Donnerstag, 9. November 2017

Jeder trägt seine Maske

Warum hörst du mich nicht? Ich kann es nicht verstehen! An jedem Tag, den Gott wieder werden lässt, versuche ich, dich zu erreichen, doch du hörst mich einfach nicht!
Du stehst auf, gehst ins Bad. Dein Gesicht ist grau, deine Augen sind glanzlos, tiefe Falten haben sich in dein Gesicht gegraben. Schwer ist das Leben für dich. Gesundheitliche Probleme plagen dich ebenso wie Geldsorgen.
Alles andere als beschwingt beginnst du diesen Tag wie alle anderen auch: mürrisch, energielos und voller Traurigkeit. Dabei könnte alles anders sein, würdest du auf mich hören.
Du schlürfst deinen Kaffee, isst das geschmacklose Brot, stellst den Fernseher an, damit es nicht so still ist. Du schaust mit leeren Augen hin, ohne wirklich wahrzunehmen, was dir dort gezeigt wird. Längst bist du abgestumpft gegenüber den Feindseligkeiten, die dort verbreitet werden. Betrifft dich ja nicht, sind ja die anderen. Doch bedenke, wenn ein Glied leidet, dann leiden alle Glieder.
Du setzt dich in dein Auto und fährst in die Stadt, um dort einer Arbeit nachzugehen, die dir keine Freude bereitet. Du stellst das Radio an. Du magst es nicht, wenn alles ruhig ist – dabei bist du die Stille, doch das erkennst du nicht, ebenso wenig, wie du mich erkennst.
Bevor du aussteigst, schaust du in den kleinen Spiegel, um dich zu vergewissern, dass du sie aufgesetzt hast, deine Maske, die du hier am Arbeitsplatz trägst. Perfekt inszeniert scheint alles zu sein, doch der Schein trügt. Du betrügst dich und merkst es nicht einmal.
Du gehst zum Eingang, triffst einen Kollegen, der dich mit einem freundlichen ‚Guten Morgen’ begrüßt. Du antwortest ebenso heiter. Beide tragt ihr eure Masken durch den Tag, damit ja niemand das wahre ‚Ich’, das sich hinter dieser Fassade versteckt, erkennt. Du spielst ein Spiel, doch das eigentliche Leben geht an dir vorüber, aber auch das erkennst du nicht.
Dein Kollege war wandern, erzählt er, mit seiner Familie. Er beschreibt es in den schillernsten Farben, doch er lässt unerwähnt, dass seine Frau einen Liebhaber hat und sein Sohn schon lange kein Wort mehr mit ihm spricht. Du spürst Neid in dir aufsteigen, weil sein Leben anscheinend viel besser verläuft, als deins. Doch auch hier trügt dich der Schein.
Bedenke, dass kein Leben wie dein Leben ist. Alle habt ihr die Aufgabe, euren Weg zu finden und ihn zu gehen. Dein Weg ist einmalig, genau wie jeder einzelne von euch, die ihr euch Menschen nennt.
Du urteilst über die anderen, verurteilst sie und ihr Verhalten, ohne dass du ein Recht dazu hättest, denn du kennst den Plan Gottes dahinter nicht. Du siehst deinen Nächsten nicht mit einem liebenden Herzen als einen Teil von dir.
Dein Leben wird weitergehen wie bisher und es wird ein jämmerliches Leben sein, das seinen Namen zu Unrecht trägt, denn es ist kein Leben, wie Gott es sich für die Menschen wünscht.
Du hast dich getrennt von dem Großen und Ganzen, hast vergessen, wer du bist und welche Aufgabe du hier auf Erden erfüllen sollst. Fragst dich nicht ein einziges Mal nach dem Sinn deines Lebens. Wenn du auf mich hören würdest, könntest du ein friedliches und harmonisches Leben führen. Aber du willst ja nicht auf mich hören.
Dabei sind wir uns so nahe, du und ich, wie kein Mensch dir nahe sein kann, denn wir sind nicht zwei, wir sind eins.
Dein Leben ist eine Qual und wird es bleiben, aber was soll ich tun? Es ist so dein Wille. Wie gerne würde ich dir den Weg zeigen, den du gehen solltest, damit das Leben fließen kann. Doch dein Ego, dein ‚Ich’ steht zwischen uns.
Wer ich bin, fragst du? Geh in die Stille, dort wirst du mich finden. Höre auf dein Inneres und wir können wieder eins sein. Wenn du deinen leiblichen Körper abgelegt hast, dein Gefährt, das du für dieses Leben benötigtest, dann werde ich da sein, wie an jedem Tag deines Lebens, denn dein wahres ‚Ich’ sind nicht dein Körper und auch nicht dein Geist, dein wahres ‚Ich’ bin ich, deine Seele, die ewig war und ewig sein wird. Hörst du mich?


© Martina Pfannenschmidt, 2014