Kathrin
war ein richtiger Wildfang, doch
sie konnte auch sehr besonnen sein. Wann immer es das Wetter zuließ, sah man
das Mädchen draußen im Garten. Wenn, wie heute die Sonne schien, saß ihre Oma
auf der Terrasse und beobachtete das Spiel ihrer Enkelin.
Als Kathrin völlig erschöpft war vom
Herumtoben rannte sie zu ihrer Großmutter um sich auszuruhen. Kathrin setzte
sich auf Omas Schoß und schmiegte sich an sie.
Omi, wie Kathrin sie liebevoll nannte, liebte diese Momente.
Oma Sophie hatte das große Glück, mit
ihrer Tochter, deren Mann und der Enkelin gemeinsam in einem Haus zu leben.
Dies war für alle Beteiligten sehr schön. Das Kind hörte seiner Oma gerne zu.
Sie hatte schon so viel erlebt und damit auch viel zu erzählen.
Kathrin brannte eine Frage auf den
Lippen: „Omi, hattest du früher eigentlich auch Inliner?“
Oma lachte. „Nein Kathrin, die gab es
noch gar nicht. Aber Rollschuhe, die hatte ich. Sie sahen nicht so schön aus,
aber man konnte genau so schnell mit ihnen laufen, wie ihr heute mit
euren … ach Kind, manchmal vergesse ich einfach diesen neumodischen Namen. Wie heißt es noch?“
„Inliner, Omi!“
„Ja genau. Also, ich war mit meinen
Rollschuhen genau so schnell unterwegs wie ihr heute mit euren Inlinern“,
behauptete Oma.
„Weißt du Omi, ich kann mir das gar
nicht vorstellen, dass du auch einmal ein Kind warst.“
Oma schmunzelte.
„Ja, das glaube ich dir gerne. Doch es
war so. Nur damals war halt vieles anders, als heute.“
„Omi“, fragte Kathrin weiter, „bist du
eigentlich traurig, weil du schon alt bist und nicht mehr wie ich herumrennen
kannst?“
Auch über diese Frage lächelte Oma.
„Nein, ganz und gar nicht. Schau, als
ich noch ein Kind war, da konnte ich ja genau so herumtollen wie du heute.“
Kathrin ließ jedoch nicht locker.
„Bist du nicht vielleicht doch so ein ganz kleines bisschen traurig darüber?“
Oma zeigte mit zwei Fingern eine ganz
kurze Strecke und meinte: „Vielleicht so viel, Kathrin. Vielleicht bin ich so
ein ganz kleines bisschen traurig. Aber mehr nicht.“
Danach machte sie ihre beiden Arme ganz
weit auseinander: „Und so glücklich bin ich darüber, dass ich dich habe.“
Das freute Kathrin. Auch sie machte
ihre Arme weit auseinander, so weit wie es ihr eben möglich war, und erwiderte:
„Schau Omi und so doll freue ich mich, dass du bei mir bist.“
„Es ist schön, dass wir uns haben
nicht wahr!?“, meinte Oma und wischte heimlich ein ganz kleines Tränchen aus
den Augenwinkeln.
„Ja Omi, das ist wunderschön“.
Kathrin legte die Arme liebevoll um
den Hals ihrer Großmutter: „Du Omi, sollen wir ins Haus gehen und schauen, ob
Mama den Milchreis fertig hat? Ich bin so hungrig und freue mich schon drauf.“
„Siehst du Kathrin, das haben
wir gemeinsam. Ich esse auch für mein Leben gerne Milchreis mit Zimt und
Zucker. Lauf nur voraus Kind, ich komme gleich nach“, ermunterte Oma ihre
Enkelin.
Bald darauf war von Kathrin nichts
mehr zu sehen.
Oma blieb noch eine kleine Weile auf
der Terrasse sitzen und empfand eine unsagbare Freude über ihr Leben im Kreis
ihrer Familie, die sie über alles liebte.
Dann erhob sie sich langsam und folgte
ihrem Enkelkind.
© Martina
Pfannenschmidt, 2015