Franziska sah sich in ihrer Küche um. Eigentlich sollte sie hier ein wenig Ordnung schaffen. Aber sagte man nicht, dass die Arbeit nicht wegläuft. Die Sonne schien so herrlich an diesem Tag und tauchte die Welt in ein goldenes Licht. Da wäre es doch sinnvoller, einen Spaziergang zu unternehmen und die Küche später aufzuräumen.
Sie musste sich
nicht lange überreden, sondern nahm flugs ihre Jacke und den Schal vom Haken
und ging zielstrebig Richtung Park, den sie in ein paar Gehminuten erreicht
hatte.
Sie atmete tief
ein, um den Duft der feuchten Erde und der fallenden Blätter aufzunehmen. Im
gemütlichen Tempo ging sie anschließend weiter. Sie nahm wahr, wie das Laub
unter ihren Schuhen raschelte und spürte die Kühle der Luft in ihrem Gesicht.
Es war herrlich still und es schien, als würde jedes Blatt zu ihr flüstern und
jeder Vogel ein kleines Liedchen nur für sie anstimmen.
Mit jedem Schritt
ließ sie sich mehr auf die Schönheit der Natur ein, so dass der Alltag mehr und
mehr verblasste. Bewusst nahm sie das Farbspiel der Blätter wahr, die sich wie
ein bunter Teppich in Rot, Gold und Braun vor ihr ausbreiteten. In ihr breitete
sich dadurch eine angenehme Ruhe aus.
Als sie in der
Nähe einer dichten Hecke einen hoch aufgetürmten Laubhaufen sah, blieb sie
einen Moment stehen. Sie betrachtete ihn nachdenklich. Manche Menschen würden
diesen Laubhaufen vielleicht als störend ansehen, weil sie ihn als unordentlich
empfanden. Doch Franziska erkannte in diesem Moment seinen wahren Wert: er war für einige Tiere ein heiliger Schutzraum, ein warmes Zuhause
in der kalten Jahreszeit.
Als sie diese Gedanken in ihrem Kopf bewegte, vernahm sie ein leises Rascheln und Bewegung
kam in den Laubhaufen. Ein kleiner brauner Igel steckte vorsichtig seine vorwitzige Nase heraus und blickte sich aufmerksam um. Franziska stand still da und
beobachtete ihn. Sie lächelte, als sie sich vorstellte, wie das stachelige Tier
eingerollt und zufrieden in seinem gemütlichen Zuhause die Wintermonate
verschlafen würde.
Aber warum hatte
der Schöpfer den Igel mit Stacheln ausgestattet, fragte sie sich in diesem Moment und auch, was er sich dabei gedacht hatte, einige Tiere den Winter verschlafen
zu lassen? Doch sie erkannte, dass ihm kein einziger Fehler unterlaufen war und
das jeder mit unterschiedlichen Gaben und seinem ganz eigenen Weg ausgestattet
worden war. Eine tiefe Dankbarkeit für die Vielfalt und Weisheit der Natur
machte sich in ihr breit.
Gerade, als sie
ihren Weg fortsetzen wollte, erblickte sie einen weiteren Igel. Er war weiß!
Ein Albino-Igel! Seine kleinen roten Augen blickten neugierig in die Welt und sein
Fell leuchtete hell im Sonnenlicht. Für einen Moment hielt sie den Atem an und
war berührt von der Seltenheit und Schönheit dieses Wesens.
Der weiße Igel
zögerte kurz, dann näherte er sich vorsichtig dem braunen Artgenossen, der aus
dem Laubhaufen lugte. Zu ihrer Freude hieß der größere Igel den kleinen scheinbar
herzlich willkommen, denn bald darauf verschwanden beide unter dem
Blätterhaufen. Sie schmunzelte, als sie sich vorstellte, wie sich die beiden im
Winter ganz vorsichtig aneinander kuschelten und die Wärme und Geborgenheit der
Gemeinsamkeit genossen.
Zögerlich setzte
sie ihren Weg fort, ihre Gedanken verweilten dabei noch eine Weile bei den
Igeln und sie erkannte, wie wichtig Gesellschaft für Mensch und Tier war. Gerade
im Winter. Wie schön, dass die beiden Igel sich gefunden hatten.
Franziska wusste,
dass es etwas ganz Besonderes war, einem Albino-Igel zu begegnen. Durch sein
weißes Fell war er einzigartig, aber zugleich auch verletzlich. In einigen
Kulturen galt dieses weiße Tier als Symbol für Reinheit und es brachte einen
besonderen Segen mit.
Sie spürte, dass
dieses Lebewesen eine stille Botschaft in sich trug. Vielleicht brachte er ihr
die Botschaft: Begrüße das Außergewöhnliche und schätze die Unterschiede.
Dieser Moment
zeigte ihr die verborgene Schönheit der Welt, der man nur mit Staunen und im
Innehalten begegnen konnte.
Ihr Herz war
erfüllt von Wärme und einem neuen Blick auf die Natur, als sie sich wieder auf
den Heimweg machte.
Die Bilder dieses
Tages, die Farben des Herbstes und die Botschaft des Albinos nahm sie in
Gedanken ebenso mit, wie das Gefühl, dass manchmal ein Augenblick genügt, um
tief berührt zu werden.
(c) Martina Pfannenschmidt
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