Ganz
nach dem Motto ‚Singe, wem Gesang
gegeben’ stand Bruno unter der Dusche und brummte: ‚Ich hab drei Haare auf der
Brust, ich bin ein Bär’. Das entsprach zwar nicht so ganz den Tatsachen, denn
er hatte eindeutig mehr als drei Haare auf der Brust, doch der Rest stimmte.
Sein beleibter Körper war dem eines
Bären schon sehr ähnlich und außerdem war er genau wie dieser mit Haaren
übersät.
Dann
sprang Bruno, so elegant, wie es ihm mit seiner Körperfülle eben möglich war,
aus der Dusche hervor. Seine Laune war extrem gut, denn er hatte sich gestern
mit Maria verabredet. Nie hätte er zu hoffen gewagt, dass sich aus einem speed
dating eine weitere Verabredung ergeben würde. Doch es war so gekommen.
Gestern
Abend hatte ihn sein Kumpel abgeholt. Er wollte unbedingt zu dieser
Veranstaltung mit dem Titel: ‚Fisch
sucht Fahrrad’! ‚Wer um alles in der
Welt hat sich bloß diesen Slogan ausgedacht’, fragte sich Bruno. Und wer war
überhaupt der Fisch und wer das Fahrrad? Aber egal! Dort konnte man Frauen
treffen und deshalb ging Bruno mit. Zunächst waren sie etwas enttäuscht
gewesen, weil sie sich noch mehr Weiber, wie Brunos Kumpel zu sagen pflegte,
auf dieser Veranstaltung erhofft hatten. Doch dann war ihnen klar geworden,
dass genau so viele Männer wie Frauen anwesend waren.
Immer
16 Personen saßen, nachdem sie aufgerufen worden waren, am Tisch – jeweils 8
Männer und 8 Frauen. Schon da war ihm Maria aufgefallen, denn im Gegensatz zu den
anderen war sie kein ‚Hungerhaken’ und das gefiel Bruno. Er brauchte keine Frau,
die nach dem ersten Bissen verkündete ‚mehr schaffe ich nicht, ich bin schon so
satt’. Furchtbar war das, wenn diese Frauen danach schon so aussahen, als seien
sie im dritten Monat schwanger. Mit so einem weiblichen Wesen würde er nicht klar
kommen. Er suchte eine, die zu ihm passte – körperlich und seelisch.
Bruno
war zwar rein äußerlich betrachtet ein echtes Mammut, doch auf der anderen
Seite war er sehr feinfühlig. Das versteckte er jedoch oft hinter der einen
oder anderen frechen Bemerkung. Doch
im tiefsten Inneren war er ein ganz lieber Brummbär. Nun galt es nur noch, eine
Frau zu finden, die dies erkannte und ihn so liebte, wie er nun mal war.
Die
erste Frau, die ihm am Abend zuvor gegenüber gesessen hatte, war eine echte Zicke
gewesen. Nichts für ihn, jedenfalls. Sie hatten in der kurzen Zeit, die ihnen
zum Kennen lernen blieb, eine sehr gezwungene Unterhaltung geführt und er hatte
sofort gespürt, dass die Chemie zwischen ihnen nicht stimmte. Nach drei Minuten
ging es dann zur nächsten Frau, doch auch die war nicht nach seinem Geschmack,
außerdem war sie viel zu dürr. Doch dann kam Maria und sofort war der Funke
übergesprungen. Sie arbeitete in einer Bäckerei, hatte sie erzählt, und
offensichtlich probierte sie gerne die Leckereien, die es dort zu naschen gab.
Aber das war für Bruno okay. Maria hatte ihm mit ihrem runden Gesicht, den
knallroten Wangen und dem liebevollen Blick sofort gefallen. Sie hatten sich
gut unterhalten und auch den Rest des Abends miteinander verbracht. Sogar
getanzt hatten sie, solange es ihre Kondition erlaubte.
Heute
waren sie nun bei ‚Luigi’ am See zum Pizzaessen verabredet und Bruno konnte es
kaum erwarten. Viel zu früh saß er an seinem Stammplatz – mit einem Krug Bier
vor der Nase. Immer wieder schaute er auf die Uhr, aber die Zeit schien nicht
zu vergehen. Doch dann war es soweit. Seine Angebetete kam um die Ecke und
strahlte ihn an. Bruno war glücklich. Maria hatte ihn nicht versetzt. Beim Blick
in die Speisekarte waren sie sich schnell einig. Sie hatten beide Hunger und
bestellten sich eine große Pizza. ‚Miavolo’ mit viel Speck, Schinken und
Zwiebeln sollte es sein – aber ohne Kapern. Nachdem sie alles mit großem
Appetit verspeist hatten, überlegten sie, wie sie nun den weiteren Nachmittag
verbringen wollten.
„Vielleicht“,
schlug Maria vor, „sollten wir uns bei diesem Sonnenschein ein Ruderboot mieten.“
Das
war eine sehr gute Idee. So konnte Bruno ihr gleich beweisen, dass er ein
starker Mann war, der seine Liebste mühelos über das Wasser schippern konnte.
Vorsichtig
stiegen sie ins Boot, das daraufhin einen beträchtlichen Tiefgang zeigte.
Scheinbar mühelos glitt das Boot dank Brunos Manneskraft über den See. Nur die
Schweißperlen, die sich auf seiner Stirn bildeten, zeugten davon, wie
anstrengend das Rudern für ihn war. Doch das wollte er sich natürlich nicht
anmerken lassen. Die Sonne tat ihr übriges und so waren auf seinem Hemd nach
kurzer Zeit bereits große Schweißspuren zu sehen, so dass Maria Mitleid
verspürte und anbot: „Bruno, ich würde auch sehr gerne einmal rudern. Was
meinst du, wollen wir die Plätze tauschen?“
Bruno
antwortete nicht sogleich, denn er wollte nicht, dass Maria den Eindruck hatte,
als würde es ihm zu schwer werden, doch andererseits war die Aussicht auf eine
kleine Pause sehr verlockend und so erwiderte er dann doch: „Wenn du möchtest“.
Ohne weitere Absprache standen beide gleichzeitig auf. Das Boot begann ganz
furchtbar zu schwanken. Weder Bruno noch Maria konnte ihr Gleichgewicht halten
und so plumpsten sie kopfüber in den See. Zwei Enten erschraken und flatterten
aufgeregt davon. Die Menschen in den anderen Booten hatten das Spektakel beobachtet
und ruderten zu den beiden Gekenterten, doch jeder Versuch, sie irgendwie ins
Boot zu ziehen, scheiterte, und so schwammen sie durch das extrem trübe Wasser
zurück an Land. Wie peinlich! Maria wäre am liebsten im Erdboden versunken,
doch das war leider nicht möglich. Begossen wie zwei Pudel und behängt mit
Algen standen sie am Ufer und spürten die hämischen Blicke der umstehenden
Gäste auf sich ruhen. Doch Bruno wäre nicht Bruno gewesen, hätte er diese
Situation nicht souverän gemeistert. Er sah sich um und verkündete: „Ja, meine
Lieben, so sieht das aus, wenn ein dicker Mann ins Wasser plumpst!“
Dann
lachten alle – auch Maria, die sich freute, Bruno in dieser Situation an ihrer
Seite zu haben. Luigi reichte beiden ein Handtuch und dann gingen die zwei zu
Brunos Wohnung, die sich ganz in der Nähe befand.
Als
sie etwas später frisch geduscht auf der Terrasse saßen und Maria es sich in
Brunos XXL-Bademantel so richtig gemütlich gemacht hatte, schmunzelte sie, denn
sie wusste jetzt:
Auch
für einen dicken Fisch gibt es ein passendes Fahrrad!
©
Martina Pfannenschmidt, 2014