Elias
wurde wach, doch es wollte ihm nicht gelingen, seine Augen zu öffnen. Zu stark
waren die Kopfschmerzen, die er verspürte. Es war ihm, als sei eine ganze
Kompanie kleiner Männchen in seinem Kopf, die unentwegt gegen seine
Schädeldecke hämmerten. Er blinzelte mit einem Auge, um zu schauen, ob Alina,
seine zukünftige Frau, neben ihm lag. Schnell schloss er das Auge wieder. Sie
war da und schlief. Gott sei Dank!
In
ein paar Tagen wollten sie heiraten, deshalb hatten sie am gestrigen Abend
getrennt voneinander Junggesellenabschied gefeiert. Eine feucht-fröhliche
Angelegenheit war das. Elias musste als Supermann verkleidet durch die Straßen
und von einer Kneipe in die andere ziehen. Er wusste noch, dass er gemeinsam
mit seinen Freunden in einer Diskothek gelandet war. Dort hatte er mit der feurigen Francesca getanzt. Daran
konnte er sich noch gut erinnern. Doch wie war er nach Hause gekommen? Er
besann sich auch, dass er mit ihr die Diskothek verlassen hatte, und zwar ohne
seine Freunde. Doch was dann noch passiert war, er wusste es einfach nicht. Filmriss, wie man so schön sagte. Eine
sehr unangenehme Sache, denn er meinte sich an eine heikle Situation zu
erinnern. Er glaubte, diese Francesca geküsst zu haben, aber genau wusste er es
einfach nicht mehr. Er würde doch hoffentlich seine Frau nicht kurz vor der Ehe
betrogen haben? Er liebte sie doch. ‚Lieber Gott’, stieß er ein Stoßgebet
Richtung Himmel, ‚lass bitte nicht passiert sein, woran ich jetzt gerade
denke!’
Seine
Freundin erwachte und hielt sich im gleichen Moment den Kopf. Er schmerzte
genauso, wie der von Elias. „O, mein Kopf“, war dann auch das Erste, was sie
sagte, „ich brauche jetzt erst einmal einen frischen Kaffee. Guten morgen, mein Schatz! Willst du auch einen?“
„Ja, sehr gerne“, antwortete er müde. Irgendwie hatte er ein komisches Gefühl
in der Magengegend. Also entweder musste er sich gleich übergeben oder es war
das pure schlechte Gewissen. Wie sich eine kurze Zeit später herausstellen
sollte, war es wohl von beidem etwas.
Den
ganzen Tag über versuchte er, sich an das Ende des gestrigen Abends zu
erinnern, doch die Zeit war wie ausgelöscht. ‚Das ist bestimmt eine
Schutzfunktion meines Unterbewusstseins’, redete er sich ein. ‚Es wird besser
sein, wenn ich mich gar nicht erinnere’. Doch diese Ungewissheit war ganz furchtbar.
Seine Freunde meldeten sich so nach und nach und erkundigten sich nach seinem
Befinden. Alle fragten ihn, wo er denn so plötzlich mit der schönen Frau
abgeblieben sei. Ja, wenn er dass nur wüsste.
Sie
feierten ein paar Tage später eine traumhafte Hochzeit. Elias hatte seine
Tränen kaum zurückhalten können, als er seine wunderschöne Braut gesehen hatte.
Sie war nicht nur hübsch, sondern auch spontan und unkompliziert. Das hatte er
in den letzten beiden Jahren, in denen sie zusammen lebten, immer wieder
festgestellt. Sie war einfach das Beste, was ihm passieren konnte.
Ihre
Flitterwochen verbrachten sie in der Karibik. Sie waren beide fasziniert von
dieser Landschaft, dem glasklaren Wasser und der Mentalität der Einheimischen. Es
war wirklich eine ganz andere Welt. Die meiste Zeit dieser zwei Wochen
verbrachten sie am Strand, lagen faul in der Sonne, schnorchelten im Wasser
oder lasen ein Buch. Der einzige Wehrmutstropfen war, dass Alina das scharfe
Essen nicht so gut vertragen konnte und sich für ein paar Tage in der Nähe
einer Toilette aufhalten musste, doch das nahm sie mit Humor.
Als
ihr jedoch einige Tage später zu Hause immer noch allmorgendlich schlecht
wurde, hatte sie einen Verdacht, den ihr Gynäkologe bald bestätigte. Sie war
schwanger. Zwar war ein Baby im Moment noch nicht geplant, doch nun war es so
und beide freuten sich, bald ihr Kind in den Armen halten zu können.
Als
sie ein paar Monate später gemütlich vor dem Fernseher saßen, klingelte es an
der Haustür.
„Ich
gehe schon, Schatz“, sagte Alina und erhob sich schwerfällig. Vor ihr stand
eine dunkelhaarige ebenfalls schwangere junge Frau.
„Ja
bitte?“, fragte Alina die Fremde.
„Kann
ich bitte Elias sprechen?“, bat sie.
„Elias“,
rief Alina von der Haustür Richtung Wohnzimmer, „kommst du mal.“
Er
schwang sich aus dem Sofa und beim Anblick der schwangeren jungen Frau, die da
so unvermutet vor seiner Tür stand, wurde er ganz blass.
‚Nein’,
‚bitte nicht!’, dachte er nur. Dann brachte er doch ein „Hallo“ hervor.
„Ihr
kennt euch“, hakte Alina sogleich nach und es schwang eine leichte Eifersucht
in der Stimme mit.
„Nur
flüchtig“, antwortete die Frau mit dem hübschen Namen Francesca.
„Ich
habe heute mein Auto verkauft“, erzählte sie dann, „und als ich das
Handschuhfach ausgeräumt habe, fand ich etwas, das dir gehört. Hast du es denn
noch gar nicht vermisst?“
Es
war sein Handy, das sie ihm entgegen hielt. Ja, Elias hatte es sehr wohl
vermisst und gesucht, tagelang sogar. An den unmöglichsten Stellen hatte er es
vermutet, doch nicht dort, wo sie es gefunden hatte.
„Es
stand auf lautlos“, erklärte Francesca, „sonst hätte ich es vielleicht schon eher
entdeckt.“
„Und
wie bitte“, versuchte Alina die Situation zu verstehen, „ist es dorthin
gelangt?“
„Schatz,
bitte“, stotterte Elias, „bleib ganz ruhig. Ich kann dir das erklären.“
„Darum bitte ich aber auch“, erwiderte Alina
scharf, denn so begannen alle Sätze, die meistens mit einem Drama endeten.
„Aber
da gibt es gar nicht viel zu erklären“, entgegnete Francesca munter, „ihr Mann
hat bei seinem Junggesellenabschied viel zu tief ins Glas geschaut und da habe
ich ihn nach Hause gebracht, bevor er ganz und gar unter die Räder kam und dabei
muss er unbemerkt von mir sein Handy in mein Handschuhfach gelegt haben.“
Es
war Elias in diesem Moment, als sei ein ganzer Felsbrocken von seinem Herzen
gefallen.
Ein
paar Wochen später wurde Elias Vater und Francescas Sohn, der in der Klinik im
Bettchen neben seiner süßen Tochter lag, war dessen Vater wie aus dem Gesicht
geschnitten. Gott sei Dank!
©
Martina Pfannenschmidt, 2014