Wie immer, so könnt ihr auch heute weitere Geschichten bei Regina und Lore lesen.
Reizwörter: Karneval,
Clown, traurig, nachdenklich, schminken
Es ist noch früh am Morgen und ich stehe mit verstrubbelten Haaren in meinem Morgenmantel in der Küche und warte auf meine erste Tasse Kaffee.
Mein
Blick fällt dabei auf meinen Spruch-Kalender. Ich nehme meine Lesebrille zur
Hand, blättere den Kalender auf den neuen Tag um und bin gespannt, welcher
Sinnspruch dort auf mich wartet: „Nicht
immer ist alles so, wie du es gerne hättest. Du kannst jedoch entscheiden, die
gegenwärtigen Umstände zu bejahen.“
Ich
lege meine Brille zur Seite, nehme mir meinen Kaffee und setze mich an den
Küchentisch.
Ja,
es stimmt, was der Kalenderspruch sagt: es ist nicht immer alles so, wie wir es
gerne hätten, aber es gilt, dies anzunehmen. Auch am heutigen Rosenmontag.
Wenn
uns jemand vor ein paar Jahren prophezeit hätte, dass das traditionelle Feiern
des Karnevals wegen eines Virus ausfallen wird, wir hätten ihm wohl
einen Vogel gezeigt. Doch nun ist es Realität geworden. Ein kleiner
unscheinbarer Virus legt die Menschheit lahm. Das macht mich durchaus nachdenklich
und viele gerade heute sicher auch traurig, denn es wird keine lachenden
und jubelnden Jecken geben, die mit bunt geschminkten Gesichtern durch
die Straßen ziehen; keine Clowns, die das Stadtbild prägen, und falls
doch, so werden sie sich hinter Masken verstecken müssen.
Aber
vielleicht ist das ein allgemeines Problem der Menschheit. Wir verstecken uns alle
viel zu oft hinter irgendwelchen Masken. Vielleicht haben wir den anderen auch viel
zu lange schon unsere lachende Seite gezeigt, obwohl uns eigentlich zum Weinen
zumute gewesen wäre.
Noch
vor ein paar Monaten haben wir uns hinter den Masken versteckt, die niemand
sehen konnte. Doch heute sind es echte Masken, die unseren Alltag prägen.
Sie
vermitteln uns das Gefühl von Sicherheit und wir zeigen öffentlich: schaut her,
ich schütze mich, aber vor allem schütze ich dich.
Doch
wenn ich ehrlich bin, mag ich keine Masken. Ich kann und will mich nicht an sie
gewöhnen.
Ich
möchte wieder die Menschen sehen, ihnen ins Gesicht schauen, ihre Stimmungen
wahrnehmen, ihr Lächeln betrachten. Ich möchte ihre Mimik erleben und selbst frei
atmen können.
Und
ich möchte mein eigenes Gesicht wieder zeigen dürfen. Mein echtes, wahres –
ohne Maske.
Ich
nehme einen großen Schluck von meinem heißen Kaffee und denke dabei an ein
Gespräch, das ich kürzlich mit meiner besten Freundin geführt habe. Darin ging
es um ein anderes, durchaus spannendes Thema. Es ging darum, dass wir alle den
ganzen Tag über in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen.
So
sind wir manchmal Diplomaten, nämlich dann, wenn wir ruhig und sachlich
versuchen, in einem Streit zu vermitteln.
Ein
anderes Mal sind wir aber auch wütend und schlüpfen in die Rolle eines
Cholerikers. Dann brüllen wir rum, machen anderen lautstark klar, dass wir
nicht einverstanden sind mit dem, was gerade geschieht.
Es
ging in unserem Gespräch darum, dass wir im Film unseres Lebens die unterschiedlichsten
Rollen spielen, weil wir uns ständig an neue Situationen anpassen müssen. So
manches Mal würden wir sicher gerne umschalten auf einen anderen Sender, doch so
einfach ist das eben nicht.
Manchmal
komme ich mir wirklich vor wie eine Schauspielerin in einem schlechten Stück
und so manches Mal frage ich mich, welche dieser Rollen, die ich einnehme, spiele
ich nur und welche Rolle ist meine eigene? Wer bin ich wirklich hinter all
diesen Rollen und Masken? Wann bin ich wirklich Ich?
Ich
glaube, dass ich in meinem Zuhause am ehesten Ich bin. Ich bin Ich, wenn ich
nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss; wenn ich mich entspannt fühle
trotz der Menschen, die sich um mich herum befinden.
Wenn
ich meine Rollen, Masken und Schutzschilde fallen lassen kann, dann bin ich Ich.
Ich
glaube, es ist sehr kostbar, diese Momente zu erkennen; diese stillen Augenblicke,
in denen wir einfach nur Ich sein können.
Bestenfalls
gibt es solche stillen Momente in unseren Partnerschaften, in unseren Familien,
mit Freunden oder auf der Arbeit.
Da
das Spielen von Rollen ziemlich anstrengend ist, sind solche Momente durchaus
kostbar.
Doch
wir spielen ja nicht alleine eine Rolle im Film unseres Lebens. Da gibt es ja
viele Mitwirkende. So werden wir in eine Familie hinein geboren, in der jeder
eine bestimmte Rolle hat und so lernen wir schon früh, welche Rolle wir im
Familien-Film zu erfüllen haben.
Wir
kommen in die Schule und nehmen einen Platz im Rollen-Gefüge der Klasse ein.
Welche Rollen sind schon vergeben? Ist die Rolle der hübschen Prinzessin noch
frei oder muss ich die Rebellin oder gar das hässliche Entlein sein?
Und
was ist, wenn ich in die Rolle der ‚Starken‘ geschlüpft bin und mir deshalb zeitlebens
nicht erlaube, mich bei einem anderen anzulehnen oder auszuheulen, weil das eben
nicht zu meiner Rolle passt?
Was
ist, wenn ich immer nur die Erwartungen anderer zu erfüllen versuche, wenn ich
ständig versuche, mich an Situationen oder Menschen abzupassen? Das ist dann
wohl das krasse Gegenteil von Ich-Sein.
Vielleicht
ist es auch so, dass ich dann, wenn ich zu viele Rollen einnehme, den Bezug zu
meinem wahren Ich verliere.
Aber
genug mit all diesen Gedanken. Schließlich ruft ein neuer Tag.
Ich
gehe ins Bad und nehme mir fest vor, darauf zu achten, dass ich so oft wie
möglich ICH bin und die Rolle meines Lebens voll und ganz ausfülle.
©
Martina Pfannenschmidt, 2021
Dies ist vorerst die letzte Geschichte, die es bei mir zu lesen gibt. Ich mache eine längere Pause. Lore und Regina werden aber weiterhin Reizwörtergeschichten schreiben. Danke für deinen Besuch.
Da hast Recht wir spielen viele Rollen im Film unseres Lebens, aber die schönste Rolle ist doch in der Famile, da wir keine Rolle spielen müssen und nur wir selbst sein können. Freue mich, wenn du wieder bei uns einsteigen kannst, pass gut auf dich auf. Herzlichst Lore
AntwortenLöschenEs stimmt, liebe Martina,
AntwortenLöschenam besten ist es doch, wenn wir so sein dürfen, wie wir sind! Du hast die richtigen Worte und Gedanken dafür gefunden!
Herzliche Grüße und bis bald!
Regina
Eine schöne so wahre Geschichte über die Rollenspiele die wir in unserem leben spielen. Wir tragen auch immer eine unsichtbare Maske, die uns begleitet. Wir lächeln, wenn uns zum Weinen ist, eben so wie es unsere Rolle vorgibt. Es kommt auf unser gegenüber an, das wir die Maske auch fallenlassen können und unser wahres Gesicht ungeschminkt zeigen können.Ja, wer will mit einer Maske rumlaufen, die einem die Luft zum Atmen nimmt oder die Brille beschlägt, das wir nicht richtig schauen können. Das Gesicht im ganzen zeigt uns ein Bild,wie ein Gesicht im Spiegelbild, es ist nie das wahre was wir sehen, aber gefühlt sehen wir uns und die menschen gegenüber.
AntwortenLöschenLiebste Grüsse zu Dir und winke, winke!Klärchen
eine Geschichte zum Nachdenken
AntwortenLöschenaber ich würde Rollen nicht in jedem Fall als Maske bezeichnen
eine Maske ist für mich etwas hinter dem man sich versteckt
eine Rolle zu spielen ist für mich eher etwas aktives
etwas in dem ich mein Selbst durchaus einbringen kann
ich kann meine Rolle gestalten
auch ein Gesicht ohne (Stoff)- Maske zeigt mir nicht immer die Wahrheit
mich stört die Maske eigentlich wenig da ich sie ja nur immer wenige Minuten tragen muss.. da kommen in der ganzen Woche vielleicht ein bis zwei Stunden zusammen.
Ich hoffe deine Pause hat keine "unangenehme" Gründe
ich wünsche dir für die Zeit alles Gute
und hoffe dich bald wieder zu lesen
liebe Grüße
Rosi