Brigitta
freute sich über die Sonne, die ihre Haut an diesem herrlichen Junitag
streichelte. Ganz spontan konnte sie frei nehmen und verbrachte den Nachmittag
damit, die Terrasse auf Vordermann zu bringen. Leider hatte Cornelius nicht das
Glück, den Tag so genießen zu können. Er musste arbeiten. Brigitta nahm sich
vor, ihn am Abend abzuholen. Vielleicht würden sie noch etwas Nettes
unternehmen oder einfach in der Eisdiele sitzen, den Leuten beim Flanieren
zusehen und einen großen Eisbecher mit frischen Erdbeeren genießen.
Sie
konnte über ihr Leben wahrlich nicht klagen.
Sie war behütet aufgewachsen, eine gute Schülerin gewesen und hatte nach dem Schulabschluss
sogleich eine Ausbildung bei einer großen Bank begonnen. Ihr Leben verlief nach
Plan und wie im Bilderbuch. Als sie eines Tages Cornelius auf einer Fortbildung
getroffen hatte, war ihr Glück perfekt. Vor einigen Monaten hatten sie
geheiratet und wenn sich demnächst Kinder einstellten, hätte sie alles, was sie
sich jemals gewünscht hatte.
Brigitta
stand auf dem Parkplatz gegenüber der Bank, in der Cornelius beschäftigt war
und wartete dort auf ihn. Beim Blick auf die Uhr wusste sie, dass er in ein
paar Sekunden aus dem Gebäude käme.
Drei, zwei, eins, dachte sie und tatsächlich wurde die Tür geöffnet. Heraus
trat eine sehr schlanke und äußerst attraktive junge Frau. Offenbar eine neue
Kollegin, von der ihr Mann noch gar nicht erzählt hatte. Jetzt trat auch
Cornelius ins Freie. Die Frau blieb stehen, drehte sich um und unterhielt sich
angeregt mit ihm. Sie lachten laut und verabschiedeten sich mit einem Küsschen
auf die Wange.
Brigitta
war wie erstarrt, machte keine Anstalten, auf sich aufmerksam zu machen. Was
war das denn gerade? Hatte Cornelius etwa eine Geliebte und sie war völlig ahnungslos?
Er schnappte sich sein Rad und trat in die Pedalen. Brigitta würde einen
anderen Weg nach Hause nehmen und dort auf ihn warten.
„Hallo,
mein Schatz, hattest du einen schönen Tag?“, fragte er beim Betreten der
Wohnung und hauchte seiner Frau einen Kuss auf ihren Mund.
„Ja!“
„Und,
hast du uns etwas Leckeres gekocht?“
„Ich
habe nichts gekocht, weil ich dachte, wir könnten vielleicht …“.
„Ja,
was denn? Was könnten wir?“
„Ach
nichts weiter. Wie war denn dein Tag?“
„Ausgezeichnet!
Ich hatte wirklich einen sehr angenehmen Tag. Weißt du wonach mir jetzt wäre?“
Cornelius wartete Brigittas Antwort gar
nicht ab, sondern schlug vor, im Restaurant am See frischen Fisch zu essen.
Einige
Stunden später lagen sie im Bett und Brigitta dachte über das nach, was ihr
Mann während des Essens erzählt hatte. Kein Wort war über die neue Kollegin
gefallen. Er verheimlichte ihr etwas. Das spürte sie. Eine unbändige Eifersucht
stieg in ihr auf.
Nach
einer schlaflosen Nacht stand sie
morgens im Bad. Dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren Augen ab. Die würde
sie überschminken, dass war überhaupt kein Problem, doch die Wunde in ihrem
Herzen, die würde nicht so einfach verschwinden.
Am
selben Nachmittag verließ sie ihren Arbeitsplatz eine halbe Stunde früher als
gewohnt, um auf dem Parkplatz nach ihrem Mann Ausschau zu halten. Wieder
verließ er gemeinsam mit der anderen Frau das Gebäude. Diesmal verabschiedeten
sie sich nicht voneinander, sondern sie gingen sehr gezielt ein paar Straßen
weiter. Unauffällig folgte sie den Beiden. Bald darauf betraten sie einen
Juwelierladen. Brigitta hatte genug gesehen. Das reichte ihr als Beweis, dass
ihr Mann sie betrog. Bestimmt kaufte er der anderen einen Ring oder ein teures
Collier, um sich auf diese Weise für die schönen Stunden zu bedanken. Eine
nagende Eifersucht nahm sie ganz gefangen.
Am
Abend waren sie bei Freunden eingeladen. Brigitta fuhr, so wie sie es immer
tat, damit Cornelius das eine oder andere Glas Wein trinken konnte. Diesmal
sorgte sie dafür, dass es sogar einige
Gläser mehr waren als üblich. Cornelius war ziemlich beschwippst. Als sie sich
auf dem Heimweg auf einer dunklen Landstraße befanden, fragte sie ihn
rundheraus: „Hast du eine Geliebte?“
„Aber
Schatz, wie kommst du denn darauf?“, antwortete er und lachte laut. Das war das
Letzte, was Brigitta jetzt ertragen konnte. Sie wollte nicht von ihrem Mann
ausgelacht werden. Ohne weiter zu überlegen, trat sie das Gaspedal durch,
verriss das Lenkrad und fuhr direkt auf einen Baum zu. Cornelius schrie! Sollte
er nur schreien. Das hatte er sich selbst zuzuschreiben.
Tage
später. Brigitta öffnete mühsam ihre Augen. Ihr Körper schmerzte. Am meisten
ihr Kopf. Sie erkannte ihre Eltern. Was machten sie hier?
„Kind!“,
hörte sie ihre Mutter wie aus der Ferne. „Da bist du ja wieder.“ Offenbar
weinte sie. Langsam, ganz langsam kam die Erinnerung zurück.
„Cornelius?“,
fragte Brigitta und das Sprechen strengte sie unglaublich an. Ihre Mutter wich
ihrer Frage aus. „Wir wachen jetzt
schon seit drei Tagen an deinem Bett, mein Kind. Ich bin so froh, dass du
wieder aufgewacht bist.“
„Cornelius?“,
fragte sie erneut.
Ihre
Eltern wechselten einen Blick, dann antwortete ihr Vater: „Er hat den Unfall
nicht überlebt!“
O
Gott, was hatte sie nur getan?
Ein
paar Wochen später konnte Brigitta das Krankenhaus wieder verlassen. Cornelius
war inzwischen eingeäschert und beigesetzt worden. Sie hatte 1.000 Fragen
beantwortet und jedermann glaubte ihr, dass sie einem Reh ausgewichen war. Ein
Reh! Nur sie wusste, dass es nicht stimmte. Mit dieser Schuld würde sie leben
müssen. Doch lieber war sie eine Witwe, als ihren Mann mit einer anderen zu
teilen oder ihn zu verlieren. Da war es besser, ihn auf dem Friedhof zu wissen.
Am
Abend klingelte es an der Haustür. Brigitta öffnete. Davor stand die Geliebte
ihres Mannes.
„Entschuldigen
Sie, Frau Reinhard. Ich habe lange überlegt, ob ich zu Ihnen gehe, doch es wäre
sicher im Sinne Ihres Mannes gewesen, wenn Sie dieses Päckchen erreicht.“
„Ein
Päckchen?“
„Ja,
Ihr Mann hat es für Sie besorgt. Ich wusste davon. Es sollte seine Überraschung
zum 1. Hochzeitstag sein. Wir fanden es jetzt in seiner Schreibtischschublade.“
Wie
in Trance nahm Brigitta das Geschenkkästchen an sich. Die junge Frau wandte
sich um und ging.
Brigitta
öffnete das Schächtelchen. Darin lagen zwei Ohrstecker und ein Kärtchen, auf
das Cornelius fein säuberlich geschrieben hatte:
„Wir
Zwei gehören zusammen, so wie dieses Paar Ohrringe - für immer und ewig. In
Liebe! Cornelius“
©
Martina Pfannenschmidt, 2015