Gisela
verschmierte die Butter auf ihrem
Brot. Das Gesicht, das sie dabei machte, verriet, dass sie innerlich kochte.
„Ist
was?“, fuhr sie ihren Mann an, der sie ansah und sich nach ihrem Befinden
erkundigen wollte.
„Nein,
nichts. Ich dachte nur, du schaust so mürrisch.“
Im
selben Moment ahnte er, dass er das besser nicht gesagt hätte.
„Weißt
du, was diese Schnepfe von gegenüber zu mir gesagt hat? Ich wäre eine
Übermutter hat sie gesagt und ich würde unter dem Helfersyndrom leiden. Mein
Verhalten anderen gegenüber sei krankhaft, hat sie gesagt. Ich solle mir mal
lieber eine Arbeit suchen, bei der ich Anerkennung fände, anstatt immerzu
anderen mit meinen Hilfsangeboten auf die Nerven zu gehen.“
„Na,
so schlimm ist es nun auch wieder nicht“, erwiderte Bernd, was seine Angetraute
erst recht auf die Palme brachte.
„Was
soll das denn heißen? Was ist nicht so schlimm? Mit mir ist es nicht so schlimm
oder was sie gesagt hat, ist nicht so schlimm oder was ist nicht so schlimm?“
„Ich
meine ja nur“, antwortete Bernd kleinlaut, „dass das mit deinem Helfersyndrom
nicht so schlimm ist.“
„Ach,
wie nett. Das ist also nicht soooooo schlimm – aber schlimm schon, oder was?
Ist klar, dass du mit dieser Schnepfe unter einer Decke steckst, hätte ich mir
ja denken können. Blöde Kuh, blöde! – Nur wegen der hab ich heute Morgen
Kopfschmerzen. Und jetzt gibst du ihr auch noch recht.“
„Aber
Schatz, verdreh mir doch nicht die Worte im Mund. Ich hab doch nur gesagt, dass
ich es nicht schlimm finde, dass du anderen Menschen gerne hilfst. Das ist doch
nett von dir.“
Ui,
da hatte Bernd ja gerade noch mal die Kurve gekriegt. Seine Gisela pflegte nämlich, sehr schnell aus der
Haut zu fahren. Jetzt war Diplomatie gefragt. Nun war Bernd von Natur aus nicht
der größte Diplomat, doch er hielt es in diesem Fall für ratsam, nun
seinerseits die Schnepfe schlecht zu machen.
„Nimm
dir das doch nicht so zu Herzen, was die Trude sagt. Du kennst sie doch. Sie
ist nun mal eine der größten Tratschen in unserer Nachbarschaft.“
„Ja,
das ist sie. Da gebe ich dir ausnahmsweise recht. Und so was nennt sich dann
Freundin. Pah, dass ich nicht lache. Die kann mich kreuzweise, kann die mich.
Den Buckel runter rutschen kann die
mir.“
„Die
soll mal lieber vor ihrer eigenen Haustür kehren“, meinte Bernd, „und was heißt
hier überhaupt, du sollst mal lieber arbeiten gehen. Als wenn du nicht schon
genug mit dem Haus und allem zu tun hättest. Guck dir doch nur an, wie das bei
denen aussieht. Sodom und Gomorra sag ich da nur. Also wenn ich an der Stelle
von dem Heinz, ihrem Mann, wäre, du, dann würde ich der Trude aber was
erzählen. Aber mit diesen langen Fingernägeln kann ja auch keiner im Garten
arbeiten.“
Gisela
lachte auf. „Da haste recht, Bernd. Die kann mit ihren Fingernägeln den Garten
direkt umgraben.“
„Überhaupt,
wie die sich immer anzieht. Also das ist auch gar nicht mein Geschmack. Immer
diese engen kurzen Röcke. Dabei hat sie gar keine schönen Beine. Aber
wahrscheinlich meint sie, andere würden ihre Krampfadern nicht sehen.“
„Ja
du, da kann sie aber nix für“, trat Gisela nun unerwartet für ihre Nachbarin
ein. „Das ist erblich bedingt, hat sie mir mal erzählt. Wohl vonner Seite von
ihrer Mutter her. Die hatte das wohl auch. Ne, schön aussehen tut es nicht,
aber sonst hat sie ja noch ne gute Figur.“
„Findest
du? Also mir ist sie zu dünn. Ich mag es lieber, wenn die Frauen ein paar Pfündchen
mehr auf den Rippen haben.“
„So
wie ich, oder was?“
„Ja,
mein Schätzchen, so wie du.“
Oh
weia! Bernd tapste an diesem Morgen wirklich von einem Fettnäpfchen ins
nächste.
„Soll
das heißen, dass ich fett bin?“
„Aber
das hab ich doch gar nicht gesagt“, rechtfertigte er sich. „Ich hab doch nur
gemeint, dass ich deine Figur besser finde, als die von der Trude.“
Gott
sei Dank. Gisela ließ das mal so im Raum stehen. Ihr war heute wohl nicht nach
Streiten zumute. Sie stand auf und ging ins Bad, um sich eine
Kopfschmerztablette zu holen. Im selben Moment fiel ihr das verstopfte Rohr
unter dem Waschbecken wieder ein.
Als sie zurück in die Küche kam, fuhr sie ihren Mann an: „Ich hab dir schon
1000 mal gesagt, dass das Wasser im Bad nicht mehr richtig abläuft. Kümmerst du
dich da jetzt drum oder soll ich den Handwerker rufen?“
Meine
Güte, mit Gisela war heute aber wirklich nicht gut Kirschen essen. Wie gut,
dass er gleich los konnte, Richtung Finanzamt.
Die Arbeit dort war immer noch besser, als den Tag mit einer schlecht gelaunten
Ehefrau zu verbringen.
Im
selben Moment ging Bernds Laune direkt in den Keller: Und wohin sollte er in
einem Jahr flüchten, wenn er Rentner wurde?
©
Martina Pfannenschmidt, 2017