„Hallo,
ich bin’s“, rief Astrid, nachdem sie die Tür zur Wohnung ihrer Mutter geöffnet
hatte. Schlagartig blieb Astrid stehen: „Ach du meine Güte, wonach riecht es
denn hier?“
Ohne
Umschweife ging sie direkt in die Küche, da der beißende Geruch von dort zu
kommen schien.
„Ach
Kind“, gestand Martha sogleich, „so etwas ist mir wirklich noch nie passiert.
Ich war doch nur kurz gegenüber bei Elfriede. Und dann das!“
Astrid
hatte den Eindruck, als sei ihre Mutter den Tränen nahe.
„Nun
lass mal, Mutti“, erwiderte sie deshalb und nahm ihr den Putzschwamm aus der
Hand. „Jetzt bin ich ja da. Setz dich in deinen gemütlichen Sessel ins
Wohnzimmer. Ich mach das hier schon und du erzählst mir gleich, wie das
passieren konnte.“
„Also
das war so“, berichtete Martha eine Weile später, „ich wollte mir Milchreis
kochen und dachte, dass ich die Herdplatte ausgestellt hätte. Aber das habe ich
wohl vergessen. Als ich zurückkam, war der Reis komplett angebrannt. Meine
Güte, was da alles hätte passieren können, wenn ich nicht rechtzeitig
zurückgekehrt wäre.“
Einfühlsam
nahm Astrid das Wort. „Da haben wir noch einmal Glück gehabt, nicht wahr. Aber
weißt du, so etwas kann immer mal passieren.“
„… wenn man alt wird und tüdelig“, warf Martha deprimiert
ein.
„Weißt du, ich denke, dass es auch Jüngeren
passieren kann, doch vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo du mein
Angebot, dass ich für dich mitkoche, annehmen solltest.“
Martha sah Astrid traurig an: „Aber du hast doch
mit deiner Familie schon genug Arbeit.“
„Ich würde ja nur eine etwas größere Portion
kochen. Das ist gar keine zusätzliche Arbeit und noch eins: DU bist auch ein
Teil meiner Familie. Ein sehr wichtiger sogar.“
Martha freute sich über die Aussage ihrer Tochter
und erwiderte: „Du hast sicher recht mit dem, was du sagst. Also gut. Dann
nehme ich dein Angebot gerne an.“
Astrid nickte.
„Du, Mutti“, begann sie bald darauf mit einem
Thema, von dem sie wusste, dass es bisher ebenfalls nicht gut ankommen war, „wo
wir schon mal über das Älterwerden sprechen. Wie wäre es denn, wenn du die
Sache mit dem Rollator doch noch einmal überdenkst. Weißt du, er gäbe dir Halt
und Stütze, wenn du spazieren gehst und mir das gute Gefühl, dass du sicher
unterwegs bist.“
Martha sah ihre Tochter mit blitzenden Augen an.
„Soooo alt bin ich nun auch noch nicht. So ein Ding kommt mir nicht ins Haus.“
Damit war dieses Thema wieder einmal vom Tisch.
Nachmittags ging Martha wie so oft im nahe
gelegenen Park spazieren.
In der Nähe des kleinen Teiches, auf dem vergnügt
ein paar Enten und Schwäne schwammen, setzte sie sich nieder, um die Ruhe und
Idylle des Augenblicks zu genießen und auch, um sich vor dem Heimweg ein
bisschen auszuruhen.
Als sie eine kleine Weile gedankenverloren dort
gesessen hatte, wurde sie unerwartet angesprochen: „Entschuldigung! Wäre es
Ihnen recht, wenn ich mich zu Ihnen setze?“
Martha sah hoch und direkt in zwei sehr
warmherzige rehbraune Augen. Sie gehörten zu einem älteren, dynamisch wirkenden
Herrn mit grauen Haaren, der auf Anhieb einen sehr sympathischen Eindruck auf
sie machte. Deshalb nickte Martha und antwortete auf seine Frage: „Sehr gerne!“
In dem Moment sah sie ihn! Das Objekt des
Schreckens!
Behände stellte der Mann seinen Rollator direkt
neben der Parkbank ab, entnahm diesem zwei Kissen und bot ihr eines davon an.
„Nehmen Sie nur“, meinte er freundlich, „man sitzt
so viel bequemer und dank meines neuen Mobiles war es überhaupt kein Problem,
diese zu transportieren.“
Gerne nahm Martha das Kissen an und der Mann fuhr
fort: „Wissen Sie, zuerst habe ich mich ja vehement dagegen gesträubt. Doch das
Ding ist wirklich nützlich. Man kann sich sogar darauf ausruhen, wenn man
möchte. Allerdings ziehe ich den Platz neben einer so charmanten Dame in jedem
Fall vor.“
Martha genoss die Zeit, denn wie sich
herausstellte, war sie an einen Charmeur der alten Schule geraten. Die beiden
älteren Menschen unterhielten sich lange und verabredeten sich sogar für den
kommenden Tag in einem Café.
Als Martha am Abend über den zurückliegenden Tag
nachsann, griff sie ohne zu zögern zum Telefon: „Hallo Astrid, Mutti hier! Du,
ich habe mir das noch mal überlegt. Von mir aus kannst du mir so einen Rollator
besorgen!“
© Martina Pfannenschmidt, 2018