Als Finn das Wohnzimmer betrat, stand Mama auf
einem Stuhl.
„Mama, was machst du da?“, fragte er.
„Ich versuche, eine Schraube in die Decke zu
bekommen“, antwortete Mama, „denn ich möchte den Adventskranz in diesem Jahr
aufhängen. Das sieht besonders festlich aus.“
„Ist jetzt schon Advent?“, fragte Finn aufgeregt.
„Morgen ist der 1. Advent. Dann zünden wir die 1.
Kerze an.“
„Bekomme ich dann auch einen Adventskalender,
Mama?“
„Wir können ihn zwar schon aufhängen, aber öffnen
darfst du ihn noch nicht.“
„Warum nicht? – Das ist gemein.“
„Nein, Finn, das ist nicht gemein. Pass auf, ich
erkläre es dir. So ein Adventskalender hat 24 kleine Türchen. Am 1. Dezember
beginnen wir damit, täglich eines zu öffnen. In diesem Jahr fängt die
Adventszeit aber schon im November an. Und deshalb musst du noch 3 x schlafen,
bis du das erste Türchen öffnen darfst.“
„War das auch schon so, als du noch ein Kind
warst?“, wollte Finn wissen.
„Ja, leider war das auch damals schon so und ich
war genau so traurig darüber, wie du jetzt.“
„Hattest du auch Ritterfiguren in deinem
Kalender?“
„Nein, Finn. Das gab es noch nicht. Als ich Kind
war, da war hinter jeder Tür ein kleines Stückchen Schokolade und ein hübsches
Bild. Aber das kennst du ja, diese Kalender gibt es ja heute noch.“
Es klingelte an der Haustür und Finn rannte
sogleich los.
„Es ist Opa“, rief er. Dann öffnete er ihm die
Tür.
„Hallo Opa, hattest du auch einen Adventskalender,
als du noch klein warst“, fragte Finn sogleich.
„Ja, ich hatte auch einen Adventskalender. Aber
darf ich zuerst einmal reinkommen?“, fragte Opa schmunzelt.
Klar durfte er reinkommen.
Dann erzählte Opa von seinem Adventskalender und
davon, dass es früher noch keinen gab und die Eltern sich etwas Anderes für die
Kinder einfallen ließen.
Die Uroma von Opa backte Plätzchen und nähte 24
davon mit einem Faden an ein Stück Stoff. Der Papa von Opa durfte dann jeden
Tag ein Plätzchen essen.
Bei manchen Familien machte man 24 Kreidestriche
an die Tür und die Kinder durften jeden Tag einen Strich weg wischen.
„Striche an der Tür“, meinte Finn, „das finde ich
doof. Dann hätte ich lieber die Plätzchen genommen. Aber noch besser finde ich
die Ritterfiguren.“
„Ich kann dich gut verstehen“, sagte Opa, „doch
weißt du, Finn, wir sollten nicht vergessen, weshalb wir Kerzen anzünden und
schließlich Weihnachten feiern.“
„Na, wegen der Geschenke“, meinte Finn, „das ist
doch ganz klar.“
„Eben nicht, Finn. Es geht nicht darum, dass wir
riesig viele Geschenke bekommen und auch nicht darum, täglich Süßigkeiten im
Adventskalender zu finden. Eigentlich sollen wir uns in der Adventszeit auf die
Geburt von Jesus vorbereiten.“
„Weihnachten ohne Geschenke, das wäre aber ein
echt blödes Fest“, meinte Finn.
„Da hast du Recht. Und weil Gott die Menschen mit
der Geburt von Jesus beschenkt hat, beschenken wir uns noch heute an diesem
Tag.“
„Das ist toll“, sagte Finn.
„Ja“, meinte Opa, „dass es Geschenke gibt, ist
toll und dass Jesus geboren wurde, das ist auch toll.“
„Was ist denn eigentlich so besonders an Jesus?“,
fragte Finn.
„Das ist gar nicht so einfach zu erklären“, meinte
Opa. „Hier auf der Erde gibt es Menschen, die lieb und leider auch Menschen,
die böse sind.“
„Ich bin aber nicht böse – oder?“
„Nein, mein Junge, du bist nicht böse.“
„Und Jesus“, fragte Finn weiter, „war Jesus böse?“
„Nein, Jesus war auch nicht böse. Ganz im
Gegenteil. Jesus kam auf die Welt, um den Menschen zu zeigen, wie man sich
verhalten soll, wenn man lieb sein möchte. Und das ist manchmal gar nicht so
einfach.“
„Das stimmt. Wenn der Tim wieder mit mir streitet
und ich das gar nicht will, dann ist dass gar nicht so einfach. Dann fängt er
nämlich an, mich zu schupsen und wenn ich mich dann nicht wehre, dann sagen die
anderen Kinder, ich sei ein Feigling. Ich will aber kein Feigling sein. Aber
böse will ich auch nicht sein.“
„Siehst du, genau das meine ich. Es ist gar nicht
so einfach, ein lieber Mensch zu sein. Doch wir wollen uns bemühen, nicht wahr,
Finn.“
„Ja, Opa! Und zu Weihnachten da möchten wir
Geschenke und im Advent einen Adventskalender und Plätzchen und Kerzen. Und auf
den Weihnachtsmarkt, da gehen wir auch, oder?“
„Natürlich! Wir machen es uns recht gemütlich in
der Adventszeit und zu Weihnachten, aber wir wollen auch an Jesus denken und zu
Weihnachten lesen wir die Geschichte von seiner Geburt.“
„Ja, das machen wir, Opa. Und du bringst die Oma
mit und dann singen wir Weihnachtslieder. Aber zuerst öffnen wir die Geschenke.
Wollen wir es so machen?“
„Genau so machen wir es, Finn.“
© Martina Pfannenschmidt, 2014