkel, „früher mussten
alle mit anpacken. Auch die Kinder. Die Gaben wurden mit den Händen zusammen
gebunden und alle arbeiteten stundenlang auf dem Acker in der prallen Sonne.“
„Deshalb hat eure Uroma mir
auch geraten“, verriet nun Lydia, „keinen Bauern zu heiraten, weil die Arbeit
auf einem Bauernhof doch wirklich mühsam war.“
„Na, das hat ja geklappt“,
lachte Herbert verschmitzt, „schließlich hast du ja einen Mann aus einer
Kleinstadt bekommen.“
„Genau! Ich hab mir einen
gesucht, der auch mal Zeit hatte, mit mir in die Badeanstalt zu gehen. So hieß
ein Freibad nämlich früher“, warf sie für ihre Enkel erklärend ein.
„Wisst ihr“, fiel Opa Herbert
ein, „damals war es für Mädchen verpönt, ärmellose T-Shirts oder Hosen zu
tragen.“
„Erinnere mich bloß nicht
daran“, sagte Oma mit einer abweisenden Handbewegung und an die Enkel
gerichtet, fuhr sie fort: „Man trug als Mädchen Knie bedeckte Röcke und Blusen
mit Puffärmeln. Das war damals nämlich modern.“
„Wenn ich mich an die Sommer
meiner Kindheit zurück erinnere“, kam Herbert in den Sinn, „dann gab es keine
so extremen Temperaturschwankungen, wie gegenwärtig. Das Wetter war
beständiger, als heute. Im Sommer war es zwar mitunter auch recht heiß, aber ich
glaube, Temperaturen über 30° hatten wir früher eher nicht.
Wir gingen übrigens, als ich
ein kleiner Bub war, nicht in die Badeanstalt, sondern wir schwammen im nahe
gelegenen Fluss. An jedem Samstag bekamen wir von unserer Mutter ein Stückchen
Seife in die Hand gedrückt, um uns dort ausgiebig zu waschen. Dann hatte sie
die ganze Planscherei nämlich nicht zu Hause“.
„Und ich erinnere mich, dass
mein Bruder und ich als Kinder zu Oma und Opa aufs Land fahren durften“,
erzählte Lydia. „Für uns als Stadtkinder war das eine schöne Zeit voller
Erlebnisse. Weil wir kein Auto hatten, brachten meine Eltern uns zu Fuß zum Zug
und Papa schleppte sich mit unserem schweren braunen Lederkoffer ab, der mit
einem Lederriemen versehen war. Und kaum saßen wir im Zug, bekamen wir schon
Hunger. Doch unsere Mutter hatte vorgesorgt und so fanden wir in unseren
Rucksäcken hartgekochte Eier, Brot mit Wurst und Käse und sogar Kartoffelsalat.
In unsere Trinkflaschen hatte sie uns kalten Tee gefüllt. Es war einfach herrlich.
Ich weiß noch genau, wie es sich anfühlte, wenn der Zug in den kleinen Bahnhof einfuhr und ich meine Oma sah. Neben ihr stand ein Bollerwagen, auf den sie den schweren Koffer hievte und ich weiß auch noch ganz genau, dass ich total müde war, aber überglücklich. Fast unvorstellbar: In jedem Jahr das gleiche Ziel, doch wir freuten uns immer wieder aufs Neue.“
Noch heute leuchteten Lydias
Augen, während sie sich an diese Zeit erinnerte.
„Man kann es sich kaum mehr vorstellen,
wie einfach wir alle gelebt haben, aber lassen wir jetzt mal diese alten
Geschichten“, schlug Herbert vor. „Übrigens: Dein Pflaumenkuchen schmeckt
hervorragend. Ob ich noch ein Stückchen bekommen könnte?“
Lydia wurde ganz warm ums
Herz bei dem Gedanken, dass die Schatztruhe voller wertvoller Erinnerungen umso
praller gefüllt ist, je älter man wird.
© Martina Pfannenschmidt,
2020
Du schreibst so lebendig, ich saß mittendrin und vor mir ein leckeres Stück Pflaumenkuchen mit einem großem Kleks Sahne und lauschte den Erinnerungen.
AntwortenLöschenStimmt, je älter man wird um so mehr Erinnerungen sammeln sich an. Glücklich der, der auch viele schöne Erinnerungen hat.
Etwas habe ich vermisst, es wurde gar nicht philosphiert. Übermütige Grüße aus Hinterdupfing
Nein, ich kann auch ohne! - Lach! - Ist es nicht oft so, dass gerade die schönen Erinnerungen im Gedächtnis bleiben? - Danke dir für Besuch und Kommentar!
LöschenOh ja, eine schöne Schatztruhe, liebe Martina, von früher. Nimmt man die Gegenwart und das Stückchen Pflaumenkuchen, kommt viel neues in die Truhe hinzu. Alles gehört zur Vergangenheit und in Erinnerungen ob gut oder schlecht, wühle ich auch gern und sehe was ich für mein heutiges Leben so mitgenommen habe. Danke für diese schöne Geschichte,liebste Klärchen
AntwortenLöschenDa hast du wohl recht, unser Leben besteht aus allem, was wir in der Vergangenheit erlebt haben - und das genau hat den Menschen aus uns gemacht, der wir heute sind. - Danke auch dir für den Besuch und den Kommentar!
LöschenLiebe Martina,
AntwortenLöschenwenn man es so sieht wie du hier in der Geschichte, dann ist das Älterwerden ja auf jeden Fall gut für den Inhalt unserer persönlichen Schatztruhe. Du hast eine tolle Geschichte draus gemacht!
Herzliche Grüße
REgina
In jedem Fall hat das Älter werden gute Seiten. Sonst bliebe unsere Schatztruhe ja leer. ;-) - Hab Dank für Besuch und Kommentar!
Löschenoh jaa..
AntwortenLöschendie Schatztruhe der Erinnerungen ..
das hast du schön gesagt
manches können sich die Kinder heute gar nicht mehr vorstellen
aber was meine Oma manchmal erzählt hat war auch für mich schon eine andere Welt
gut wenn man für Erinnerungen sorgt.. denn älter werden wir ganz von alleine ;)
eine schöne Geschichte
liebe Grüße
Rosi
So ging es mir mit einer älteren Frau in unserer Nachbarschaft. Sie hatte selbst keine Kinder, aber wir Nachbarkinder waren ständig bei ihr zu Besuch. Sie konnte so herrlich von früher erzählen. - Ja und das früher war eben noch ein ganz anderes früher, als unseres. - Hab Dank für deinen Besuch und auch für den lieben Kommentar! Martina
LöschenJede Generation hat ganz andere Erinnerungen, es wandelt sich wirklich alles.
AntwortenLöschenDas hast du wieder sehr schön geschrieben liebe Martina, mansche der beschriebenen Erinnerungen kenne ich nicht mehr, das Wort Badeanstalt zum Beispiel. :)
Hab eine schöne Herbstzeit und sammle viele schöne,zukünftige Erinnerungen für deine persönliche Schatztruhe.
Gruß Helga
Liebe Helga, dann bist da ja noch ein 'Küken', wenn du den Begriff 'Badeanstalt' nicht mehr kennst. Lach! - Mag aber auch sein, dass es ein regional-bedingter Ausdruck ist. - Ja, ich sammle fleißig. Jeden Tag kommt etwas in meine Schatztruhe und ich achte darauf, dass es gute und positive Dinge sind, die dort Einzug halten.
LöschenHab Dank für deinen Besuch und den lieben Kommentar!
Martina