„Hey, Kai, schön dich zu sehen. Komm rein!“
„Bist du alleine?“, fragte dieser und es klang
ziemlich geheimnisumwittert.
„Klar! Weshalb fragst du?“
Das würde er seinem besten Freund und Kumpel
Sven in aller Ruhe erklären, nachdem er die Tür geschlossen hatte.
Außerdem war es überhaupt nicht so klar, dass
sein Freund alleine war. Schließlich gab es Bea, seine Freundin. Doch die war
in diesem Moment tatsächlich nicht bei ihm und das war auch gut so!
„Willste ein Bier?“, fragte Sven.
„Gerne!“
Nachdem die beiden den ersten Schluck getrunken
hatten, ließ Kai die Katze aus dem Sack.
„Pass auf“, meinte er und sah sich
verschwörerisch um, so als könne doch noch jemand mithören. „Ich plane, Nicole
einen Heiratsantrag zu machen.“
Weiter kam er nicht, da Sven begeistert
ausrief: „Mensch, mein Freund. Das sind ja mal Neuigkeiten.“
Dabei schlug er seinem Kumpel anerkennend auf
die Schulter.
„Also pass auf. Du sollst mir dabei helfen.“
„Jederzeit! Du weißt, für meinen besten Freund
tue ich alles. Also fast alles“, schränkte er lieber noch ein.
Zwei Wochen später packten Kai und Nicole ihre
Koffer. Sie planten ein verlängertes Wochenende in einem Wellnesshotel auf
Rügen. Dass Kai noch mehr, als nur ein paar Tage Erholung bezweckte, ahnte
seine Freundin natürlich nicht. Sie fand nur, dass er dringend zur Ruhe kommen
müsste. In den letzten Tagen wirkte er irgendwie fahrig und nervös.
Als die beiden in ihrem Hotel angekommen waren,
zog sich Kai für einen Moment zurück. Er musste letzte Absprachen mit seinem
Freund Sven treffen. Dieser war mit seiner Freundin ebenfalls auf der Insel und
es durfte auf keinen Fall zu einem Zusammentreffen kommen. Jedenfalls nicht,
bevor Kai seine Frage gestellt hatte.
„Hey, Sven“, flüsterte Kai ins Handy. „Seid ihr
auch schon angekommen?“
„Ja, Bea schwimmt schon die erste Runde im
Pool. Ich hab halt noch auf deinen Anruf gewartet. Also, wie besprochen. Alles
scheint nach Plan zu laufen. Ich habe mich gerade erkundigt. Die
Windverhältnisse sollen morgen hervorragend sein. Ihr zwei solltet euch so
zwischen 14 und 15 Uhr am Strand aufhalten. Du musst halt nach mir Ausschau
halten und ich werde das Banner wie besprochen ausbreiten.“
Kai bekam seine Nervosität kaum noch in den
Griff. Seine Hände begannen zu zittern. Hoffentlich klappte auch wirklich
alles, wie besprochen und hoffentlich sagte seine Freundin ‚Ja’.
Am nächsten Tag bereitete Sven alles für seinen
Gleitflug vor. Seine Freundin, die wenig Interesse an seinem Hobby zeigte,
würde in der Zeit shoppen gehen oder den Wellnessbereich des Hotels nutzen. So
war es zumindest besprochen. Mit einem Kuss verabschiedete sich Sven und zog
mit all seinen Utensilien los. Auch er verspürte eine gewisse Anspannung.
Schließlich lag eine große Verantwortung auf seinen Schultern.
Nachdem Sven gegangen war, empfand Bea weder
Lust, shoppen zu gehen, noch wollte sie sich alleine in den Wellnessbereich
begeben. Das Wetter war so herrlich. Sie würde sich ein Buch schnappen und zum
Strand gehen.
Zur selben Zeit machten sich auch Nicole und
Kai auf den Weg. Sie suchten sich einen schönen Platz am Strand. Von hier aus
hatten sie einen guten Blick zur Steilküste. Von dort würde Sven starten. Aber
das wusste natürlich nur Kai.
Sven
bereitete sich zeitgleich auf seinen Flug vor. Er legte seine winddichte
Kleidung an, hakte die Karabiner ein, legte das Banner so zurecht, dass er es
zur rechten Zeit zücken konnte und überprüfte noch kurz, ob alle Gurte und
Schnallen geschlossen waren. Dann wartete er mit dem ausgebreiteten Gleitschirm,
bis die Windbedingungen passten, und lief los.
Genau zu
diesem Zeitpunkt breitete seine Freundin ihr Strandtuch aus, cremte sich ein
und sah sich um, ob sie jemanden fände, der ihr den Rücken eincremen würde.
„Das gibt
es doch nicht!“, rief sie aus und begann, auf sich aufmerksam zu machen, indem sie mit beiden Armen winkte.
„Das gibt
es doch nicht!“, rief nun auch Nicole, die darauf aufmerksam wurde. „Das ist doch Bea dort hinten. Was macht die denn
hier?“
Beide
Frauen liefen aufeinander zu, um diese Frage zu klären. Kai allerdings blieb
wie angewurzelt stehen. Dass Bea hier auftauchte, das war nun
wirklich nicht geplant.
Nachdem
sich die beiden Frauen ausgetauscht hatten, legten sie sich nebeneinander in
den Sand und konnten gar nicht glauben, dass ihre beiden Männer nicht über
dieses verlängerte Wochenende und ihre jeweilige Kurzreise auf diese Insel gesprochen hatten. Aber so
waren sie halt, die Männer!
Unruhig
lief Kai am Strand auf und ab. Keine Spur von romantischer Stimmung. Aber er
hatte auch keine Chance, das Ganze abzubrechen. Sven wusste ja von nichts und
würde sicher bald auftauchen. Und dann war es Bea, die rief: „Schau, dort, die
Drachenflieger. Da muss Sven dabei sein.“ Und bald darauf: „Da ist er. Ich
erkenne ihn an seinem Fallschirm in den schönen Regenbogenfarben.“
Auch
Nicole sprang auf und schaute sich das Schauspiel am Himmel an. Sven kam immer
näher und näher auf sie zu und damit auch das Banner mit der Frage: ‚Willst du
mich heiraten?’
Bea wurde
blass, dann rot, dann wieder blass. Dann schrie sie, in der Hoffnung, dass Sven
sie hören konnte: „Ja, mein Liebling, ja, ja, ja!“
Kai war
weiß wie die Wand. Hier lief etwas aus dem Ruder und zwar gewaltig. Das war
SEIN Heiratsantrag an Nicole und nicht der von Sven an Bea.
Kai
musste jetzt die Wahrheit sagen, sonst würde sein Freund ihm den Kopf abreißen.
„Aber das war doch gar nicht so geplant“, sagte er panisch, und an Bea
gerichtet: „Du solltest gar nicht hier sein, zu diesem Zeitpunkt. Sven ist nur
der Überbringer der Frage. Gemeint bist du, Nicole. ICH möchte DICH fragen, ob
du mich heiratest.“
Am Abend
saßen die vier gemeinsam beim Italiener. Nicole strahlte mit ihrem
Verlobungsring, den sie stolz am Finger trug, um die Wette. Bea hatte sich
inzwischen wieder beruhigt, auch wenn sie immer noch nicht über die Situation
lachen konnte. Sie hätte sich halt auch sehr über einen Heiratsantrag gefreut.
Als sie
ihr Tiramisu löffelten, griff Sven plötzlich in seine Jackentasche und begann,
rote Rosenblätter auf dem Tisch zu verteilen. Alle Blicke waren von dem Moment
an auf ihn gerichtet.
Er nahm
die Hand seiner Freundin und sagte: „Dass du so enttäuscht wurdest, war
von mir wirklich nicht geplant. Aber heute läuft eben nichts nach Plan.
Vielleicht aber doch. Nämlich dann, wenn auch du ‚Ja’ auf meine Frage sagst.“
Dabei
holte er ein kleines Schächtelchen aus seiner anderen Jackentasche, kniete vor seiner
Freundin nieder und stellte die Frage aller Fragen.
Ein
halbes Jahr später wurde eine romantische Doppelhochzeit gefeiert.
© Martina
Pfannenschmidt, 2018