Kathrin war
mit ihren Eltern auf dem Weg ins Schwimmbad. Ihr ging noch das Gespräch mit
ihrer Großmutter durch den Kopf.
Mama drehte
das Autoradio lauter, weil ihr Lieblingslied gespielt wurde. Das war wieder typisch.
Wenn Mama ein Lied gefiel, drehte sie das Radio lauter, doch wenn sie ihren MP3-Player anstellte, sagte
Mama immer: „Kathrin, nicht so laut“. Aber so waren sie, die Erwachsenen.
Nur Oma
nicht. Die war anders. Sie war auch nicht so laut und hektisch, wie ihre Mama.
Oma war immer sehr ruhig und besonnen und außerdem wusste sie ganz viel. Das
lag bestimmt daran, dass sie schon so alt war. Aber eigentlich war Mama ja auch
schon alt. Ziemlich sogar.
„Du Mama“,
wollte Kathrin wissen und musste gegen die Musik anbrüllen, „wie kommt es
eigentlich, dass Omi so viel weiß?“
„Durch ihre
Lebenserfahrung“, erwiderte Mama.
Ach, so
nannte man das, Lebenserfahrung. Kathrin nahm sich in diesem Moment vor, auch
ganz viel Lebenserfahrung zu sammeln. Ob sie wohl auch eines Tages eine
Enkeltochter haben würde? Aber dann müsste sie ja zunächst einmal eigene Kinder
haben. Ob sie das wollte? Kathrin war sich da noch nicht so sicher. Die Jungs,
die sie kannte, die wollte sie alle nicht heiraten und man musste ja einen Mann
haben, wenn man Kinder haben wollte.
Nachdem die
jungen Leute das Haus verlassen hatten, war es still geworden. Oma machte es
sich in ihrem Liegestuhl gemütlich und schloss für einen Moment die Augen.
Nein, sie wollte nicht schlafen, nur diese Stille genießen.
Bssss –
eine dicke Hummel brummte an ihrem Ohr vorbei. Oma öffnete die Augen
wieder. Der pelzige Brummer flog zielsicher direkt in die Blüte
einer lilafarbigen Tulpe hinein. Wenn man die Welt der Insekten
betrachtete, konnte man nur staunen. Jedes dieser kleinen Tierchen wusste ganz
genau, welche Aufgabe es hatte. Doch woher? Niemand konnte es ihm sagen.
Erstaunlich, einfach erstaunlich, fand Oma. Sie schloss die Augen wieder und
konnte nicht verhindern, dass sie doch ein wenig einnickte.
„Hallo
Omi“, wurde sie von Kathrin nach einiger Zeit geweckt. Das Mädchen hatte ihre
Haarspange gelöst, so dass ihre blonden Locken nur so um ihren Kopf herum
tanzten. Oma lächelte. Wie schön es war, ein Enkelkind zu haben.
„Schau, wir
haben dir wie versprochen einen Berliner mitgebracht“, rief Kathrin. „Du Omi,
wollen wir um die Wette essen oder nein, ich habe noch eine bessere Idee. Wenn
wir in den Berliner beißen, dürfen wir den Zucker nicht mit der Zunge von den
Lippen schlecken. Wer das macht, hat verloren. Ja Omi, wollen wir das so
machen?“
„Oh ja, das
machen wir“, freute sich Oma über die willkommene Abwechslung. Kathrin fischte
zwei Berliner aus der Tüte.
„Auf die
Plätze, fertig los!“ Beide bissen herzhaft hinein. Das Mädchen musste lachen,
Oma hatte eine richtige Zuckerschnute. Sie mussten sich beide ganz schön
konzentrieren. Es war nämlich gar nicht so leicht, ihn einfach kleben zu
lassen, den süßen Zucker. Sie bissen ein
zweites Mal zu und schon passierte es. Ein dicker Klecks Marmelade fiel direkt
auf Omas Bluse.
„Das darf doch nicht wahr sein!“, rief sie
erschrocken aus. „Jetzt habe ich meine schöne Bluse bekleckert. Da wird
Mama aber mit mir schimpfen.“
„Nein, wird
sie nicht“, antwortete ihre Tochter, die in dem Moment in den Garten kam. „Wir
haben doch eine Waschmaschine.“
Sie
verbrachten alle zusammen noch einen wundervollen Nachmittag bei herrlichem
Sonnenschein in ihrem schönen Garten und natürlich hatte Kathrin das kleine
Wettspiel gewonnen.
© Martina
Pfannenschmidt, 2015