Dienstag, 15. März 2022

Guter Mond, du stehst so stille

Wärme, Duft, aufatmen, glücklich, leuchten

Aus diese Wörtern mussten wir, Lore, Regina, und ich, diesmal eine Geschichte basteln. - Viel Freude beim Lesen!

 

Summsi krabbelte heimlich aus dem Schlitz des Bienenkorbes und ließ sich darauf nieder. Den Blick zum Himmel und all die funkelnden Sterne gerichtet, dachte sie über ihr Leben nach.
Manchmal war es schon recht mühsam, täglich viele Stunden lang auszufliegen, um Pollen und Nektar zu sammeln. Aber sie wusste ja um die wichtige Aufgabe, die sie hatte und Zeit, um nach getaner Arbeit auszuruhen und aufzuatmen, die gab es ja durchaus. So wie jetzt. Obwohl sie ja zu dieser Zeit eigentlich schlafen sollte, um neue Kraft zu schöpfen. Aber es war unglaublich erholsam, diese Stille zu genießen und nichts tun zu müssen.
Es dauerte nicht lange, da schaute eine Drohne vorsichtig aus dem Schlitz des Bienenkorbes heraus.
„Summsi, bist du hier irgendwo?“, klang es leise durch die Nacht.
„Ich bin hier oben!“, antwortete die Biene flüsternd.
Brummsi, Summsis bester Freund, konnte nicht schlafen und so saßen die beiden dicht nebeneinander, so dass der eine die Wärme des anderen spüren konnte.
„Was genau machst du hier?“, erkundigte sich Brummsi.
„Ich? Ich mach eigentlich gar nix. Nur hier sitzen.“
„Nicht mal denken?“
„Doch. Denken tu ich schon.“
„Sollen wir mal zusammen denken?“
Summsi schmunzelte. Das war typisch Brummsi. Die Biene hatte keine Ahnung, wie man zusammen denkt, aber wie man zusammen schweigt, das war ihr durchaus bekannt. Und so blieb es zwischen den beiden eine ganze Weile still.
„Schau nur, wie groß und rund der Mond dort oben am Himmel steht!
Ob er glücklich ist so alleine?“, fragte die Drohne schließlich.
„Aber er ist doch gar nicht alleine! Schau dir doch nur all die vielen Sterne an.“
„Ja, schon, aber als Mond ist er ganz alleine dort oben. Und ohne die Sonne würde er nicht einmal leuchten.“
„Stimmt!“
Brummsi sah etwas verlegen nach unten, als er sagte: „Ohne dich würde ich mich auch sehr einsam fühlen. Du bist für mich das, was die Sonne für den Mond ist.“
Summsi war tief berührt. So etwas Schönes hatte Brummsi noch nie zu ihr gesagt und obwohl es kaum möglich war, rutschte er noch ein bisschen dichter an seine Lieblingsbiene heran, um den süßen Duft von Honig, der sie umgab, aufzusaugen.
Zur selben Zeit trat eine junge Frau auf ihren Balkon hinaus und sah hinauf zum Mond. Hell und groß stand er dort. Und irgendwie sehr einsam. So, wie sie sich in diesem Moment fühlte. Sie wünschte sich so sehr, nicht mehr allein sein zu müssen. Sie wünschte sich jemanden, dem sie sich anvertrauen konnte, der sie auffing. Das wäre das größte Geschenk, so einen Menschen an ihrer Seite zu haben.
Einsamkeit, Alleinsein, diese Worte hatten etwas Dunkles, Trauriges. Sicherlich gab es Menschen, die die Einsamkeit suchten. Aber sie gehörte nicht dazu. Sie wünschte sich insgeheim Zweisamkeit und Gemeinschaft.
Ihr gingen Worte ihrer Freundin durch den Kopf: „Wie soll dich jemand lieben können, wenn du dich selbst nicht liebst?“
Sie hatte gut reden. Sie könnten ja mal tauschen, dann würde ihre Freundin vielleicht verstehen, wie sie sich fühlte.
Einsam gefühlt hatte sie sich eigentlich schon als Kind. Schon immer war sie ungern allein gewesen. Ihre Kinderzimmertür musste immer angelehnt bleiben. Sie brauchte die Stimmen ihrer Eltern im Hintergrund, um einschlafen zu können.
Es war irgendwie traurig, dass sie in letzter Zeit häufig das Gefühl hatte, vom Leben ausgeschlossen zu sein. Alle anderen gingen wie selbstverständlich ihrer Wege und doch hatte es manchmal den Anschein, als seien sie ferngesteuerte Roboter.
Es ist doch wirklich so, dass keiner mehr auf den anderen schaut, dachte sie. Wenn sie die Menschen im Hochhaus gegenüber fragen würde: „Weißt du, wie dein Nachbar heißt?“ oder „Wer wohnt ein Stockwerk über dir?“, erhielte sie vielleicht nicht einmal eine Antwort.
Single zu sein war vielleicht in den Augen einiger Menschen ‚in’, aber nicht in ihren. Das war für sie so unstimmig, wie der Satz, dass Geiz geil ist.
In diesem Moment fragte sie sich, wo das Gemeinschaftsgefühl der Menschen hin ist? Wo sind sie hin die Großfamilien? Wo ist es hin, das ‚Wir-Gefühl’? Warum wissen wir nichts mehr von dem Menschen rechts und links von uns?
Vielleicht, weil wir ständig in einen Monitor blicken und uns vor anderen Menschen mit Ohrstöpseln abkapseln, um zu lesen, was wieder andere posten.
Doch niemand würde posten: ‚Mir geht es gerade nicht so gut’ oder ‚Hilfe, kann sich mal jemand um mich kümmern’ oder ‚Vielleicht hat ja jemand Lust, mich mal anzurufen’. Jeder tat so, als sei sein Leben perfekt.
Intensiv betrachtete sie den Mond und er schien ihr zuzuflüstern: „Wenn du etwas verändern möchtest, Menschenkind, beginne bei dir!“
Bei sich selbst beginnen? Vielleicht war das die Lösung! Doch wie?
„Sag Mond“, sprach sie flüsternd in die Nacht hinein, „soll ich mich vielleicht mal trauen, den jungen Mann, der mir so oft in der Bahn gegenübersitzt und der mir insgeheim recht gut gefällt, anzusprechen oder zumindest anzulächeln?“
Doch sie erhielt keine Antwort. Der Mond blieb stumm, wie ein Fisch, und stand weiterhin still am Himmelszelt.
„Kannst du mir nicht wenigstens ein Zeichen schicken, ob ich mich trauen soll?“, fragte sie schon fast verzweifelt in seine Richtung blickend.
Genau in dem Moment entschieden Summsi und Brummsi, einen kurzen Nachtflug zu unternehmen, bevor sie sich schlafen legen wollten. Und so kam es, dass im Schein des Mondes zwei dunkle Punkte direkt auf die junge Frau zugeflogen kamen, die sie als sicheres Zeichen dafür deutete, um am kommenden Tag all ihren Mut zusammenzunehmen, und den jungen Mann in der Bahn anzusprechen.
 
© Martina Pfannenschmidt, 2022

 

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11 Kommentare:

  1. So schön, liebe Martina,
    Mein Lieblings Satz in dieser Geschichte "wollen wir mal zusammen denken?"
    Ich habe deine Geschichte sehr genossen, es ist eine, die man immer wieder lesen kann!
    Herzliche Grüße
    Regina

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  2. Dann hoffe ich, dass sie den Mut am nächsten Morgen findet. Sumsi und Brumsi was für schöne Namen, die beiden gefallen mir, LGLore

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  3. Hurra es hat geklappt!!!

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  4. zauberhaft
    ein Lächeln in der Nacht..
    leider ist der Mond nicht zu sehen;)

    liebe Grüße
    Rosi

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    1. Liebe Rosi, ich finde es auch ganz zauberhaft, dass du immer wieder Gast in meinem Bloghaus bist und einen Kommentar hinterlässt. Ganz lieben Dank dafür und liebe Grüße! Martina

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  5. Das ist wieder mal eine sehr schöne Geschichte und so romantisch im Mondschein.
    LG Elke

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    1. Dankeschön! Heute Abend steht er wieder groß und rund am Himmel. Mal schauen, ob er uns auch ein Zeichen schickt. :-) - LG Martina

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  6. Guten Abend liebe Martina, zauberhaft deine Geschichte,danke. "Du bist für mich das, was die Sonne für den Mond ist...., diese Liebeserklärung ist total süß.♡
    Hab eine lichtvolle Zeit und sei lieb umarmt.
    Gruß Helga

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    1. Danke, Helga, für die liebevollen Worte und die Umarmung. Das Licht zu halten und ein Licht für andere zu sein, dass ist im Moment denke ich, etwas, was eine Veränderung in die Dunkelheit der Welt bringen kann. - Hab auch du eine Zeit voller Licht und Liebe und Danke für deinen Besuch! Martina

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